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Management
Der Apotheker in der Entscheidungs-Zwickmühle
Die meisten Apotheker kennen Situationen wie die folgende: Man muss aufgrund der besonderen Situation von den Mitarbeitern Anpassung und folgsamen Respekt verlangen – obwohl man ansonsten eigentlich Eigeninitiative und unternehmerisch-eigenständiges Denken und Handeln von den Angestellten erwartet. Das Dilemma entsteht, wenn der Apotheker nun entgegen seines üblichen Vorgehens eine Entscheidung durchdrückt. Die Entscheidung ist wohlbegründet, immerhin trägt sie zum Überleben der Apotheke bei. Bei den Mitarbeitern kommt die autoritäre Haltung jedoch nicht gut an – sie sind von ihrem Chef halt anderes gewöhnt. Sein Handeln stößt bei den Mitarbeitern auf Unverständnis – und das in einer Situation, in der er deren Loyalität mehr benötigt als sonst.
Zwischen Skylla und Charybdis
In solchen Fällen mag sich der Apotheker vorkommen wie der sagenhafte Odysseus: Im zwölften Gesang der Odyssee bewegt sich der Held zwischen den Meeresungeheuern Skylla und Charybdis – und damit zwischen gleich zwei Gefahren. Weicht Odysseus der einen Gefahr aus, begibt er sich in die andere. Es gilt also – auch für den Apotheker – , den richtigen Weg zwischen zwei gefährlichen Verhängnissen zu finden.
Ein weiteres Führungsdilemma tritt auf, wenn sich die Mitarbeiter vom Apotheker Orientierung und Sicherheit erhoffen. Das kann zum Beispiel die Arbeitsplatzsicherheit und die Erwartung betreffen, in verlässlichen Strukturen arbeiten zu können. Aber: Kein Apotheker kann besten Gewissens zusichern, dass die Arbeitsplätze der Mitarbeiter für immer und ewig gesichert sind.
Hinzu kommt: Eine Apotheke lebt nicht von Kontinuität allein, sondern vom Wandel, mithin von der Möglichkeit, sich auf Innovationen einzulassen. Stillstand bedeutet zuweilen Rückschritt, und darum sieht sich der Apotheker immer wieder mit der Notwendigkeit konfrontiert, lieb gewonnene Sicherheiten auf den Prüfstand stellen zu müssen. Auch wenn dies dem Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter überhaupt nicht entspricht.
Auswege aus der Zwickmühle: Werteorientierung beachten
Eine Möglichkeit, solche Führungsdilemmata zu lösen, besteht darin, einen verbindlichen Handlungsrahmen abzustecken, der sich an den Werten orientiert, die dem Apotheker wichtig sind. Er könnte etwa vorgeben, dass bei Entscheidungen der folgende Grundsatz gilt: "Das Kundenwohl geht vor Mitarbeiterwohl." In der Wertehierarchie steht mithin die Kundenorientierung vor der Mitarbeiterorientierung.
Oder: "Die Apotheken- und/oder Teaminteressen sind wichtiger als die Einzelinteressen." Befindet sich der Apotheker also im Führungsdilemma, wird er sich für diejenige Alternative entscheiden, die der Apotheke und dem Team einen hohen Nutzen verspricht. Selbst berechtigte Interessen eines einzelnen Mitarbeiters müssen dagegen zurückstehen – dazu ein Beispiel: Der Apotheker möchte einen Mitarbeiter gerne in den Urlaub schicken, er hat es sich verdient. Doch der Krankenstand in der Apotheke verhindert dies. Würde der Apotheker den Urlaub genehmigen, liefe er Gefahr, das Kundenwohl in Mitleidenschaft zu ziehen.
Ein typisches Führungsdilemma liegt auch vor, wenn der Apotheker seinen Mitarbeitern grundsätzlich Vertrauen schenken und Kompetenzen abgeben und Zuständigkeiten übertragen will, gleichzeitig jedoch als verantwortliche Führungskraft alles im Griff und unter Kontrolle haben muss. Wie soll er reagieren, wenn er einen Mitarbeiter, dem ständig Fehler und Missgeschicke unterlaufen, eigentlich stärker kontrollieren müsste?
