Arzneimittel und Therapie

Studienergebnisse bei Prostatakarzinom hinterfragen

Drei neuere Studien zum Prostatakarzinom zeigen einen Nutzen einer Chemoprävention mit 5-Alpha-Reduktasehemmern sowie einer kombinierten Hormon- und Strahlentherapie bei lokal begrenztem Karzinom auf. Dieser gilt jedoch nur bei Betrachtung der gesamten Studienpopulation, für einzelne Untergruppen kann das eingesetzte Therapieregime auch negative Folgen haben.

Zwei große, randomisierte und placebokontrollierte Studien untersuchten, ob sich die Rate von Prostatakarzinomen unter der präventiven Therapie mit 5-Alpha-Reduktase-Hemmern reduzieren lässt. Durch die Einnahme von Finasterid in der PCP-Trial (PCPT = Prostate Cancer Prevention Trial) bzw. Dutasterid in der REDUCE-Studie (REDUCE = Reduction by Dutasteride of Prostate Cancer Events) zeigte sich beim gesamten Kollektiv eine relative Risikoreduktion für das Auftreten eines Prostatakarzinoms von 23 bis 25%. Betrachtet man die Studienergebnisse unter Berücksichtigung des vorliegenden Risikos (beurteilt mithilfe des Gleason-Scores), so zeigt sich ein anderes Bild: Nur die Probanden mit einem geringen Gleason-Score (< 6) profitierten von der Chemoprävention; lag ein hoher Gleason-Score vor, stieg die Tumorinzidenz unter der Chemoprävention. Dies veranlasste die FDA (Food and Drug Administration) zu einer entsprechenden Warnung vor der Einnahme von Alpha-Reduktase-Hemmern bei Hochrisiko-Patienten.


Gleason-Score


Der Gleason-Score ist ein System zur Beurteilung der Gewebearchitektur des Prostatakarzinoms. Er beschreibt die Abweichung der Tumorzelle vom gesunden Gewebe. Dazu werden die in einer Probe sichtbaren Zellen nach ihrem Aussehen in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt und nach dem Grad ihrer Differenzierung mit einem Wert von 1 bis 5 belegt (1 steht für gut differenziert, 5 steht für sehr wenig differenziert). Die beiden größten Gruppen werden für die Ermittlung des Gleason-Scores herangezogen. Zählt man ihre beiden Werte zusammen, erhält man den Score. Er kann mindestens 2 und maximal 10 betragen. Ein Gleason-Score von 2 bis 4 und 5 bis 6 wird prognostisch als günstig eingestuft, ein Score von 8 bis 10 als ungünstig.

Benefit mit Pferdefuß

Den Berechnungen einiger Autoren zufolge kann durch die Chemoprävention mit 5-Alpha-Reduktase-Hemmern bei drei bis vier Männern ein niedriggradiges Prostatakarzinom verhindert werden. Damit verbunden ist aber die Diagnose eines hochgradigen Prostatakarzinoms bei einem Probanden. Was ist wichtiger zu werten, die Verhinderung eines wahrscheinlich gering malignen Tumors oder das mit der Therapie assoziierte Auftreten eines hochgradig malignen Karzinoms? Der FDA zufolge sollten 5-Alpha-Reduktase-Hemmer nicht zur Vorbeugung eines Prostatakarzinoms eingesetzt werden.

Lokal begrenzt: Strahlen- plus Hormontherapie?

Für frühe, lokal begrenzte Prostatakarzinome gilt die perkutane Strahlentherapie als primäre Therapieoption. Zu einer antihormonellen Behandlung wird in diesem frühen Stadium nur bei Vorliegen eines hohen Risikoprofils geraten, da die langfristige Androgendeprivation (in der Regel zwei bis drei Jahre) mit unerwünschten Wirkungen, einschließlich erektiler Dysfunktion und Myokardinfarkt einhergehen kann. Möglicherweise verbessert die Kombination aus Strahlentherapie und einer kurzfristigen anti-hormonellen Therapie das Überleben, ohne die Lebensqualität der Patienten langfristig einzuschränken. Diese Frage sollte in einer US-amerikanischen Studie beantwortet werden.

An ihr nahmen 1979 Probanden teil, bei denen ein frühes, lokal begrenztes Prostatakarzinom festgestellt worden war. Die eine Hälfte der Patienten wurde bestrahlt, die andere Hälfte erhielt zusätzlich eine viermonatige anti-hormonelle Therapie (Flutamid oral plus GnRH-Agonist). Der primäre Studienendpunkt war das Gesamtüberleben. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 9,1 Jahre. Die Zehn-Jahres-Überlebensrate betrug für die Probanden, die eine kombinierte Therapie erhalten hatten, 62%, für die bestrahlten Patienten 57% (HR 1,17; p = 0,03). Die Rate für die Krankheits-spezifische Mortalität sank unter der kombinierten Therapie von 8% auf 4% (HR 1,87; p = 0,001).

Kombinierte Therapie nur bei intermediärem Risiko

Listet man die Ergebnisse nach Untergruppen auf, so profitierten nur die Patienten mit einem intermediären Risiko von der kombinierten Therapie. Lag ein geringes oder ein hohes Risiko vor, unterschieden sich die Gesamtüberlebensraten kaum. Die kombinierte Therapie war mit mehr Nebenwirkungen verbunden als die Strahlentherapie. Dies betraf vor allem erektile Dysfunktionen und Hitzewallungen.

Auch bei dieser Studie zeigte sich, dass der Benefit einer bestimmten Therapie nur einem kleinen Teil der Betroffenen zugute kommt, die unerwünschten Wirkungen aber bei allen Probanden auftreten können. Dieses Dilemma greift auch ein Leitartikel des New England Journals of Medicine auf und erwähnt potenzielle metabolische Auswirkungen einer anti-hormonellen Behandlung. Bereits vor einem Jahr wies die FDA darauf hin, dass die Behandlung mit GnRH-Agonisten möglicherweise das Risiko für Diabetes, Herzinfarkt, plötzlichen Herztod und Schlaganfall geringfügig erhöhen kann und rät daher zu einer sorgfältigen Überwachung der Patienten unter einer GnRh-Therapie.


Quelle

Jones C., et al.: Radiotherapy and short-term androgen deprivation for localized prostate cancer. N Engl J Med 365, 107 – 118 (2011).

Theoret M., et al.: The risks and benefits of 5α-reductase inhibitors for prostate-cancer prevention. N Engl J Med 365, 97 – 99 (2011).

Andriole G., et al.: Effect of dutasteride on the risk of prostate cancer. N Engl J Med 362, 1192 – 1202 (2010).

Walsh P.: Chemoprevention of prostate cancer. N Engl J Med 362, 1237 – 1238 (2010).

www.fda.gov; Mitteilung vom 3. 5. 2010

www.fda.gov Mitteilung vom 9. 6. 2011


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2011, Nr. 32, S. 38

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