Arzneimittel und Therapie

Linagliptin unabhängig vom Nierenstatus einsetzen

Der neue DPP-4-Inhibitor Linagliptin (vorgesehener Handelsname Trajenta®) soll vor allem bei der Behandlung von Typ-2-Diabetikern mit Niereninsuffizienz eingesetzt werden. Denn anders als verfügbare Vertreter der Wirkstoffgruppe wird Linagliptin, für das die europäischen Behörden schon eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen haben, vorwiegend über die Leber und Galle ausgeschieden. Der Wirkstoff kann den bisherigen Erfahrungen zufolge unabhängig vom Nieren- und Leberstatus als einmal tägliche Therapie zur Diabeteskontrolle eingesetzt werden.
Linagliptin Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat für den DDP-4-Inhibitor im Juni 2011 eine Zulassungsempfehlung zur Behandlung von erwachsenen Typ-2-Diabetikern ausgesprochen.

Beim Typ 2-Diabetes besteht generell ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, das sich noch potenziert, wenn als Folgekomplikation eine Niereninsuffizienz hinzukommt. Problematisch dabei ist, dass Patienten mit Diabetes und Niereninsuffizienz verstärkt gefährdet sind, Hypoglykämien zu entwickeln, welche ihrerseits das kardiovaskuläre Risiko weiter forcieren. Typ-2-Diabetiker mit Niereninsuffizienz sind somit in besonderer Weise auf eine Behandlung angewiesen, die ein möglichst geringes Hypoglykämierisiko beinhaltet, wie es beispielsweise bei den DPP-4-Hemmern der Fall ist. Diese binden an das Enzym Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4), das den Abbau des Inkretinhormons GLP-1 (Glucagon like Petid 1) katalysiert. Sie hemmen so den Abbau von GLP-1, das glucoseabhängig die Insulinsekretion nach der Nahrungsaufnahme stimuliert und die Glukagonsekretion unterdrückt.

DPP-4-Inhibitoren sind somit theoretisch eine gute Option zur Blutzuckerregulation bei bekannter Niereninsuffizienz, haben aber das Problem, dass es genau bei dieser Patientengruppe Einschränkungen bei der Anwendung gibt. So werden verfügbare DPP-4-Inhibitoren zum Teil nicht empfohlen für Patienten mit mäßiger bis schwerer Nierenfunktionsstörung, andere Vertreter der Substanzklasse müssen in ihrer Dosierung angepasst werden und erfordern ein kontinuierliches Monitoring der Nierenfunktion unter der Therapie. Ab einer Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min sind alle bisher verfügbaren DPP-4-Hemmer kontraindiziert.

Vor diesem Hintergrund ist der Wirkstoff Linagliptin, der bereits von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA zur Diabetestherapie zugelassen ist und in Europa zur Zulassung ansteht, als Fortschritt zu werten. Denn Linagliptin, das aus der Forschung von Boehringer Ingelheim stammt und von dem Unternehmen in Allianz mit Lilly vertrieben werden wird, wird unverändert über die Galle und den Darm ausgeschieden. Nur etwa 5% des Wirkstoffs werden über die Nieren eliminiert, so dass Linagliptin offensichtlich unabhängig vom Leber- und Nierenstatus des Patienten eingesetzt werden kann. Wird die Zulassung erteilt, so wird Linagliptin der einzige Hemmer der Dipeptidylpeptidase 4 sein, der auch bei Beeinträchtigung der Nierenfunktion ohne die Notwendigkeit zur Dosisanpassung in nur einer Dosisstärke für Typ-2-Diabetiker in Europa zugelassen ist.

Signifikante Reduktion des HbA1c -Wertes

Linagliptin, das einmal täglich verabreicht wird, wurde in fünf Phase-III-Studien bei insgesamt mehr als 5000 Patienten geprüft und hat sich als wirksam in der Monotherapie wie auch in Kombination mit Metformin, mit Metformin plus Sulfonylharnstoff und mit Pioglitazon erwiesen. Der neue DPP-4-Hemmer bewirkte in der üblichen Dosierung von 5 mg täglich eine signifikante Reduktion des HbA1c (primärer Endpunkt) in der Größenordnung von 0,5 bis 0,7 Prozentpunkten. Darüber hinaus führte Linagliptin auch zu einer signifikanten Senkung des postprandialen Zwei-Stunden-Blutzuckers nach Monotherapie und zu verbesserten Parametern der Betazellfunktion wie dem HOMA-Index (sekundäre Endpunkte). Die Verträglichkeit des Wirkstoffs war gut, zu den möglichen unerwünschten Wirkungen einer Mono- oder Kombinationstherapie gehören Nasopharyngitis, Hyperlipidämie, Husten, Überempfindlichkeitsreaktionen, Kopfschmerzen sowie Muskel- und Gelenkschmerzen. Unter der Behandlung wurde zudem kein substanzeigenes Hypoglykämierisiko registriert, eine Hypoglykämie tritt vor allem in Kombination mit Sulfonylharnstoffen auf. Es kam nicht zu einer klinisch relevanten Änderung des Körpergewichtes und es traten keine Interaktionen mit häufig eingesetzten Begleitmedikationen beim Typ-2-Diabetes auf. Linagliptin ist bei Überempfindlichkeit kontraindiziert. Es ist nicht zur Behandlung eines Typ-1-Diabetes geeignet und wurde nicht in Kombination mit Insulinen untersucht.


Quelle

Prof. Dr. Nikolaus Marx, Aachen; Prof. Dr. Stephan Martin, Düsseldorf: "Risikomanagement Typ 2-Diabetes – Grenzen und Möglichkeiten", Leipzig, 1. Juni 2011, veranstaltet von der Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg, und der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Ingelheim.

Medizinjournalistin Christine Vetter



DAZ 2011, Nr. 33, S. 41

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