Feuilleton

"Jetzt male ich"

(diz). Den Namen Krieglstein verbinden viele Apothekerinnen und Apotheker mit der Pharmakologie. Prof. Dr. Dr. Josef Krieglstein war viele Jahre lang als Pharmakologe, auch in der Ausbildung der Pharmaziestudierenden tätig. Nach seiner Emeritierung und Seniorprofessur in Münster wandte sich Krieglstein der Malerei zu. Wir sprachen mit ihm, was ihn dazu gebracht hat.
Foto: Josef Krieglstein
Der Bruch

DAZ:

Herr Prof. Krieglstein, ganz einfach gefragt, wie kommt man von der Pharmakologie zur Malerei?

Krieglstein: Das ist natürlich eine Frage, die man mir stellen muss. Was hat Pharmakologie mit Malerei zu tun? Nichts oder zumindest nicht sehr viel. Es war auch nicht so, dass mich die Pharmakologie zur Malerei gebracht hätte. Die Entwicklung war eine andere. Wenn ich meine Doktorarbeiten dazurechne, war ich etwa 50 Jahre als Wissenschaftler und davon 38 Jahre als Professor für Pharmakologie tätig. Aber als meine Seniorprofessur in Münster am 30. September 2010 auslief, – da war ich immerhin 72 Jahre alt – war klar, dass ich nun meine wissenschaftlichen Aktivitäten herunterregulieren muss. Mit etwa 500 publizierten Arbeiten und 9000 Zitierungen liege ich in der Pharmazie ganz weit vorn. Ich hatte also überhaupt keinen Grund, mit meiner bisherigen Wissenschaftskarriere unzufrieden zu sein. Aber vielleicht gerade wegen dieses hohen Niveaus bis in die Endphase meiner wissenschaftlichen Tätigkeit wollte ich jetzt nicht zum Auslaufmodell werden. Ich beschloss also, meine wissenschaftliche Tätigkeit radikal zu beenden und etwas ganz anderes zu beginnen. Letztendlich habe ich mich für die Malerei als neues Betätigungsfeld entschieden, weil ich damit schöpferisch aktiv sein und meinen Einsatz selbst steuern konnte. Zudem konnte ich völlig unbeschwert und entspannt an die Sache herangehen, weil ich damit nicht meinen Lebensunterhalt bestreiten und auch nicht anderen gefallen muss. Natürlich würde ich auch mit meiner Malerei gerne erfolgreich sein, aber ich muss es nicht. Gleichwohl würde ich mich freuen, auch als Maler bekannt zu werden.


DAZ:

Hatten Sie sich schon früher für die Kunst, insbesondere für die Malerei interessiert?

Krieglstein: Ich habe mich schon immer für die Malerei interessiert und mich damit kritisch auseinandergesetzt. Erste wichtige Anstöße kamen von meinem ausgezeichneten Zeichenlehrer in der Oberstufe (Klasse 10 bis 13) der Oberrealschule in Weiden (Opf.). Er führte mich sehr geschickt zur modernen Malerei hin. Das waren für mich sehr wichtige Anregungen. Aber ich habe damals nicht daran gedacht, als Künstler beruflich tätig zu werden. Schließlich studierte ich Pharmazie und Medizin und bin Pharmakologe geworden. Das Interesse an der modernen Malerei blieb sicher erhalten und wurde auch gepflegt. Aber spätestens mit Beginn der Doktorarbeiten im Jahre 1962 habe ich meine verfügbare Zeit ausschließlich im Labor und in Hörsälen zugebracht. Ich hatte immer die Hoffnung, dass sich das mit fortschreitendem Alter wieder etwas ändern würde. Aber das war nicht so. Ich war bis zum Schluss von früh 8 Uhr bis abends 8 Uhr im Institut, um zu lehren und zu lesen, zu schreiben und mit den Mitarbeitern zu diskutieren. Aber am 1. Oktober 2010 habe ich – so radikal wie es nur ging – mit wissenschaftlicher Arbeit aufgehört und mich dem Gebiet zugewandt, das mich schon in meiner Jugend interessierte, der Malerei.


Foto: Josef Krieglstein
Der Schnee schmilzt

DAZ:

Ihre Werke, die im Internet auf Ihrer Homepage zu finden sind, belegen eindrucksvoll Ihr künstlerisches Schaffen. Sind Sie Autodidakt oder haben Sie Malkurse besucht?

Krieglstein: Ich zögere ein wenig zu sagen, dass ich Autodidakt bin. Schließlich habe ich schon als Schüler sehr viel von meinem damaligen Kunstlehrer gelernt. Während des Berufslebens beschränkte sich mein Interesse an der Malerei auf den Besuch von Ausstellungen und Museen und Lesen von einschlägigen Büchern. Erst jüngst habe ich mir DVDs besorgt, um von anerkannten Künstlern Maltechniken zu lernen. Ich habe etwas Scheu, Malkurse zu besuchen, weil ich fürchte, dadurch meine Eigenständigkeit zu verlieren.


DAZ:

Wie würden Sie Ihre Stilrichtung bezeichnen? Welche Sujets malen Sie am liebsten?

Krieglstein: Ich glaube, es wäre vermessen, wenn ich jetzt schon von einer Stilrichtung sprechen würde. Ich male alles, was mir in den Sinn kommt und Spaß macht. Natürlich gibt es Leute, die mir nahelegen, eine eigene Stilrichtung zu entwickeln, die dann zum Markenzeichen werden könnte. Meine Bilder sind meist farbintensiv. Vielleicht ist das auch schon mein Markenzeichen. Aber ich möchte nicht krampfhaft eine Stilrichtung suchen. Andererseits würde ich schon sagen, dass beispielsweise die realistische Malerei wie der Fotorealismus von mir nicht favorisiert wird. Seit Erfindung der Fotografie ist die exakte Abbildung nicht mehr die vordringlichste Aufgabe der Malerei. Abbilden kann die Fotografie am besten. Die Malerei soll durch Farben und Formen anregen, beeindrucken und provozieren, und das kann die moderne abstrakte Malerei sehr gut. Also meine Neigung geht in Richtung der abstrakten und nicht der realistischen Malerei. Trotzdem kann sich beides sinnvoll verbinden lassen. Man denke nur an die Bilder des Stiers von Picasso. Er hat diese Studie mit einer naturgetreuen Darstellung eines Stiers begonnen und diese in mehreren Stufen immer weiter abgemagert, bis nur noch eine Linie den Umfang des Stiers darstellte, aber so, dass das Charakteristische des Stiers sofort erkennbar war.


DAZ:

Haben Sie Ziele in der Malerei?

Krieglstein: Ich setze mir bewusst keine festen Ziele für meine malerischen Aktivitäten. Ich möchte entspannt und ohne Druck malen können und Freude daran haben. Natürlich denkt man daran, dass die Bilder, die man malt, auch anderen gefallen könnten. Die Rückmeldungen, die ich bisher erhalten habe, waren überwiegend positiv.

Das erste Ziel meiner Malerei ist also, Freude daran zu haben. Dieses Ziel ist schon erreicht. Das zweite Ziel ist, auch anderen damit Freude zu bereiten. Auch dieses Ziel scheint erreichbar. Im Alter von 73 Jahren mit dem Malen zu beginnen, ist eine mutige Entscheidung. Ich kann jetzt schon sagen: Die Entscheidung war gut.


DAZ: Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr Fotos von Bildern des Pharmakologen Krieglstein finden Sie auf seiner Homepage

www.jkrieglstein.de




DAZ 2011, Nr. 51-52, S. 44

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