Arzneimittel und Therapie

Auch Patienten mit Rheuma vor Infektionen schützen

Bei Patienten mit einer rheumatischen Erkrankung ist das Infektionsrisiko erhöht. Ihr Immunstatus ist dennoch häufig mangelhaft. Das sollte sich ändern. Denn die Mehrheit der Impfungen zeigt auch bei ihnen eine hohe Effektivität und löst keinen Krankheitsschub aus.
Foto: Wyeth Pharma GmbH
Die im Impfkalender empfohlenen Standardimpfungen sollten auch alle Personen mit chronischen Krankheiten erhalten, sofern keine spezifischen Kontraindikationen vorliegen. Wegen der besonderen Gefährdung in der frühen Kindheit sollte es das Ziel sein, empfohlene Impfungen für Säuglinge möglichst frühzeitig durchzuführen und ­spätestens bis zum Alter von 14 bzw. 23 Monaten die Grundimmunisierungen zu vollenden.

Fehlreaktionen des Immunsystems und eine immunsuppressive Therapie zwingen bei rheumatischen Patienten das Immunsystem in die Knie und verdoppeln in etwa das Risiko von Infekten. So liegt beispielsweise die Gefahr einer Influenza oder einer Pneumonie um das 1,56-Fache höher als bei gesunden Senioren. Auch die Wahrscheinlichkeit, deswegen stationär aufgenommen zu werden, steigt. So werden einer Studie zufolge 4,5 bis 7% der ungeimpften Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, Vaskulitiden, Demenz oder Schlaganfall mit einer dieser beiden Diagnosen hospitalisiert, dagegen nur 0,8% der nicht geimpften gesunden Kontrollen. Immunsuppressiva verschärfen die Situation.

Kein ausreichender Impfschutz bei Rheumatikern

Trotz des erhöhten Infektionsrisikos sind nur 25 bis 30% der Patienten mit einer rheumatischen Erkrankung ausreichend geimpft, betonte Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Bad Nauheim. Er verwies auf eine Untersuchung an 138 Patienten mit einer systemischen Autoimmunerkrankung (rheumatoide Arthritis, Vaskulitis, chronisch-entzündliche Darmerkrankung), von denen zwei Drittel Immunsuppressiva bekamen. Die Grippeschutzimpfung war vom Hausarzt empfohlen, doch nur 28% waren geimpft, davon eher die älteren Patienten. Als Gründe für den fehlenden Impfschutz wurden genannt: keine Impfung aus ärztlicher Sicht mit 50%, Angst vor Nebenwirkungen mit 34% und Ineffektivität des Impfstoffs mit 6%. "Viele Ärzte haben Angst zu impfen, dabei tut man den Patienten etwas Gutes", so Müller-Ladner.


Bei SLE gegen HPV impfen


Ein systemischer Lupus erythematodes (SLE) geht mit einem besonders hohen Risiko für einen Herpes zoster einher. Verglichen zur Normalbevölkerung ist es um den Faktor 5 bis 16 erhöht. Es lässt sich reduzieren, wenn statt Cyclophosphamid in der Therapie Mycophenolat gegeben wird. Patienten mit SLE haben zudem ein erhöhtes Risiko für eine HPV-Infektion, insbesondere mit dem Hochrisikotyp HPV-16. Müller-Ladner empfahl deshalb vor allem bei systemischem Lupus gegen HPV zu impfen.

