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Stinkende Tabletten – wie viel Geruch ist erträglich?
Manche Einsendungen, wie nach Essigsäure riechende Acetylsalicylsäure-Brausetabletten oder nach schwefeligen Verbindungen stinkende Captopril-Präparate sind schnell untersucht, da sich der entstandene Geruch leicht durch die chemische Struktur des jeweiligen Arzneistoffes erklären lässt. In der Regel sind undichte Verpackungen (z. B. offene Schweißnähte) und die dadurch mögliche Einwirkung von Luftfeuchtigkeit für die Bildung dieser geruchsintensiven Verbindungen verantwortlich.
Oftmals findet sich die Beschreibung "typischer" Geruch als Eigenschaft in den Monografien für Ausgangsstoffe im Arzneibuch. Jedoch gibt es Fälle, in denen man nicht mehr von nur typisch sprechen kann, sondern die "Akzeptanzschwelle" unserer Nase überschritten wird. Häufig wird der Ausgangsstoff Erythromycin aufgrund eines üblen Geruches reklamiert, der die PTA bei der Identitätsprüfung in der Apotheke eher an einen Besuch auf dem Hamburger Fischmarkt als an ein Antibiotikum zur Verwendung in der Rezeptur denken lässt. Die Ursache hierfür können Syntheserückstände wie Lösemittelreste sein.
Schwieriger gestaltet sich die Analyse jedoch bei unspezifischen "muffigen, schimmligen Keller-Gerüchen" eines Arzneimittels, wie sie zurzeit immer häufiger für Metformin-, Glibenclamid- oder auch Ramipril-Präparate beschrieben werden. Welche Verbindungen hierfür verantwortlich sind, konnte bisher noch nicht abschließend ermittelt werden.
Wodurch wird Geruch verursacht und wie kann man ihn untersuchen?
Geruch entsteht dadurch, dass spezifische Moleküle in die umgebende Luft abgegeben werden. Riechbare Stoffe müssen gasförmig sein. Flüssige oder feste Stoffe müssen also in genügendem Maße in den gasförmigen Zustand übergehen, wozu ein ausreichend hoher Dampfdruck des Stoffes erforderlich ist.
Als Untersuchungsverfahren wird die Gaschromatografie (GC) verwendet. Nachgewiesen werden die gasförmigen Stoffe nach der Auftrennung im GC entweder durch einen Flammenionisationsdetektor (FID) oder mittels Massenspektrometrie (MS). Das Funktionsprinzip beim Flammenionisationsdetektor ist die Messung der Leitfähigkeit einer Knallgasflamme zwischen zwei Elektroden. Die zu analysierenden Substanzen werden mit einem Trägergasstrom in die Flamme transportiert und dort thermisch ionisiert. Die dabei freiwerdenden Elektronen werden aufgefangen und der Anstieg der Leitfähigkeit als Peak aufgezeichnet. Bei der MS werden die Moleküle ebenfalls ionisiert und teilweise auch fragmentiert. Die Ionen werden durch ein elektrisches Feld beschleunigt und dem Analysator zugeführt, der sie nach dem Verhältnis von Masse zu Ladung "sortiert". Anhand des charakteristischen Zerfallsmusters können Substanzen dann über eine Datenbank zugeordnet werden.
Vor der Analytik ist zunächst eine Anreicherung der geruchsaktiven Moleküle notwendig, denn kein Detektor ist so empfindlich wie unsere Nase, die manche Stoffe selbst im Bereich von einer Millionenfachen Verdünnung noch wahrnehmen kann! Es gibt daher sogar GC-Geräte, die mit einem sogenannten "Sniffing Port" arbeiten, also die menschliche Nase zum Erkennen bzw. Unterscheiden der aufgetrennten Substanzen nutzen.
Gerüche konzentrieren sich in kleinen Gasräumen auf, z. B. im Hohlraum, der eine Tablette im Blisternapf umgibt, oder auch in einem Plastikschraubgefäß, das Tabletten, Dragees oder ähnliches enthält. Dadurch erscheinen sie am stärksten kurz nach der Öffnung des Blisters bzw. des Gefäßes.
Untersuchung mit modernen Analyseverfahren
Moderne Verfahren in der Untersuchung von Gerüchen sind die Headspace-Analyse und die Festphasenmikroextraktion (solid phase micro extraction, SPME). Bei der Headspace-Technik wird nicht die ganze Probe samt Matrix (die riechende Substanz abgebender Feststoff bzw. Flüssigkeit) in den Gaschromatografen injiziert, sondern nur der Gasraum ("Head Space") über der in einem speziellen Behältnis erwärmten Probe, welcher einen gewissen Anteil der leichtflüchtigen Substanzen aus der Probe enthält. Im Fall der übel riechenden Tabletten kann z. B. mit einer Spritze in den Blister gestochen und die Luft daraus zur Untersuchung in die Spritze aufgezogen werden. Eine bekannte Anwendung dieser Methode ist die Bestimmung des Blutalkoholgehaltes.
Die Festphasenmikroextraktion (SPME) stellt eine Weiterentwicklung der Headspace-Analytik dar. Hierbei wird in den zu untersuchenden Gasraum eine Kanüle eingestochen, die eine ausfahrbare Faser enthält. Diese bindet wie ein Magnet geruchsaktive Substanzen. Dadurch kommt es zu einer starken Anreicherung der flüchtigen Komponenten. Im Gaschromatografen werden dann durch Hitzeeinwirkung die gebundenen Moleküle wieder von der Faser abgelöst und analysiert.
Bittere Medizin – welche Empfehlungen kann die Apotheke geben?
Im Europäischen Arzneibuch findet sich bei den Allgemeinen Monografien unter 2.3.4 die einfache Prüfung "Geruch". Hier wird die zu analysierende Substanz in einer dünnen Schicht auf einem Uhrglas ausgebreitet und 15 Minuten stehen gelassen. Dann wird der Geruch bestimmt oder die Abwesenheit eines Geruches festgestellt.
Häufig zeigt sich bei dieser Untersuchung im Zentrallabor, dass der direkt nach der Entnahme aus dem Blister oder dem Schraubgefäß wahrgenommene Geruch nach 15 Minuten – meist schon viel früher – nicht mehr vorhanden ist. Die Apotheke könnte daher Patienten, die Probleme bei der Einnahme von Medikamenten mit einem bekanntermaßen unangenehmen Eigengeruch haben, empfehlen, die Tablette nach der Entnahme aus der Verpackung wenige Minuten offen liegen zu lassen.
Arzneimittel mit schlechtem Geschmack haben häufig einen Überzug, um diesen zu kaschieren. Es gibt jedoch keine Vorschrift, wie lange ein solcher Überzug beständig sein muss. Das heißt, wenn eine Filmtablette zu lange im Mund bleibt oder wenn aufgrund eines galenischen Mangels der Überzug tatsächlich defekt ist, kann der schlechte Geschmack wieder zum Vorschein kommen. Meist findet sich bei derartigen Arzneimitteln der Hinweis im Beipackzettel, die Tablette unzerkaut und mit reichlich Flüssigkeit einzunehmen.
Kontakt Lisa Schlegel und Astrid Kaunzinger, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V., Carl-Mannich-Str. 20, 65760 Eschborn, www.zentrallabor.com
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