Arzneimittel und Therapie

Albinismus: Nitisinon fördert Pigmentierung im Tiermodell

Seit Anfang 2005 ist der Wirkstoff Nitisinon als Orphan Drug zur Behandlung einer seltenen Stoffwechselerkrankung, der Tyrosinämie Typ 1, auf dem deutschen Markt (Orfadin®, Orphan Europe). Jetzt konnten amerikanische Wissenschaftler im Tierversuch eine gesteigerte Pigmentierung von Fell und Auge bei Albino-Mäusen durch Nitisinon nachweisen. Ob auch die Sehstärke verbessert wird, konnten die Tierversuche allerdings nicht klären. Möglicherweise ergibt sich aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen eine Therapieoption zur Behandlung des okulokutanen Albinismus.

Die häufigste Form des Albinismus in Europa ist der okulokutane Albinismus Typ 1 (OCA1) dessen Ursache Mutationen im Tyrosinase-Gen sind. Das Enzym ist an der Synthese des Pigments Melanin aus der Aminosäure Tyrosin beteiligt. Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt. Der Anteil der von Albinismus betroffenen OCA1-Patienten beträgt etwa 30 bis 40%. Die schwere Form des okulokutanen Albinismus Typ 1 geht mit einer vollständigen Unfähigkeit zur Melaninbildung einher, die Betroffenen kommen mit weißen Haaren, heller Haut, durchscheinenden hellblauen oder rosafarbenen Iriden und einer starken Sehbehinderung mit einem Visus unter 10% zur Welt. Die Patienten leiden an Blendungsempfindlichkeit, Schielen und vielfach Nystagmus. Bei Patienten mit einem weniger schweren OCA1B ist noch eine unterschiedliche Restaktivität der Tyrosinase erhalten. Die Betroffenen können entsprechend sehr unterschiedlich aussehen, die Augen im Laufe des Lebens von blau zu grün oder braun nachdunkeln, und auch die Sehbehinderung kann in unterschiedlichem Maße ausgeprägt sein.

Vom Herbizid zum Arzneimittel

Ursprünglich als Herbizid entwickelt, wird Nitisinon, genauer NTBC [2-(2-Nitro-4-trifluormethyl-benzoyl)-1,3-Cyclohexandion], als Orphan Drug seit 2005 zur Behandlung der Tyrosinämie Typ 1, einer seltenen Stoffwechselerkrankung, eingesetzt (Orfadin®, Orphan Europe). Ursache der Erkrankung ist ein gestörter Abbau der Aminosäure Tyrosin, wobei es zu einer Anhäufung von toxischen Zwischenprodukten in der Leber kommt, die durch Nitisinon verhindert wird. Unter einer Nitisinon-Therapie kommt es aber auch zu einem erhöhten Tyrosin-Spiegel, der für einen Therapieansatz bei OCA1B von Bedeutung sein könnte. Tatsächlich kam es in einem Mäusemodell mit OCA1B zu einer vermehrten Pigmentbildung in der Haut, aber auch im Auge. Die Iristransparenz nahm ab und die Farbe des Fundus veränderte sich. Bei Mäusen mit OCA1A konnten diese Wirkungen nicht beobachtet werden. Da Sehtests bei Mäusen nicht möglich sind, lässt sich allerdings keine Aussage zu einer möglichen Verbesserung der Sehstärke treffen, und bestimmte Erkrankungen entstehen bereits während der Entwicklung des Auges, so die foveale Hypoplasie.

In Zellkulturen konnte Nitisinon in vitro die Melanin-Synthese in den Melanozyten steigern, die Wirkung war jedoch wiederum auf Zellen von OCA1B-Patienten beschränkt. Da der wichtigste Aspekt einer OCA-Therapie aber gerade die Verbesserung der Sehleistung betrifft, kündigten die Autoren eine Pilotstudie an.


Quelle

Onojafe, I.F.; et al.: Nitisinone improves eye and skin pigmentation defects in a mouse model of oculocutaneous albinism. J. Clin. Invest. 2011; doi:10.1172/JCI59372 vom 26. September 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 42, S. 53

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