Management

Wie man Kritikkompetenz aufbaut

Durch produktiven Umgang mit Kritik Karrierepluspunkte sammeln

Der angemessene Umgang mit Kritik und die Fähigkeit, sich gegen ungerechtfertigte Kritik zu wehren, aber mit berechtigter Kritik produktiv umzugehen, gehören zu den entscheidenden Karrierefaktoren für den Mitarbeiter in der Apotheke. Wie aber lässt sich die dazu notwendige Kritikkompetenz aufbauen?

Das Konzept der produktiven Kritik

Der kreative Umgang mit Kritik umfasst mehrere Aspekte – zunächst die Frage, wie der Mitarbeiter in der Apotheke bei Kritik im Allgemeinen und bei unberechtigter Kritik im Besonderen reagieren sollte. Hinzu kommt: Wie geht er vor, wenn er jemanden kritisieren will oder muss?

Der letzte Aspekt ist unter Karrieregesichtspunkten nicht zu vernachlässigen, denn wenn die Entscheidung ansteht, ob ein Mitarbeiter mehr Verantwortung übernehmen soll, prüft der Apotheker zumeist, wie es um seine Kritikkompetenz bestellt ist.

Bei jeder Kritik ist es wichtig, wie sie geäußert wird. Unproblematisch stellt sich die Sache dar, wenn der Apotheker nach dem Konzept der "produktiven Kritik" vorgeht. Das Konzept besagt, dass produktive Kritik

  • aktiv planend ist: sie will problemlösend wirken und einen Ist-Zustand einem bestimmten Soll-Zustand annähern.

  • die Selbstachtung des Kritisierten schützt: Das Selbstwertgefühl des kritisierten Mitarbeiters darf bei aller berechtigten Kritik nicht verletzt werden – abstrafendes Abkanzeln vor Kunden oder Kollegen muss vermieden werden. Das Kritikgespräch sollte stets unter vier Augen stattfinden und im "sachlichen Fahrwasser" bleiben.

  • in die Zukunft gerichtete Verbesserungen und Problemlösungen in Gang setzen will. Es geht nicht um das "Herumreiten" auf der Vergangenheit, sondern die Ermittlung der Gründe, die zu dem kritisierten Verhalten geführt haben. Diese Gründe sollen abgestellt werden.

  • interaktiv angelegt ist: Der Kritisierte muss Gelegenheit erhalten, sich in einem offenen Dialog argumentativ wehren zu können.

  • Hilfestellung bieten will: Dem kritisierten Mitarbeiter soll geholfen werden, seine Aufgaben besser zu erfüllen.

Auf produktive Kritik konstruktiv reagieren

Kommunikatives Instrument der produktiven Kritik ist die Frage: Kritik wird nicht mit anklagendem Zeigefinger geäußert, sondern in Frageform vorgetragen. Der kritisierte Mitarbeiter wird in den Problemlösungsprozess integriert – mit dem Ziel, dass er von sich aus zur Einsicht gelangt und das kritisierte Verhalten abstellt.

Natürlich handelt es sich bei dem Konzept um ein Ideal. Es bildet für den Mitarbeiter aber ein praktisches Gerüst für den angemessenen Umgang mit Kritik, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen gilt: Wird er produktiv kritisiert, sollte sich seine Reaktion von selbst verstehen. Er weiß, dass der Apotheker ihn mit der Kritik unterstützen will und lässt sich darum auf den Kritikprozess ein, indem er zum Beispiel daran mitarbeitet, eine Lösung herbeizuführen.

Das bedeutet: Trägt der Apotheker seine Kritik produktiv und sachlich vor, ist der Mitarbeiter aufgefordert, eigeninitiativ nach Möglichkeiten sucht, um auf den kritisierten Aspekt eingehen oder das kritisierte Verhalten abstellen zu können.

