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"Die Situation wird dramatisch"

Peter Ditzel

Einige Großhändler melden Verluste, Umsatz- und Gewinnrückgänge: Sanacorp berichtet von einem Fehlbetrag von 1,2 Millionen Euro im zweiten Quartal, Celesio hat einen Quartalsverlust von rund 85 Millionen Euro hinnehmen müssen, Anzag ist mit sinkenden Umsatzerlösen von 26 Millionen dabei. Für die Sanacorp ist insbesondere die aktuelle Wettbewerbssituation auf dem deutschen Markt dafür verantwortlich, "eine Weitergabe der durch das AMNOG verursachten Belastungen an die Apothekenkunden" sei nicht möglich. Die Großhändler seien sogar vielmehr gezwungen, "betriebswirtschaftlich kaum zu rechtfertigende Rabatte" zu gewähren. Und Anzag klagt über den wieder zunehmenden Direktvertrieb, der den Grossisten zu schaffen macht. Der wertmäßige Anteil der Direktverkäufe habe von April bis Juni bei 15,4 Prozent gelegen, klagt die Anzag. Nach mehr als einem halben Jahr AMNOG werden die Einschläge, die dieses Gesetz hinterlässt, deutlich sichtbar.

Dass diese Entwicklung langfristig Auswirkungen auf die Kunden des pharmazeutischen Großhandels, auf die Apotheken, haben muss, liegt auf der Hand. Die von Sanacorp angesprochenen "betriebswirtschaftlich kaum zu rechtfertigenden Rabatte" werden vermutlich rascher zurückgehen als den Apotheken lieb ist.

In gut vier Monaten steht die zweite Stufe des AMNOG bevor, die Umstellung der Großhandelsmarge auf 3,15 Prozent vom Herstellerpreis und ein Fixum von 70 Cent je Packung. Das dürfte voraussichtlich erneut Veränderungen im Rabattverhalten der Großhändler gegenüber den Apotheken nach sich ziehen. Der Chef des Großhandelsverbands Phagro, Thomas Trümper, bereitet schon jetzt darauf vor: Der Spielraum für Nachlässe zugunsten der Apotheken werde geringer. Rabatte können nur noch aus dem 3,15 Prozent-Aufschlag gegeben werden, der Fixbeitrag ist fix, ihn in die Rabattgestaltung mit einzubeziehen, ist gesetzlich untersagt. Trümper prognostiziert in einem FAZ-Interview: Die verbleibende preisabhängige Spanne werde bestenfalls nur noch halb so hoch sein wie bisher: "Das wird für viele Apotheker große Einschnitte bedeuten" – "die Situation wird dramatisch."

Schon jetzt suchen Apotheken danach, wie man schwindenden Großhandelsrabatten entgegensteuern kann. Der Direktbezug von Arzneimitteln, der Einkauf direkt beim Hersteller mit der Option, einen höheren Rabatt zu erhalten als ihn der Großhändler gewähren kann, wird von Apotheken als ein Ausweg gesehen. Die derzeit gut 15 Prozent Anteile von Direktverkäufen am Arzneimittelmarkt könnten also durchaus noch steigen. Und wie die Rabattverträge mit Krankenkassen zeigen, haben die Hersteller durchaus noch sehr viel Spielraum, höhere Rabatte einzuräumen als es dem Großhandel möglich ist.

Freilich, die Quote der Direktbezüge ständig weiter zu erhöhen, kann auch für die Apotheken nicht gut gehen. Direktbezüge binden Kapital und erfordern hohe Handlings- und Lagerkosten in der Apotheke. Und: Der Gesetzgeber schaut bereits argwöhnisch auf das Treiben im Bereich Direktbezug. In einem Anfang August versandten Schreiben an die Großhändler vertritt das Bundesgesundheitsministerium die Auffassung, dass Rabatte im Direktgeschäft in 2012 nur aus dem variablen Teil des Großhandelshonorars gewährt werden dürfen. Expressis verbis steht ein solches Verbot natürlich nicht im Gesetz. Das Ministerium leitet seine Einschätzung aus dem Großhandelsbegriff des Arzneimittelgesetzes ab. Und wenn Hersteller Arzneimittel direkt verkauften, nähmen sie praktisch Großhandelsfunktionen wahr. Daher gelte in diesem Fall der Großhandelszuschlag auch für die Hersteller. Einen über diese Einschätzung hinausgehenden Regelungsbedarf, beispielsweise in Form eines gesetzlichen Passus, sieht das Ministerium nicht. Es geht davon aus, dass dies der Wettbewerb regeln wird; eventuelle Verstöße gegen das Rabattverbot könnten über das Wettbewerbsrecht wirksam sanktioniert werden. Wettbewerber hätten die Möglichkeit, "bei unzulässiger Rabattgewährung ihre Ansprüche auf Unterlassung und Gewinnabschöpfung unmittelbar selbst geltend zu machen", so das Ministerium. Ob dieser Gesamteinschätzung die Pharmahersteller folgen werden, ist fraglich. Die Frage ist auch, ob diese Einschätzung juristisch Bestand haben wird. Schon jetzt munkelt man, dass es die Pharmahersteller wohl auf eine Klage hinauslaufen lassen könnten. Sollte sich das Ministerium allerdings mit seiner Auffassung durchsetzen, dann wäre das Direktgeschäft vermutlich gestorben.

Egal, wie dieses Kapitel ausgehen wird: Mit seiner Einschätzung, dass die Situation für viele Apotheken vor dem Hintergrund der Margenänderung beim Großhandel "dramatisch" wird, könnte der Phagro-Vorsitzende richtig liegen. Deshalb sollte die Politik erneut mit der Forderung konfrontiert werden: dringende Anpassung des Apothekerhonorars – nach oben.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 33, S. 3

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