Arzneimittel und Therapie

Pirfenidon verlangsamt die Abnahme der Lungenfunktion

Eine kausale Therapie der idiopathischen Lungenfibrose ist derzeit nicht in Sicht. Ein möglicher Lichtblick ist das Orphan Drug Pirfenidon (Esbriet®), dem in zwei Phase-III-Studien ein klinischer Benefit zugesprochen wurde.

Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) ist eine chronische, progredient verlaufende Erkrankung mit schlechter Prognose. Ihre Ursache ist unbekannt, diskutiert werden Schadstoffexpositionen und genetische Dispositionen. Die Erkrankung tritt relativ selten auf und betrifft meist Männer über 50 Jahre. Ihre Häufigkeit wird in amerikanischen Studien auf 6 bis 20 Fälle pro 100.000 Menschen geschätzt; in Deutschland sind ungefähr 12.000 bis 22.000 Patienten betroffen. Das mittlere Überleben nach Diagnosestellung wird mit zwei bis fünf Jahren angegeben.

Die idiopathische Lungenfibrose ist durch eine fortschreitende Zerstörung der Lungen- bzw. Alveolarstruktur und deren Ersatz durch fibrotisches Narbengewebe gekennzeichnet. Dieser Umbauprozess der Lunge führt zu Gasaustauschstörungen und zur Einschränkung der Lungendehnbarkeit. Entsprechend ist das Lungenvolumen deutlich verkleinert und der eingeatmete Sauerstoff gelangt nicht mehr in genügender Menge ins Blut. Die Vernarbung geht mit einer gestörten Wundheilung einher. Charakteristische Krankheitssymptome sind zunehmende Atemnot, zuerst bei Anstrengung, in späteren Krankheitsstadien auch bereits in Ruhe. Häufig tritt trockener Reizhusten auf. Der Pathomechanismus der Erkrankung ist nicht in allen Einzelheiten geklärt. Unter anderem kommt es zu einer durch den Wachstumsfaktor TGF-β (TGF = transforming growth factor) initiierten Aktivierung von Fibroblasten.

Keine kurative Therapie

Eine kausale Therapie der idiopathischen Lungenfibrose ist derzeit nicht möglich. Ein Behandlungsansatz ist die Hemmung der TGF-β -Synthese durch den oral verfügbaren Wirkstoff Pirfenidon. Pirfenidon vermindert die Proliferation von Fibroblasten und wirkt anti-inflammatorisch. Darüber hinaus hemmt der Wirkstoff die erhöhte Biosynthese und die Akkumulation extrazellulärer Matrix, die durch Wachstumsfaktoren, wie den TGF-β stimuliert werden. Pirfenidon (Esbriet® ; InterMune) ist seit dem 28. Februar 2011 in der Europäischen Union als Orphan Drug zur Behandlung von Erwachsenen mit leichter bis mittelschwerer idiopathischer Lungenfibrose zugelassen.

Zwei placebokontrollierte Phase-III-Studien

Im Rahmen des CAPACITY-Studienprogramms (CAPACITY = Clinical Studies Assessing Pirfenidone in idiopathic pulmonary fibrosis: Research of Efficacy and Safety Outcomes) wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Pirfenidon in zwei randomisierten, placebo-kontrollierten, multizentrischen Phase-III-Studien (004 und 006) untersucht. Die Patienten waren zwischen 40 und 80 Jahren alt, litten unter einer mild bis moderat ausgeprägten idiopathischen Fibrose und stammten aus 110 Zentren in Australien, Europa und Nordamerika. Die Studienprotokolle sahen wie folgt aus:

  • Studie 004: Dreiarmige Studie mit 435 Probanden und folgender Medikation: Pirfenidon 2403 mg/d, Pirfenidon 1197 mg/d oder ein Placebo im Verhältnis 2:1:2.

  • Studie 006: Zweiarmige Studie mit 344 Patienten und folgender Medikation: Pirfenidon 2403 mg/d oder Placebo im Verhältnis 1:1.

