Arzneimittel und Therapie

Das HLA-System entscheidet über Verlauf der HIV-Infektion

Nicht jeder HIV-Infizierte entwickelt auch automatisch die Symptome der Immunschwäche-Krankheit Aids. US-amerikanische Wissenschaftler haben jetzt die Ergebnisse ihrer weltweiten Megastudie GWAS (genome-wide association study) vorgelegt. Danach führt eine vergleichsweise geringe Änderung der Aminosäuresequenz im HLA-B-Protein, einer Komponente des Immunsystems, zu einem Schutz vor der Progression der Aids-Erkrankung nach einer HIV-Infektion. Die entsprechende Region auf dem Eiweiß bindet an Viruspeptide und sorgt damit für die weitere Abtötung der Viren.

Nahezu 35 Millionen Menschen sind weltweit HIV-infiziert, in Deutschland etwa 70.000. Rund 30 Millionen Menschen starben an den Folgen einer HIV-Infektion seit Beginn der Aids-Pandemie. Für das Jahr 2009 wurden in Deutschland dem Robert Koch-Institut insgesamt 2856 neu diagnostizierte HIV-Infektionen gemeldet. Damit hat sich der in den Jahren davor beobachtete Anstieg der HIV-Neudiagnosen deutlich verlangsamt. Doch nicht jeder HIV-Infizierte entwickelt nach einer Infektion auch die Immunschwäche-Krankheit Aids. Nach Beginn der Pandemie in den 80er Jahren wurde immer wieder beobachtet, dass es bei einer geringen Minorität von Infizierten über Jahrzehnte nicht zur Progression der Erkrankung kam und diese auch keiner Behandlung bedurften. Ihr Anteil beträgt ungefähr 1:300.

Schutz durch HLA-B-Variante im Immunsystem

Der menschliche Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) wird als humanes Leukozytenantigen-System (HLA-System, HL-Antigene) bezeichnet. Es umfasst eine Gruppe von Genen, die Proteine codieren, die für die Immunerkennung essentiell sind. Körperfremde oder entartete körperfremde Eiweiße werden gebunden und anschließend gezielt von T-Killerzellen (CD8+) identifiziert und eliminiert. Infektiöse und entzündliche Erkrankungen haben wiederholt einen Zusammenhang mit der genetischen Variabilität des MHC gezeigt.

In einer jetzt veröffentlichten Studie des im Jahre 2006 etablierten HIV Controllers Consortium wurde nach unterschiedlichen Genvarianten im HLA-System von an Aids Erkrankten und sogenannten HIV-Controllern – Personen, die zwar HIV-infiziert, aber nicht erkrankt sind – gefahndet. Bereits frühere Untersuchungen hatten auf eine wichtige Funktion des HLA-Systems für den weiteren Verlauf nach einer Infektion hingewiesen. Die weltweite GWAS(genome-wide association study)-Studie wurde mit 2600 Patienten mit fortgeschrittener HIV-Infektion und fast 1000 HIV Controllern durchgeführt. Verglichen wurde zunächst die genetische Variabilität insgesamt zwischen diesen beiden Gruppen. Dabei wurden zunächst mehr als 300 unterschiedliche SNP (single nucleotide polymorphisms) ausschließlich im MHC gefunden. Derartige Abweichungen können zu Abweichungen in der Aminosäuresequenz der Proteine führen, für die diese Gene codieren. Die Unterschiede in der Nucleotidsequenz des Genoms von Erkrankten und Controllern auf Chromosom 6 führten dann tatsächlich auch zu fünf unterschiedlichen Aminosäuren in dem Abschnitt des HLA-B-Proteins, das an Viruspeptide in der infizierten Zelle bindet. Diese unterschiedliche Gensequenz könnte die Immunität der Controller-Gruppe erklären.

Obwohl noch nicht absehbar ist, inwieweit diese Erkenntnisse für therapeutische Ansätze nutzbar sind, für das Verständnis der Progression der HIV-Infektion zur Aids-Erkrankung sind sie sicher von besonderer Bedeutung.

Quelle Pereyra, F.; et al.: The Major Genetic Determinants of HIV-1 Control Affect HLA Class I Peptide Presentation – The International HIV Controllers Study. Science (2010) doi: 10.1126/ science.1195271; 4. 11. 2010. www.ragoninstitute.org: Collaboration, Philanthropy, and Volunteerism Speed Research, Pressemitteilung vom 4. November 2010.

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

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