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Arzneimittel und Therapie
Neue Empfehlungen für Zufuhr von Vitamin D
Die Stiftung Kindergesundheit erläutert die Gründe für die neuen Empfehlungen zur Vitamin-D-Versorgung in ihrer aktuellen Stellungnahme. Demnach liegt in Deutschland die tägliche Zufuhr an Vitamin D mit der Nahrung zum Teil erheblich unter den von internationalen Fachgremien befürworteten Werten. Die Vitamin-D-Zufuhr werde von den meisten Kindern und Jugendlichen jenseits des Säuglingsalters deutlich unterschritten, so die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Besonders niedrige Vitamin-D-Spiegel werden bei elf- bis 13-jährigen Mädchen und bei 14- bis 17-jährigen Jungen gemessen, also ausgerechnet in einer für das Wachstum und den Aufbau der Knochen besonders wichtigen Entwicklungsphase. Eine 25-Hydroxy-Vitamin-D-Serumkonzentration < 20 ng/ml (< 50 nmol/l) ist als Vitamin-D-Mangel anzusehen. Ein Mangel erhöht das Risiko, an vielen Leiden wie Rachitis, Osteoporose, Diabetes, multipler Sklerose, Bluthochdruck, Muskelschwäche und sogar an diversen Krebsformen zu erkranken.
Zu wenig Sonne auf der Haut
Das beste Rezept gegen Vitamin-D-Mangel wäre ein tägliches Sonnenbad. Doch in unseren Breiten ist in den Wintermonaten November bis Februar die UV-B-Strahlung in Nord- und Mitteleuropa im Allgemeinen zu schwach, um eine ausreichende Produktion von Vitamin D im Körper anzustoßen. Hinzu kommt eine Veränderung der Lebensumstände und Freizeitgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen. Die von der WHO empfohlene Bewegungsaktivität, mindestens eine Stunde pro Tag und das an fünf Tagen in der Woche, wird in Deutschland gegenwärtig nur noch von einem Drittel der elf- bis 15-jährigen Jungen und einem Viertel der gleichaltrigen Mädchen erreicht. Dagegen hat sich der Anteil von Kindern, die täglich vier und mehr Stunden fernsehen oder andere Bildschirmmedien nutzen, gegenüber früher mehr als verdoppelt: Viertklässler schauen heute an einem Wochentag durchschnittlich 71 Minuten fern oder Videos und spielen 30 Minuten mit dem Computer.
Ein Mangel an Vitamin D droht schon Babys, denn die Muttermilch enthält nur geringe Mengen an Vitamin D, die für die Versorgung des gestillten Babys nicht ausreichen. Das gilt auch für die Flaschennahrung. Um das Rachitisrisiko weiterhin in Schach zu halten, bekommen heute deshalb fast alle Babys vorsorglich Vitamin-D-Präparate.
Dunkle Haut vermindert Produktion
Gefährdet sind außerdem Kinder mit Übergewicht, strikt vegan oder makrobiotisch ernährte Kinder ohne ausreichende Calcium-, Vitamin-D- und Fettzusätze sowie Jugendliche aus Einwandererfamilien mit dunkler Hautfarbe. Diese liegt regelmäßig bei türkischer, arabischer, asiatischer oder afrikanischer Herkunft vor, und das dunkle Pigment vermindert die Vitamin-D-Produktion in der Haut. Als Risikogruppe gelten auch junge Mädchen mit Migrationshintergrund, wenn sie sich aus religiösen oder kulturellen Gründen verhüllt kleiden oder den Aufenthalt im Freien meiden.
Neue Empfehlungen
Aufgrund der in Deutschland nach dem Säuglingsalter insgesamt unzureichenden Vitamin-D-Versorgung, der relativ niedrigen UV-Exposition, den zahlreichen Hinweisen auf gesundheitlich relevante Vorteile eines verbesserten Vitamin-D-Status und der Risikoarmut einer moderaten Supplementierung mit Vitamin D kommt die Ernährungskommission zu den folgenden Empfehlungen:
• Eine 25-OH-Vitamin-D-Serumkonzentration < 20 ng/ml (< 50 nmol/l) ist als Vitamin-D-Mangel anzusehen.