Der primäre Studienendpunkt war die prozentuale Veränderung der forcierten Vitalkapazität (FVC) nach 72 Wochen. Sekundäre Endpunkte bewerteten die Gehstrecke der Patienten (6-Minuten-Gehtest), die unerwünschten Wirkungen und das progressionsfreie Überleben. Die Auswertung der Daten erfolgte mithilfe einer Intention-to treat-Analyse.

Keine identischen Ergebnisse

Die Auswertung der Studie 004 und 006 zeigte keine einheitlichen Ergebnisse. Der Nutzen einer Pirfenidon-Gabe konnte aber in beiden Studien gezeigt werden.

Primärer Endpunkt:

  • In der Studie 004 wurde nach 72 Wochen in der höher dosierten Verum-Gruppe ein Abfall des FVC von - 8% ermittelt, unter der Placebo-Therapie von - 12,4%. Dieser Unterschied von 4,4% war statistisch signifikant (95% Konfidenzintervall 0,7 – 9,1; p = 0,001). Dieser statistisch signifikante Therapieeffekt bestand zu jedem Zeitpunkt der Studie. Bei 35% der Probanden der Placebo-Gruppe fiel das FVC um mindestens 10% ab; in der höher dosierten Verum-Gruppe trat dies nur bei 20% der Probanden auf. In der niedrig dosierten Verum-Gruppe lag der FVC-Abfall zwischen den Werten der Placebo-Gruppe und den Werten der höher dosierten Verum-Gruppe.

  • In der Studie 006 kam es bis zur Woche 72 zu einem Abfall der forcierten Vitalkapazität von - 9% unter der Verum-Therapie und von - 9,6% unter der Placebo-Therapie. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. Allerdings bestand bis zur Woche 48 ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der Verum- und Placebo-Therapie (p = 0,005). Dieser bestand auch in einer Analyse, die alle gemessenen Zeitpunkte einschloss (p = 0,007).

Sekundäre Endpunkte:

  • Im Studienzeitraum traten in der höher dosierten Verum-Gruppe signifikant weniger IPF-bedingte Todesfälle (3% vs. 7%; (p < 0,03) und weniger Todesfälle jeglicher Ursache auf als unter Placebo (6% vs. 8%).

  • Unter der höher dosierten Pirfenidon-Gabe wurde in der Studie 004 das progressionsfreie Überleben signifikant um 36% verlängert. In der Studie 006 war die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens um 16% nicht signifikant. In einer gepoolten Analyse verlängerte Pirfenidon das progressionsfreie Überleben um 26% im Vergleich zur Placebo-Therapie.

  • In der Studie 006 wurde eine signifikante Reduktion der Abnahme der 6-Minutengehstrecke durch die Pirfenidon-Gabe festgestellt, in der 004-Studie nicht. Die Analyse der gepoolten Daten ergab wieder einen signifikanten Unterschied.

  • Die häufigsten unerwünschten Wirkungen unter Pirfenidon (Vergleich der höher dosierten Gabe mit der Placebo-Therapie) waren Nausea (36%), Dyspepsie (19%), Erbrechen (14%), Anorexie (11%), Photosensibilisierung (12%), Rash (32%) und Benommenheit (18%).

Fazit

Die Studienautoren attestieren Pirfenidon einen klinischen Benefit und ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil. Ein Kommentator weist darauf hin, dass Pirfenidon nur in der EU und in Japan auf dem Markt ist, nicht aber in den USA, da keine diesbezügliche Empfehlung der Fachgesellschaften vorliegt. Wahrscheinlich wird die zukünftige Therapie aus einer Kombination mehrerer Medikamente bestehen, derzeit ist Pirfenidon aber der einzige in Europa erhältliche Wirkstoff zur Therapie der idiopathischen Lungenfibrose.


Quelle

Noble P., et al.: Perfenidone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis (CAPACITY): two randomised trials. Lancet 377, 1760 – 1769 (2011).

Bouros D.: Perfenidone for idiopathic pulmonary fibrosis. Lancet 377, 1727 – 1729 (2011).

www.ec.europa.eu

www.clincalTrials.gov NCT00287729 und NCT00287716


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2011, Nr. 36, S. 46

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