Gesundheitspolitik

BMG will Heilmittelwerberecht lockern

Die Arbeit an der nächsten AMG-Novelle hat begonnen

Berlin (ks). Das Bundesgesundheitsministerium feilt an der nächsten Novelle des Arzneimittelrechts. Diese soll vor allem der Umsetzung der EU-Richtlinien zur Pharmakovigilanz und zu Arzneimittelfälschungen dienen. So sind etwa Sonderregelungen für den Arzneimittelversandhandel vorgesehen – hier wird es neue Anzeigepflichten für die Webseiten geben. Auch die pharmazeutische Industrie muss sich auf Neuerungen gefasst machen: Auf der einen Seite sind Lockerungen im Heilmittelwerberecht vorgesehen, auf der anderen Seite sollen Arzneimittelhersteller aus Expertengremien verbannt werden.

Ein "Informationspapier" des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zum Referentenentwurf beschreibt die Eckpunkte für den Referentenentwurf für ein "Zweites Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften". Noch sind diese nicht mit der Leitung sowie den Koalitionsfraktionen abgestimmt. Aber wohin es gehen soll, wird bereits deutlich.

Mit dem Änderungsgesetz rührt man nicht nur am Arzneimittelgesetz, sondern beispielsweise auch am Apothekengesetz, der Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe, dem Medizinproduktegesetz. Im Apothekengesetz soll nach dem Willen des BMG geregelt werden, dass die Versorgung von Heimbewohnern ohne genehmigten Heimversorgungsvertrag eine Ordnungswidrigkeit ist. Damit soll eine Anpassung an die Rechtslage bei der Krankenhausversorgung erfolgen. Zudem soll die Frist, innerhalb der eine Änderung des Verantwortlichen einer Filialapotheke angezeigt werden kann, von einer auf zwei Wochen verlängert werden.

HWG: Anpassung an Rechtsprechung des EuGH

Auch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) will sich das BMG vornehmen. Die hier geplanten Änderungen seien eine "Anpassung an die europäische Rechtsprechung" heißt es. Weitere legislative Vorgaben aus Europa gibt es noch nicht – der dritte Teil des EU-Pharmapaketes, die EU-Richtlinie zur Patienteninformation, ist noch nicht verabschiedet. Zwar hat das Europäische Parlament bereits im letzten Herbst über einen Vorschlag abgestimmt. Doch nun ist noch der Rat der Gesundheitsminister am Zuge. Seine Entscheidung könnte sich noch bis Ende des Jahres hinziehen. Da aber auch die AMG-Novelle voraussichtlich erst 2012 verabschiedet wird, besteht noch Gelegenheit, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens weitere Regelungen zum Werberecht einzubringen.

Aufgegriffen hat das BMG bereits ein kürzlich ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Veröffentlichung von Packungsbeilagen von Rx-Arzneien im Internet: Das HWG soll nicht anwendbar sein für die Bereitstellung bereits behördlich autorisierter Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel im Internet oder ihre Weitergabe auf Anforderung (siehe AZ 2011, Nr. 19, S. 8). Auch der Richtlinienentwurf zur Patienteninformation will eine entsprechende Harmonisierung in diesem Bereich erreichen.

Weiterhin soll das Werbeverbot für Arzneimittel gegen Schlaflosigkeit und die Beeinflussung der Stimmungslage aufgehoben werden – bisher ist dies nur innerhalb der Fachkreise zulässig. Gestrichen werden soll zudem das Verbot einer Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie Hinweisen darauf. Auch hier hatte der EuGH kürzlich ein Urteil gefällt, das sich mit einer derartigen Werbung in Fachkreisen befasst (Urteil des EuGH vom 5. Mai 2011, Rs. C-249/09). Vorgesehen ist überdies die ausdrückliche Ausnahme von Verkaufskatalogen und Preislisten für Arzneimittel vom Anwendungsbereich des HWG (Urteil des EuGH vom 8. November 2007, Rs. C 143/06).

Wegfallen soll dem BMG zufolge auch das Verbot einer Werbung mit Krankengeschichten oder bildlichen Darstellungen – jedenfalls solange diese nicht in "missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt". Allerdings: Grundsätzlich soll es bei einem Publikums-Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel bleiben.

BfArM-Gremien sollen entbürokratisiert werden

Weiterhin plant das BMG, dass "im Sinne einer Entbürokratisierung" verschiedene Sachverständigenausschüsse und Kommissionen nach dem Arzneimittelgesetz "entfallen, rekonstruiert werden oder neue Aufgaben erhalten". So soll etwa der Ausschuss für Standardzulassungen am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte entfallen. Anstelle der für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen eingerichteten Zulassungskommissionen soll für bestimmte Fragestellungen ein entsprechendes Expertengremium eingerichtet werden. "Wirtschaftskreise" sollen hier nicht beteiligt werden. Weiterhin sollen die Sachverständigenausschüsse für Apothekenpflicht und Verschreibungspflicht "zur Nutzung von Synergieeffekten" zusammengelegt werden. Auch diesem neuen Ausschuss sowie der Deutschen Arzneibuch Kommission sollen künftig alleine Vertreter der medizinischen oder der pharmazeutischen Wissenschaft angehören. Begründet wird dies mit der notwendigen Unabhängigkeit der Gremien in rein fachspezifischen Fragen von Zulassungen, der Verschreibungs- oder Apothekenpflicht sowie des Arzneibuchs. Die Interessen der Industrie würden ausreichend durch das im Rahmen des Verordnungserlasses stattfindende Anhörungsverfahren geltend gemacht werden können, heißt es im BMG-Papier.

Industrievertreter sind mehr als skeptisch: "Mit seinen Vorschlägen greift das Ministerium in ein seit über drei Jahrzehnten bewährtes Verfahren ein", mahnt der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Die Beratungen in den Sachverständigenausschüssen seien gerade durch die Beteiligung von Repräsentanten aus allen betroffenen Bereichen breit gefächert und die daraus resultierenden Voten ausgewogen. Negative Auswirkungen auf die Patientensicherheit hätten sich seit Etablierung dieses Systems im Jahre 1978 nicht ergeben. Der Verband befürchtet, dass die Auswirkungen von Empfehlungen auf den Markt sowie andere praktische Gesichtspunkte nicht hinreichend abgeschätzt werden können, wenn im neuen Ausschuss für Verschreibungs-/Apothekenpflicht keine Hersteller mehr vertreten sind.

Der BAH weist zudem darauf hin, dass die Vertreter der pharmazeutischen Industrie lediglich über drei von insgesamt 15 Stimmen im bisherigen Verschreibungspflichtausschuss verfügten. Die eindeutige Stimmenmehrheit liege bereits heute bei den Vertretern der Wissenschaft. Zudem hätten die Beschlüsse der Sachverständigenausschüsse lediglich empfehlenden Charakter. Das Bundesgesundheitsministerium könne in den zu erstellenden Verordnungen von diesen Empfehlungen abweichen und habe dies auch schon getan.

Der Verband sieht auch die Apothekerschaft potenziell von dieser Maßnahme betroffen – sie verfügt ebenfalls über einen Sitz in diesem Ausschuss. "Ein Sachverständigen-Ausschuss ohne den Sachverstand der Vertreter der Industrie und der Apothekerschaft, also derer, die sich in der täglichen Praxis mit den Arzneimitteln befassen, die in diesem Ausschuss behandelt werden, wäre eine Fehlentwicklung und sollte unbedingt vermieden werden", so der BAH.



AZ 2011, Nr. 29, S. 1

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