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Gesundheitspolitik
AOK bangt um Rabattverträge
Hermann kämpft seit 2007 für die Rabattverträge. Als Vorreiter in der GKV hat er viele Rechtsstreite ausgefochten und ist nun stolz, dass die jüngste Ausschreibung der AOK-Gemeinschaft nur noch von einem Unternehmen juristisch angegriffen wurde. "Die Hersteller haben gemerkt, dass es keinen Sinn mehr macht", so Hermann. Wer nun versuche, an dieser sicheren und akzeptierten Situation zu schrauben, lege "die Axt an die Rabattverträge". Der AOK-Vize sieht sich dabei offenbar als Retter des Pharmamittelstands. Die Rabattverträge mit immer wieder wechselnden Anbietern hätten für eine stetige Umwälzung im Markt gesorgt. "Das wirkt befreiend auf die Unternehmen", meint Hermann. Den Vorwurf, die AOK bewege sich wie eine Dampfwalze durch die Landschaft will er nicht gelten lassen. Die AOK habe vielmehr den "Schlafwagenwettbewerb" des "Hochpreis-Gernerika-Oligopols" auf Spur gebracht. "Die AOK sitzt im ICE-Lokführerhaus – alles andere ist Schmäh", so Hermann.
Doch nun wittert er Gefahr – vor allem durch zwei Regelungen im Entwurf des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG): Die Anwendbarkeit des Kartellrechts auf die gesetzlichen Kassen und die Mehrkostenregelung. Hermann hatte schon in den vergangenen Wochen immer wieder die Befürchtung geäußert, dass juristische Auseinandersetzungen abermals neue Rabattverträge blockieren könnten. "Die Pharmaindustrie rüstet sich erneut auf, um die Rabattverträge zu Fall zu bringen", ist er überzeugt. Kartellrechtliche Angriffe unterlägen nämlich – anders als die Nachprüfungsverfahren im Vergaberecht – nicht dem Beschleunigungsgebot. Es könne gut sein, dass es zwei bis drei Jahre dauern werde, bis Kartellgerichte eine endgültige Entscheidung treffen. Eine solche Verzögerung reiche der Industrie bereits, um Umsätze in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe zu sichern, so Hermann.
Um die AOK-Position zu untermauern, hat die Kasse sich ein Gutachten von Prof. Dr. jur. Dr. med. Alexander Ehlers erstellen lassen. Sein Resümee: Die vorgesehene vollständige und unreflektierte Anwendung des Kartellrechtes auf die gesetzlichen Kassen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken – sowohl in gemeinschafts- wie auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Es führe zu einer Überregulierung, wenn nun neben das Vergaberecht auch noch das Kartellrecht trete. Gegen die Mehrkostenregelung kann Ehlers zwar keine rechtlichen Argumente vorbringen, doch hier mangelt es ihm an Praktikabilität: Es existierten zu viele zu unterschiedliche Rabattverträge, sodass die geplante Pauschalierung tatsächlich nicht umsetzbar sein werde. Überdies konterkarierten beide Regelungen das gesetzgeberische Ziel, Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen.
Einen anderen Aspekt brachte der Bundesgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG) Dr. Martin Danner ein. Er monierte, dass die bei der Mehrkostenregelung vorgesehene Kostenerstattung für Patienten intransparent und riskant sei. "Die Aufzahlungsverpflichtung für ,Wunschpräparate kann zu dem unzutreffenden Eindruck führen, dass aufzahlungsfreie Medikamente nicht so gut seien. Dies ist irreführend." Dass Apotheker hilfreich beratend zur Seite stehen könnten, sieht Danner nicht. Vielmehr sei das Beratungsgespräch vielen Patienten "nicht zuzumuten". Die meisten Apotheken seien schon nicht so ausgerüstet, dass vertrauliche Gespräche stattfinden könnten, meint Danner. Zudem bestimme das AMNOG nicht im ausreichenden Maß Hinweispflichten für Apotheker. Zum tatsächlich auf den Patienten zukommenden Preis könne er etwa keine Auskunft geben.
Nicht zuletzt saß auch Prof. Eberhard Wille, Vorsitzender des Gesundheits-Sachverständigenrats, mit auf dem Podium. Seine Kritik fiel vergleichsweise bescheiden aus. Doch er bestätigte Hermann zumindest darin, dass Rabattverträge eher ein "Instrument der Deregulierung" denn der Regulierung seien, das man auch aus anderen Märkten kenne. Es sei für die Unternehmen auch wirtschaftlich effizient, wenn sie durch die Rabattverträge ihre Aktivitäten von der Ebene der Ärzte und Apotheker auf die der Krankenkassen verlagerten: Für die Verträge mit den Kassen sei sicher weniger Personal nötig als für den Pharma-Außendienst, so Wille.
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