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Management
Verkaufsgespräch mit dem "Schmusekurs-Kunden" führen
Wer alle Kunden über einen Kamm schert und nicht über ein differenziertes Repertoire an Gesprächsstrategien verfügt, mit dem eine kundenindividuelle Ansprache möglich ist, verbaut sich Verkaufschancen. Denn gerade wenn es um hochpreisige Produkte geht, verlangt der Kunde, dass sich der Apotheker – und das gilt ebenso wie die folgenden Hinweise auch für seine Mitarbeiter – ganz und gar in seine Welt begibt und ihm Produkte anbietet, die genau auf seine Bedürfnisse und Erwartungen zugeschnitten sind.
Andererseits: Im Frei- und Sichtwahlbereich ist Abschlussorientierung gefragt – der Apotheker und seine Mitarbeiter wollen dem Kunden schließlich etwas verkaufen.
Der sicherheitsorientierte Schmusekurs-Kunde
Nehmen wir das folgende Beispiel: Dem Kunden ist vor allem daran gelegen, zum Apotheker eine gute Beziehung aufzubauen, er will ihm vertrauen können. Das Problem: Es gelingt dem Apotheker einfach nicht, das Gespräch auf das Gleis "Beratung und Verkauf" zu setzen. Der Kunde verharrt konsequent auf dem Beziehungsbahnhof. Jedes Mal, wenn der Apotheker vom Small Talk zur Produktpräsentation umschwenken will oder durch Fragen feststellen möchte, welchen Bedarf der Kunde hat, beginnt der Kunde von Neuem: "Was ich Ihnen noch erzählen wollte …"
Und selbst wenn feststeht, dass der Kunde wohl an einem sehr teuren Luxusartikel interessiert ist, wehrt er sich dagegen, eine klare Kaufentscheidung zu treffen, und dies auch deutlich zu machen.
Die zögerliche Haltung des Kunden kann verschiedene Gründe haben: Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen sicherheitsorientierten Menschen, für den es im Beratungsgespräch wichtig ist, sich geborgen zu fühlen. Werte wie Vertrauen, Tradition, aber auch Qualität und Verlässlichkeit sind für ihn von elementarer Bedeutung.
Wenn der Apotheker dies einschätzen kann, wird er wohl richtig vermuten, dass es dem Kunden darum zu tun ist, qualitativ hochwertige Produkte zu erstehen, bei denen ein gutes Preis-Nutzen-Verhältnis vorliegt. Das sind die Aspekte, die diesem Kunden am Herzen liegen. Er scheut das Risiko, setzt auf konservativ-traditionelle Werte und agiert dabei schon fast ängstlich.
Sprachlich sensibel vorgehen
Idealtypische Formulierungen wie die folgende helfen, den zögerlichen Kunden doch noch ins Beratungsgespräch hineinzuziehen:
"Liebe Frau XY, dieses Produkt zählt zu den beliebtesten in dieser Sparte. Andere Kunden schätzen daran vor allem … <der Apotheker zitiert andere Kunden> Zu dieser hochwertigen Hautcreme liegt auch ein Testbericht vor, und der besagt … <Apotheker führt unabhängigen Beweis an, der dem Kunden Sicherheit gibt> Ich bin der Meinung, dass das Produkt sehr gut zu Ihnen passt. Denn …Der Nutzen der Hautcreme für Sie ist zum Beispiel, dass … Und darum schaut das Preis-Nutzen-Verhältnis wie folgt aus …"
Der Apotheker verbindet mit dieser persönlichen Ansprache den Versuch, das Vertrauensverhältnis auszubauen und gleichzeitig in die Argumentations- und in die Abschlussphase überzuleiten. Nachdem er den Sicherheitsaspekt auf gleich mehreren Ebenen thematisiert hat, kommt er auf den Preis zu sprechen. Und dann gelingt es ihm vielleicht auch, eine Kaufentscheidung herbeizuführen.
Den redseligen Kunden stoppen
Der Schmusekurs-Kunde zeichnet sich oft durch eine ausgesprochene Redseligkeit aus. Der Apotheker kommt einfach nicht zu Wort. Das ist schon kein Small Talk, sondern ein Big Talk. Der Kunde schweift immer wieder ab und "verhindert" so das Beratungsgespräch. Wie kann der Apotheker reagieren, ohne unhöflich zu wirken?
Eine Möglichkeit ist, den Kunden zu unterbrechen – aber an geeigneter Stelle. Wenn der Kunde in seinen Ausführungen zum Beispiel eine Aussage zur Sache macht, hakt der Apotheker ein, z. B.: "Ja, meine Nachbarin hat diese Creme auch schon einmal benutzt, und ihre Erfahrungen damit waren wohl durchweg positiv, nämlich " Jetzt unterbricht der Apotheker: "Ja, wahrscheinlich war die Hautcreme genau auf den Hauttyp Ihrer Nachbarin abgestimmt. Wir können eine spezielle Mischung herstellen, die auch Ihren Hauttyp berücksichtigt. Ich empfehle Ihnen …"
Indem der Apotheker von der Nachbarin ab- und das Gespräch wieder in die Kundenrichtung gelenkt hat, wächst zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass er in die Beratungsphase eintreten und dann hoffentlich auch das Verkaufsgespräch einleiten kann.
Der partnerschaftliche Gesprächsstil
Bei dem einen Kunden ist es klug, durch Fragen zu führen, beim nächsten sollte der Apotheker die Gesprächsführung dem Kunden überlassen. Beim Schmusekurs-Kunden ist zumeist der partnerschaftliche Gesprächsstil geeignet, dessen Bedürfnis nach einer ausführlichen Kommunikation auf der Beziehungsebene entgegenzukommen. Der Apotheker geht also auf den Kunden ein, verzichtet aber nicht auf den eigenen Standpunkt und die Verfolgung der eigenen Interessen.
Und diese Interessen sorgen dafür, dass er neben dem Beziehungsaufbau die Abschlussorientierung nicht aus den Augen verliert und bei aller Toleranz gegenüber dem Gesprächsbedürfnis des Kunden immer wieder zum Wesentlichen zurückkehrt – zur Beratung und zum Verkauf.
Den Kunden richtig einschätzen – und sich selbst
Die genannten Beispiele zeigen: Für den Apotheker ist es wichtig, den Kunden angemessen einzuschätzen, will er ihn denn auf "seiner" Wellenlänge ansprechen. Hilfreich ist eine Selbstanalyse, bei der sich der Apotheker fragt: "Welche Wertevorstellungen leiten mich?" Denn wenn ein Apotheker nicht in der Vorstellungswelt des Kunden argumentieren kann, liegt dies häufig daran, dass er der Gefangene seines Wahrnehmungsrasters ist – über dessen Tellerrand kann er nicht hinausblicken. Und darum fällt es ihm schwer, Kundentypen zu erkennen, die außerhalb der eigenen Vorstellungswelt liegen.
Dem eher dominanten und zielbewusst vorgehenden Apotheker etwa fällt es dann nicht leicht, mit dem beziehungsorientierteren Schmusekurs-Kunden ein Gespräch zu führen. Die weitschweifig-redselige Art dieses Kundentypus macht den ungeduldigen Apotheker rasend. Und der Kunde fühlt sich vom zielstrebig argumentierenden Gesprächspartner, der vom Small Talk gar nichts hält, überrannt.
Apotheker, die nicht über ihren Schatten springen und die Perspektive wechseln können, sollten die Gesprächsführung einem Mitarbeiter überlassen, der sich besser in die Vorstellungswelt dieses Kunden versetzen kann.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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