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Apotheker hat mit Zwei-Preis-System betrogen

BERLIN (dpa/jz). Ein Apotheker ist vom Landgericht Lübeck wegen gewerbsmäßigen Betrugs mit Medikamenten rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. "Ich übernehme die Verantwortung für die Taten, auch wenn ich in vielen Fällen nicht selbst daran beteiligt war", so der Apotheker bei der Verhandlung am 12. August.

Der ehemalige Inhaber der Merkur-Apotheke in Lübeck hatte vier Jahre lang bei Pharmaherstellern Arzneimittel zu Klinikpreisen eingekauft, sie umgepackt und zu den regulären Preisen als Offizinware eingesetzt und an Heime, Gefängnisse, Arztpraxen und Patienten weiterverkauft. Bei den Pharmaherstellern entstand ein Gesamtschaden von 2,5 Millionen Euro.

Er wurde dabei von einem weiteren angestellten Apotheker und zwei Beratungsapothekern der AOK Nordwest unterstützt. Die AOK-Mitarbeiter sollen unberechtigte Preisnachlässe vereinbart haben. Auch die Geschäftsführerin eines Pharmagroßhandels aus dem Kreis Segeberg war involviert. Möglich war diese jahrelange Praxis, weil die ehemalige Apotheke des heute 67-Jährigen auch als Krankenhausapotheke zugelassen war und er bei den Pharmaherstellern Ware zu deutlich günstigeren Klinikkonditionen bestellen konnte.

Zusätzlich forderte der Apotheker bei den Arzneimittelherstellern den Herstellerrabatt ein. "Einem der Hersteller war schließlich das Missverhältnis zwischen Herstellerrabatten und bestellter Offizinware aufgefallen. So sind unsere Ermittlungen ins Rollen gekommen", erläuterte Staatsanwalt Hans-Peter Lofing. Das Lübecker Verfahren sei das bislang umfassendste dieser Art in Deutschland, "hier saßen auch ein Pharmagroßhandel und Mitarbeiter von Schleswig-Holsteins größter Krankenkasse mit im Boot", betonte Lofing. Noch in diesem Jahr sollen die Prozesse gegen alle übrigen Beteiligten beginnen.

AOK wusste Bescheid

Angelastet wurden dem Quintett rund 1350 Taten. An 870 war der Lübecker Apotheker direkt beteiligt. Verurteilt wurde er letztendlich für 446 Fälle mit einem Schaden von knapp einer Million Euro. In diesen Fällen wurden unter anderem die Vorwerker Heime in Lübeck, die Justizvollzugsanstalten Lübeck, Kiel und Neumünster, Dialysezentren sowie ein Praxisnetz mit rund 400 Arztpraxen im Raum Kiel mit Klinikmedikamenten beliefert. "Die AOK wusste das und hat mitgemacht", sagte der Apotheker.

Apothekerverbände kritisieren Zwei-Preis-System

Apothekerverbände kritisieren seit Jahren das Zwei-Preis-System, das die Krankenhäuser finanziell entlasten soll, als betrugsfördernd. Auch Gerd-Joachim Schulz, der Verteidiger des Angeklagten, betonte in seinem Plädoyer, dass die Vertriebswege durch die Hersteller praktisch nicht kontrolliert würden. "Man gewinnt den Eindruck, dass die Unternehmen Umsatz um jeden Preis machen wollen und deshalb das Betrugsrisiko hinnehmen", so Schulz.

Neben dem strafrechtlichen Verfahren läuft gegen den Apotheker derzeit ein berufsrechtliches Verfahren der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. Mit einem Ergebnis der diesbezüglichen Ermittlungen wird Mitte 2012 gerechnet, so der Kammer-Justiziar Dr. Karl-Stefan Zerres gegenüber der DAZ. Dabei droht ihm eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro und auch das Ruhen oder der gänzliche Entzug der Approbation.



DAZ 2011, Nr. 33, S. 25

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