Wenn der Chef zu Unrecht kritisiert

Konfrontiert der Apotheker den Mitarbeiter hingegen mit unangebrachten negativen Wertungen, bietet ihm das Kritikkonzept Hinweise, wie er darauf antworten kann: Der Mitarbeiter kontert den unsachgemäßen Angriff des Chefs dann zum Beispiel mit dem Hinweis, er wolle sich gerne auf eine Diskussion einlassen – sobald der Apotheker bereit sei, sie zu versachlichen. Zudem betont er, gerne über den inhaltlichen Aspekt sprechen zu wollen – er weist aber auch darauf hin, dass er persönliche Angriffe auf der Beziehungsebene nicht richtig findet.

Dieser Standpunkt kann dem Mitarbeiter kaum als renitentes und unbotmäßiges Verhalten ausgelegt werden – im Gegenteil: Er sammelt Pluspunkte, weil er Kritikkompetenz beweist und zeigt, dass er willens ist, sich kritisieren zu lassen – aber nur nach dem Motto Otto von Bismarcks: "Ich bin dankbar für die schärfste Kritik, wenn sie nur sachlich bleibt."

Zudem wirft dies ein positives Licht auf das Vorgehen, das der Mitarbeiter wohl an den Tag legen wird, wenn er dereinst tatsächlich mehr Verantwortung übernimmt.

Wenn der Mitarbeiter Kritik übt

Warum fällt es Menschen so schwer, mit Kritik positiv umzugehen? Anscheinend ist unsere Kultur vornehmlich auf das Negative fixiert – das Positive hingegen hat es schwer. Das ist schon an dem Begriff "Kritik" zu sehen, der zumeist unter dem Aspekt der "negativen Kritik" diskutiert wird. Dabei ist er zunächst einmal wertneutral zu verstehen, leitet er sich doch von dem griechischen Adjektiv kritikós ab und meint "zur entscheidenden Beurteilung gehörig".

Trotzdem: Kritik stellt immer ein Problem dar, weil hier ein Mensch den anderen bewertet – und dann spielen Dinge wie Anti- und Sympathie, hierarchische Machtverhältnisse und die bisherige menschliche Beziehung zwischen Kritikgeber und Kritiknehmer eine Rolle. Zu beachten ist daher stets, wer wen kritisiert. Ein spezieller Problembereich ist die Kritik, die der Mitarbeiter an seinem Vorgesetzten oder an Kollegen übt.

Aber: Ist dieses Verhalten überhaupt angemessen für einen Mitarbeiter, der vielleicht deutlich jünger ist als der Apotheker oder noch gar nicht so lange für die Apotheke arbeitet?

Nun: Als Mitarbeiter, von dem erwartet wird, dass er aktiv als mündiger Angestellter die Entwicklung der Apotheke mitbestimmt und bei der Erreichung der Apothekenziele mitwirkt, ist er natürlich ebenfalls zur Kritik berechtigt. Es kommt halt wiederum auf das "Wie" an.

Der Mitarbeiter sollte sich daher fragen, welche Einstellung der Vorgesetzte oder Kollege zur Kritik hat: Betrachtet er sie primär als Quelle von Verbesserungsvorschlägen oder als Versuch, ihn bloßzustellen? Wenn der Chef offen und flexibel auf Mitarbeitervorschläge eingeht, ist es wahrscheinlich, dass er auch Kritik an der eigenen Person positiv verarbeitet. Ist er hingegen ein Kommunikationsmuffel und hält gerne am Status quo fest, wird Kritik eher auf unfruchtbaren Boden fallen.

Mit ehrlichem Lob und begründeter Anerkennung der Leistungen von Chef und Kollegen bereitet der Mitarbeiter den Boden für Kritik, die angenommen wird. Sie muss darum stichhaltig und begründet vorgetragen werden, der Mitarbeiter sollte jede Schuldzuweisung vermeiden.

Wichtig ist die intensive Vorbereitung des Gesprächs: Der Mitarbeiter fragt sich, was er mit seiner Kritik bewirken will und welche Schritte notwendig sind, um diese Wirkung zu erreichen. Schließlich erläutert er, dass Apotheker bzw. Kollege und er in einem Boot sitzen und gemeinsam Ziele erreichen wollen. Und daraus leitet er das Recht ab, auf Missstände hinzuweisen – selbst wenn diese das Verhalten des Apothekers betreffen.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater



AZ 2011, Nr. 13, S. 6

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