- DAZ.online
- DAZ / AZ
- AZ 14/2012
- Gesprächskultur in der ...
Management
Gesprächskultur in der Apotheke
Mitarbeiter zu eigenen Einsichten führen
Wenn ein Mitarbeitergespräch in ruhigen und geordneten Bahnen verläuft, ist es relativ einfach, ein produktives Feedback zu geben. Problematisch wird es, sobald kritische Gesprächssituationen auftreten – der Apotheker führt ein Konfliktgespräch, er tadelt oder kritisiert den Mitarbeiter. Nehmen wir als Beispiel das Konfliktgespräch – dort geht es oft darum, einen "Schuldigen" zu finden. Und das ist dann meistens der jeweils andere.
Besser ist es, die unselige und kontraproduktive Suche nach einem Schuldigen und die Beantwortung der Frage, wer denn nun Recht hat, durch eine Feedbackkultur zu ersetzen. Indem der Apotheker dem Mitarbeiter als Feedbackempfänger eine konstruktive Rückmeldung auch im Konflikt- und Streitfall gibt, signalisiert er ihm: "Es geht nicht darum, Ihnen Schuld aufzubürden oder Sie als Person an den Pranger zu stellen, sondern um die Suche nach der bestmöglichen Lösung für ein Problem."
Rückmeldungen versprechen immer dann positive Resultate, wenn sie beabsichtigen, dass Mitarbeiter ihr Verhalten aus eigenem Willen und Antrieb ändern. Der Grund: Verhaltensveränderungen, die von außen angestoßen oder gar erzwungen werden, entfalten bei Weitem nicht die Wirkung, die entsteht, wenn sie aus eigener Einsicht initiiert werden.
Mit anderen Worten: Auch im konfliktären Mitarbeitergespräch steht die Intention des Apothekers im Mittelpunkt, den Mitarbeiter im Gespräch zu eigenen Einsichten gelangen zu lassen. Er soll also Ziele, Vereinbarungen und Kritikpunkte selbst formulieren. Dazu bedarf es bestimmter kommunikativer Kompetenzen.
Feedback geben mit Ich-Botschaften
Mithilfe von "Ich-Botschaften" bringt der Apotheker seine Sicht und seine persönliche Meinung zum Ausdruck, ohne den Gesprächspartner zu verletzen. Ich-Botschaften sind deshalb vor allem in Konfliktlösungs- und in Kritikgesprächen nützlich, in denen es auch um die Beurteilung des Verhaltens eines Mitarbeiters geht, also um die Beziehungsebene, um Gefühle und Emotionen.
Konkret: Die Sie-Botschaft: "Herr Mitarbeiter, Sie haben zu der Verzögerung bei der Auslieferung der Medikamente durch den Kurierdienst ganz entscheidend beigetragen", löst beim Apothekenmitarbeiter Gesprächspartner andere Reaktionen aus als die folgende Ich-Botschaft: "Ich habe mir einmal überlegt, inwiefern auch Ihr Verhalten zu der Verzögerung beigetragen hat".
Entscheidend ist: Die Ich-Botschaft stellt die Meinung des Apothekers zur Diskussion, die "Schuld" des Mitarbeiters wird nicht als unumstößliche Tatsache gewertet. Er verbalisiert eine Einschätzung, nämlich seine Meinung, über die man durchaus kontrovers sprechen kann.
Ich-Botschaft führt zur Versachlichung
Wie wird der Mitarbeiter reagieren? Wahrscheinlich wird er nun antworten: "Wie meinen Sie das?" oder: "Was hat mein Verhalten denn damit zu tun?" – und schon hat der Apotheker auf eine sachliche Art und Weise den Einstieg in das Gespräch gefunden.
Die Sie-Botschaft hingegen ist zumeist kritisierender und belehrender Natur und führt zu Angriffen, Beschimpfungen, Konfrontationen und Rechtfertigungen, die die Beziehungsebene eintrüben und einer Versachlichung des Gesprächs entgegenwirken, ja, diese oft unmöglich machen. Wenn der Apotheker eine Sie-Botschaft aussendet und darüber hinaus nicht die Sache – also das Fehlverhalten selbst – , sondern die Person des Mitarbeiters in den Fokus rückt, ja, diesen sogar angreift, muss der Konflikt eskalieren.