Wiederum gilt: Nach der genannten Werteorientierung muss dem Kundenwohl ein höherer Stellenwert eingeräumt werden als der Mitarbeiterorientierung.
Das Dilemma aushalten
Meistens will ein Apotheker sein Mitarbeiterteam als Gesamtheit sehen, zugleich aber dem Einzelnen gerecht werden. Dies ist der Fall, wenn er den Auszubildenden gerne übernehmen würde – seine Kompetenz spricht dafür, und im Hinblick auf die Kundenbetreuung wäre es sinnvoll, das Apothekenteam zu erweitern. Andererseits entsteht durch die Übernahme eine wirtschaftliche Zusatzbelastung, die nur schwer zu stemmen ist. Und immerhin steht der Apotheker gegenüber dem Team und der Apotheke insgesamt in der Verantwortung.
Gewiss lässt sich bei einigen Situationen der goldene Mittelweg gehen und ein Kompromiss schließen, aber eben nicht immer. Die Lösung eines Führungsdilemmas besteht weniger darin, es zur Zufriedenheit aller Beteiligten aufzulösen – das ist oftmals unmöglich. Darum: Der Apotheker muss eine Entscheidung treffen und das Führungsdilemma als gegeben akzeptieren, es aushalten und produktiv und zukunftsorientiert mit ihm umgehen.
So sollte er seine Entscheidung gegenüber der "unterlegenen" Partei dezidiert begründen und – zum Beispiel – dem Auszubildenden verdeutlichen, warum er ihn nicht übernehmen kann. Kommunikation ist mithin alles, auch in unserem Eingangsbeispiel: Der Apotheker, der eine Entscheidung autoritär durchdrücken muss, aber trotzdem die Loyalität des Teams benötigt, sollte offen und ehrlich die Hintergründe erläutern und Argumente nennen, die zeigen, warum er so und nicht anders handeln konnte. Wenn er dem Team die Entscheidungsgrundlagen darlegt, die er berücksichtigen musste, werden die Mitarbeiter dies nachvollziehen können.
Entscheidungsspielräume verdeutlichen
Häufig bewältigen Apotheker die Dilemma-Situation, indem sie sie verharmlosen, verschweigen und verdrängen. Besser ist es, wenn der Apotheker – sich selbst und dem Team gegenüber – verdeutlicht, dass er schwierige Entscheidungen immer nur im Hier und Jetzt und in Abhängigkeit von den Tatsachen und Fakten, die im Moment verfügbar sind, treffen kann.
Oft können die Mitarbeiter eine Entscheidung dann eher nachvollziehen, wenn sie wissen, dass die Entscheidungsspielräume des Apothekers begrenzt waren: "Der Chef hat unter Abwägung der Situation und der Dringlichkeit entscheiden müssen, aber ab morgen vertraut er wieder unserem eigenständigen Handeln."
Das bedeutet: Damit der Apotheker nicht von den Führungsdilemmata erdrückt und frustriert wird, sollte er eine Situation und die betroffenen Personen jedes Mal aufs Neue bewerten und seine Entscheidung im Gesamtkontext treffen. Heute sind diese Umstände entscheidend, morgen vielleicht andere. Er kann also immer nur die heutig-gegenwärtigen Faktoren berücksichtigen. Es gibt nun einmal verschiedene Zeitabschnitte, in denen jeweils abwechselnd nur einer der verschiedenen und berechtigten Ansprüche bedient werden kann.
Heute steht die Wirtschaftlichkeit der Apotheke im Vordergrund und ist für den Apotheker handlungsanleitend, morgen die Kundenorientierung, übermorgen die Mitarbeiterorientierung. Und manchmal spielen in ein und derselben Situation alle drei Aspekte eine entscheidungsrelevante Rolle, sodass der Apotheker die verschiedenen Ansprüche gegeneinander abwägen muss..
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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