• Ab der ersten Lebenswoche bis zum zweiten erlebten Frühsommer, also je nach Geburtszeitpunkt für die Dauer von einem bis anderthalb Jahren, sollten Babys zusätzlich zur Muttermilch oder Säuglingsnahrung Tabletten oder Tropfen mit täglich 400 bis 500 Einheiten Vitamin D3 erhalten, am besten kombiniert mit der Fluoridprophylaxe gegen Karies.
• Vom zweiten Jahr an wird für alle Kinder, die nicht genug in die Sonne kommen, eine Vitamin-D-Gesamtzufuhr von etwa 600 IE/Tag für wünschenswert gehalten. Diese tägliche Zufuhr kann bei der derzeitig üblichen Ernährung durch die zusätzliche Zufuhr von 400 IE/Tag Vitamin D in Form von Supplementen erreicht werden.
Bisherige Referenzwerte für die Vitamin-D-Zufuhr mit der Nahrung der Fachgesellschaften für Ernährung der deutschsprachigen Länder (DGE, ÖGE, SGE/SVE) [derzeit in Revision] | ||
Alter |
μg/d |
IE/d |
Säuglinge
0 – 12 Monate
|
10 |
400 |
Kinder
1 – 15 Jahre
|
5 |
200 |
Erwachsene
15 – 65 Jahre
|
5 |
200 |
Erwachsene
> 65 Jahre
|
10 |
400 |
Schwangere |
5 |
200 |
Stillende |
5 |
200 |
• Besonderes Augenmerk ist auf Risikogruppen (vegetarisch ernährte Kinder, Migranten, Personen mit limitierter Sonnenlichtexposition, chronisch Kranke) zu legen. Für diese Kinder und Jugendlichen sollten jährliche Bestimmungen von 25-OH-Vitamin D im Serum erwogen werden. Für diese Risikogruppen ist bereits bei Serumkonzentrationen von < 30 ng/ml (< 75 nmol/l) eine erhöhte tägliche Substitution zur Prävention eines Vitamin-D-Mangels sinnvoll.
• Zurzeit werden die Kosten für die zusätzlichen Vitamin-D-Gaben allerdings nur in den ersten zwölf bis 18 Monaten von den Kassen übernommen, stellt die Stiftung Kindergesundheit fest. Eine Kosten-Nutzen-Analyse der empfohlenen Maßnahmen steht noch aus, sollte aber bald erfolgen.
• Eine Sonnenexpositionsdauer in den Monaten April bis September von 5 bis 30 Minuten zweimal pro Woche zwischen 10 und 15 Uhr mit unbedecktem Kopf, freien Armen und Beinen ist zur adäquaten Vitamin-D-Produktion im Kindes- und Jugendalter (Hauttyp 2 und 3) ausreichend und wird unter der Prämisse der Vermeidung von Sonnenbrand als effektivste Form der Verbesserung des Vitamin-D-Status empfohlen.
• Die Kinder- und Jugendärzte sollten die Eltern darauf hinweisen, wie bedeutsam die tägliche intensive Bewegung (mindestens eine Stunde) ihrer Kinder im Freien ist. Über die Sonnenlichtexposition wird die Vitamin-D-Versorgung verbessert und über die Bewegung der Aufbau der Knochenmasse zusätzlich gesteigert. Diese Effekte führen zum Aufbau einer maximalen Knochenmasse (peak-bone-mass) und damit zu einer Prävention der Osteoporose im späteren Alter. Da Lebensumfeld und Freizeitgestaltung im Kinderalltag kaum noch diesen optimalen, täglichen und ausgiebigen Aufenthalt im Freien zulassen, erscheint angesichts der allgemein unzureichenden Vitamin-D-Versorgung der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin eine Supplementierung ratsam.
QuelleWabitsch, M.; Koletzko, B.; Moß, A.: Vitamin-D-Versorgung im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie (APE). Monatsschr Kinderheilkd (2011) DOI 10.1007/s00112-011-2407-5.Presseinformation der Stiftung Kindergesundheit, München, 4. August 2011.
hel/ck
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