Zukunftskongress

Gesprächsbereit, aber keine Änderung in Sicht

Die Abwälzung der Großhandelseinsparungen auf die Apotheken, das Packungsgrößen-Chaos und die Mehrkostenregelung waren die Themen der berufspolitischen Diskussion auf dem Kongress des Apothekerverbands Nordrhein. Verbandschef Preis hatte dazu die Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens (Die Grünen) eingeladen, Bärbel Bas von der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion und Jens Spahn als gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Heinz Lanfermann von der FDP-Fraktion konnte aus Termingründen nicht teilnehmen.
Gesundheitspolitische Positionen auf dem Prüfstand. Von links: Bärbel Bas, Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfaktion, Barbara Steffens, Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen (Die Grünen), der Moderator Ralph Erdenberger, Thomas Preis, Vorsitzender des Vorstands des Apothekerverbands Nordrhein, und Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Foto: AV Nordrhein

Spahn sieht sehr wohl, dass die Apotheken Einbußen durch das AMNOG erleiden. "Dies ist nicht schön, aber verkraftbar", meinte der CDU-Politiker. Der neue Zwangsabschlag von 2,05 Euro sei erst einmal auf zwei Jahre begrenzt, dann müsse neu verhandelt werden. Und was die Belastungen durch fehlende Großhandelsrabatte angehe, wisse man noch gar nicht abschließend, wie viel tatsächlich vom Großhandel auf die Apotheken abgewälzt werde. Viele Verhandlungen zwischen Apotheken und Großhandel über Konditionen und Service seien noch nicht abgeschlossen. Spahn erinnerte daran, dass es die Bitte der Apotheker gewesen sei, die notwendigen Einsparungen von 400 Mio. Euro auf 2 x 200 Mio. Euro aufzuteilen, nämlich 200 Mio. über den Kassenabschlag und 200 Mio. vom Großhandel zu holen. Allerdings sollten sich die Apotheker selbst einig sein, ob sie generell mit Großhandelsrabatten arbeiten wollten oder nicht. Er wisse, dass es durchaus Apotheker gebe, die bereit sein, gänzlich vom jetzigen System der Rabattgewährung durch den Großhandel Abschied zu nehmen. Das Problem, dass der Großhandel den 0,85-prozentigen Abschlag auf den gesamten Warenkorb der Apotheke anwendet und nicht nur auf das für die GKV-relevante Sortiment, sei zwar unschön, aber eine Übergangslage und müsse jetzt hingenommen werden, so Spahn. Die Zeit im Gesetzgebungsverfahren sei zu knapp gewesen, um hier eine andere Regelung hinzubekommen. Generell sei man aber gesprächsbereit über das Thema Großhandelsrabatte.

Gesprächsbereit zeigte sich Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zum Thema Großhandelsrabatte und Packungsgrößenverordnung. Foto: DAZ/diz

"Allerdings", so Spahn, "wenn Sie wollen, dass wir das Fass bei den 200 Millionen neu aufmachen, machen Sie die Debatte über die Großhandelsrabatte insgesamt auf, da niemand in der Lage ist, die Rabatte zwischen OTC und rezeptpflichtigem Bereich abschließend auseinanderhalten zu können." Deutlich hob der Gesundheitspolitiker hervor: "Wenn wir anfangen wollen, die Rabatte gesetzlich zu fixieren, dann werden wir am Ende das Rabattgeschehen regulieren müssen. Letztlich kommen wir dabei zu der Frage, ob es überhaupt aus Sicht der Apotheken ein wünschenswerter Zustand ist, wenn es an dieser Stelle ein Rabattgeschehen gibt."

Nach Spahns Auffassung werde es nicht möglich sein, die geforderten 200 Millionen Euro zu regulieren. Dann müsse schon die Frage, ob der Großhandel überhaupt Rabatte gewähren soll oder darf oder eben nicht, zu klären sein, so der CDU-Gesundheitspolitiker. "Und damit werden wir uns über die Arzneimittelpreisverordnung insgesamt unterhalten müssen", fügte Spahn hinzu.

Bärbel Bas, Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion. Foto: DAZ/diz

Die SPD-Politikerin Bas, die sich in der Diskussion als begeisterte Nutzerin von Versandapotheken outete, räumte ein, dass man eigentlich die Pharmaindustrie stärker belasten und die Positivliste ins Spiel bringen wollte. "Wir hatten befürchtet, dass der Großhandel die notwendigen Einsparungen an die Apotheken weiterreicht."

Und: Vielleicht hätte man vorher erst überlegen sollen, so Steffens, wie man 200 Mio. vom Großhandel holt, ohne dass die Einsparungen auf die Apotheken abgewälzt werden. Sind überhaupt Rabatte vom Großhandel sinnvoll, überlegte sie.

Chaos Packungsgrößen

Die Gesundheitspolitiker zeigten sich selbst ein Stück weit betroffen, als sie von Apothekern hörten, was aus dem Versuch geworden ist, die Packungsgrößen neu zu regeln. Spahn erinnerte an den Ausgangspunkt dieser Änderung: Die Austauschbarkeit zwischen den Packungsgrößen sollte verbessert werden. Die für 2013 geplante Umstellung auf eine Reichweitendauer sollte eine sinnvolle Hilfe sein. Auch hier zeigte er sich gesprächsbereit und meinte, über die geplante Änderung der Packungsgrößenverordnung könne noch diskutiert werden: "Wir sind bereit zu korrigieren."

Dispensierende Ärzte und betreuende Apotheken – Barbara Steffens, Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen (Die Grünen), kann sich vorstellen, über die Aufhebung starrer Sektorengrenzen zu reden. Foto: AV Nordrhein

Steffens bezeichnete die Vorgehensweise der Regierung als "Experiment": "Alles wird umgestellt und dann schauen sie nach – das ist kontraproduktiv, so geht es nicht!" Die Kosten für die Umstellung seien höher als die Einsparungen. Das wollte Spahn so nicht stehen lassen. Man sei im Dialog mit der ABDA und der Industrie.

Bas empfand die drei N-Stufen als zu unflexibel, Packungsgrößen sollten noch besser auf die Therapie und Erkrankung abgestellt werden.

Mehrkostenregelung – die Ausnahme

Spahn sieht es eher als Ausnahme denn als Regel, dass ein Patient von der Mehrkostenregelung Gebrauch macht und sein Wunschpräparat bezahlt. Und er erinnerte daran, dass in den Fällen, wo das Rabattarzneimittel medizinisch nicht angezeigt sei, der Arzt das Aut-idem-Kreuz setzen könne. Auf Rabattverträge könne man nicht mehr verzichten, so der CDU-Politiker, "zum Teil gibt es 90% und mehr als Rabatt von der Industrie auf die Arzneimittel – das muss man doch nutzen!" Auch das Wissen des Apothekers sollte besser eingesetzt werden, zusammen mit dem Arzt. "Die Mehrkostenregelung brauchen wir nicht", so Bas, Apotheker und Arzt könnten den Austausch verhindern, wenn er nicht angezeigt sei. Und auch Steffens kritisierte die jetzige Regelung: "Wenn die Patienten von einer solchen Regelung hätten profitieren sollen, hätte man es anders machen müssen."


diz



DAZ 2011, Nr. 6, S. 74

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