Beim produktiven Feedback geht es stets um die Sache, nie um die Identitäts- oder personale Ebene. Und darum belegt der Apotheker seine Wahrnehmung anhand konkreter Beispiele und persönlicher Beobachtungen, die das Verhalten des Mitarbeiters betreffen.
Hinzu kommt: Nutzt der Apotheker die Ich-Botschaft, um ein Feedback zu geben, macht er dem Mitarbeiter deutlich, dass er zu seiner Meinung steht und sich nicht hinter distanzierenden Formulierungen, Floskeln und allgemeinen Redewendungen versteckt.
Gesprächsgegnerschaft vermeiden
Es bleibt festzuhalten: Wer mit Ich-Botschaften arbeitet, trägt zur Versachlichung der konfliktären Situation bei. Gerade in solchen Situationen neigen wir dazu, den Gesprächspartner durch Bewertungen, Urteile, Vorwürfe, Ermahnungen, Forderungen, Schimpfen, Beschämen, Beschuldigen oder Bestrafen zur Änderung seines Verhaltens "bekehren" zu wollen. Dabei ist unser Denken darauf ausgerichtet, was der andere "falsch" macht. Wir nutzen dann häufig Satzanfänge wie:
- "Sie können doch nicht einfach ..."
- "Sie sollten nun aber wirklich …"
- "Sie müssen doch endlich einsehen ..."
- "So dürfen Sie das einfach nicht sehen ..."
All diese Formulierungen führen meistens nur dazu, dass der Mitarbeiter zum Gegenangriff übergeht. So entsteht ein Wortgefecht, das keine Seite dem angestrebten Ziel auch nur einen Schritt näher bringt. Es belastet oder zerstört die Beziehung der Gesprächspartner, die plötzlich zu Gesprächsgegnern geworden sind. Die Ich-Botschaft hingegen hilft, die Gefühle und Bedürfnisse des Gesprächspartners zu schonen und zu respektieren. Der Apotheker sagt, was ihm am Verhalten des Mitarbeiters nicht gefallen hat, er bringt deutlich zum Ausdruck, was er davon hält – um dann einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten oder den Mitarbeiter zu animieren, selbst einen Vorschlag zu formulieren.
Einsatz im Kundengespräch
Es ist nicht das Privileg des Apothekers, Rückmeldungen zu geben. Im Idealfall sind auch die Apothekenmitarbeiter dazu fähig. Es liegt in der Verantwortung des Chefs, des Apothekers, dafür zu sorgen, dass möglichst viele, wenn nicht alle Mitarbeiter über diese Kompetenz verfügen.
Für die Gesprächskultur in der Apotheke insgesamt ist es sinnvoll, gemeinsam verbindliche Spielregeln für das – auch kritische – Feedback zu formulieren, an die sich alle halten müssen: die Mitarbeiter und der Apotheker. Alle Beteiligten geben ihr Commitment zu den vereinbarten Grundsätzen ab – es entsteht ein Betriebsklima, in dem das Feedback als Instrument anerkannt wird, sich gegenseitig zu unterstützen. Dann ist es auch möglich, die konstruktiven Feedbackregeln und die Ich-Botschaften im Kundengespräch einzusetzen: Wenn ein Apothekenkunde – ob zu Recht oder zu Unrecht – vor lauter Verärgerung im psychologischen Nebel steht und den Mitarbeiter verbal heftig angeht, greift dieser auf die deeskalierend wirkenden Ich-Botschaften zurück. So vermeidet er es, Öl ins Feuer zu gießen und den verärgerten Kunden noch höher auf die Palme zu treiben.
Ich-Botschaften im Kundengespräch bedeuten, dass sich der Apotheker oder der Mitarbeiter nicht hinter fadenscheinigen Ausreden versteckt ("Man ist einfach nicht dagegen gefeit, dass so etwas ab und zu passiert"), sondern Verantwortung übernimmt: "Ja, das war falsch von mir!".
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.