Effektivität der Influenza-Impfung nicht beeinträchtigt

Das Argument, die Impfungen würden unter Immunsuppressiva nicht ausreichend effektiv sein, stimmt so nicht. Auch unter TNF-Blockade wird meist eine adäquate Immunantwort erreicht. Dies zeigt unter anderem eine prospektive Studie, in der 112 Patienten mit rheumatoider Arthritis unter einer Anti-TNF-Therapie gegen Influenza geimpft wurden. Die Antikörperantwort war zwar leicht reduziert, "die Immunantwort aber ausreichend", so Müller-Ladner. Dabei war es unerheblich, ob die Patienten Adalimumab, Etanercept oder Infliximab als Immunsuppressivum erhielten. Auch DMARDs beeinträchtigen den Impferfolg nicht. Unter Rituximab, einem Antikörper gegen das Oberflächenantigen CD20 auf allen B-Lymphozyten, kommt es dagegen zu einer signifikant verminderten Impfantwort in den ersten acht Wochen nach den Infusionen. Etwas anders ist die Datenlage für die Pneumokokkenimpfung. Hier kann es bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zu einer verminderten Impfantwort kommen. Zumindest initiale Studien zeigten eine reduzierte Antikörperantwort auf die Pneumokokkenimpfung unter TNF-Hemmern. Größere Studien bestätigten diesen negativen Effekt allerdings nicht. Sicher ist allerdings auch hier, dass Rituximab die Impfantwort signifikant bis 28 Wochen nach Applikation senkt.


Keine inhaltlichen Veränderungen


Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) hat auch in diesem Jahr aktuelle Empfehlungen im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht. Dabei wurden die Impfempfehlungen inhaltlich nicht verändert, nur redaktionell überarbeitet: Der Impfkalender für die Standardimpfungen wurde neu gestaltet und redaktionelle Veränderungen im Text der "Empfehlungen" und in den Tabellen 1 und 2 verabschiedet. Die FSME-Risikogebiete wurden um den SK Offenbach erweitert.


Quelle: Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts 30/2010.

Gegen Tetanus erfolgreich boostern

Die regelmäßig alle zehn Jahre durchzuführende Tetanus-Boosterimpfung ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ebenso effektiv wie bei Gesunden. Steroide und DMARDs beeinträchtigen den Impferfolg nicht. Solange ein Abstand von 24 Wochen eingehalten wird, gilt das auch für Rituximab. Auch der Grad der Krankheitsaktivität bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ist für den Erfolg der Tetanus-Boosterung nicht von Bedeutung. Auch auf die Hepatitis-B-Impfung wird bei Patienten mit Autoimmunerkrankung eine ausreichende Impfantwort erreicht.

Kein Krankheitsschub nach Impfung

Befürchtet wird häufig, dass eine Impfung möglicherweise einen Krankheitsschub verursacht. Hier gab Müller-Ladner Entwarnung: Weder für Influenza-, Hepatitis-B- noch Pneumokokkenimpfung konnte eine Steigerung der Krankheitsaktivität bei RA-Patienten gezeigt werden. "Mit einer Impfung können sie keinen Schaden anrichten", so Müller-Ladner.

Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit akuten behandlungsbedürftigen Erkrankungen sollten frühestens zwei Wochen nach Genesung geimpft werden (Ausnahme: postexpositionelle Impfung).

Aktuelle Empfehlungen im Überblick

Chronisch Erkrankte sollten über den Nutzen der Impfung im Vergleich zum Risiko der Krankheit aufgeklärt werden. Müller-Ladner gab folgende Empfehlungen für die Impfung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen:

  • Bei jedem Patienten mit einer rheumatischen Grunderkrankung sollte der Impfstatus bekannt sein.

  • Die Patienten sollten während einer stabilen Phase geimpft werden.
  • Lebendvakzine sollten möglichst vermieden werden.
  • Unter Immunsuppressiva und Biologika kann geimpft werden. Bei Rituximab sollte ein Abstand von mindestens acht Wochen eingehalten werden.

  • Alle Patienten sollten eine Influenzaimpfung sowie eine Pneumokokkenimpfung und eine Tetanusimpfung erhalten.

  • Eine Impfung gegen Herpes zoster kann erfolgen.
  • Eine Impfung gegen Hepatitis A oder B sollte nur bei Risikopatienten durchgeführt werden.

Alle Empfehlungen für Auslandsreisen gelten auch für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen; Lebendimpfungen sind Einzelfallentscheidungen.


Quelle

Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Bad Nauheim: "Impfungen in der internistischen Praxis", Wiesbaden, 1. Mai 2011, veranstaltet von der GlaxoSmithKline GmbH, München.


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2011, Nr. 33, S. 38

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