Management

Selbstbewusst verhandeln mit dominant-aggressiven Kunden

Gesprächskompetenz für den Apotheker und sein Team

Jeder Kunde ist anders, jeder Kunde hat seinen eigenen Charakter. Darum ist es hilfreich, wenn der Apotheker – wie auch seine Mitarbeiter – in der Lage ist, Kundentypen zu identifizieren und individuell auf sie einzugehen. Ein besonders schwieriger Fall: der dominant auftretende Kunde, der fast schon aggressiv argumentiert und dabei oft unsachlich vorgeht.

Zur Machtprobe sollte man das Kundengespräch nicht ausarten lassen, schließlich soll der ja wiederkommen. Besser ist es, dominante Kunden in einem "Expertengespräch" dort abzuholen, wo sie sich befinden: In ihrer Überzeugung, bestens informiert zu sein.
Foto: Dr. Hermann Vogel jun.

Der dominante Kunde begreift das Gespräch mit dem Apotheker häufig als Machtprobe – er will sich im "Kampf" mit seinem Gegenüber durchsetzen. Durch seine aggressive Vorgehensweise wirkt er auf den Apotheker wie jemand, der schlecht gelaunt ist. Meistens aber ist sein Verhalten darauf zurückzuführen, dass er die Beziehung zum Gesprächspartner beherrschen will. Deshalb versucht er auf der Inhaltsebene zu punkten: "Hören Sie doch auf damit. Ich habe gestern in der Zeitung gelesen, dass bei Gelenkschmerzen …"

Überdies greift er den Apotheker auf der Beziehungsebene an und bezichtigt ihn zum Beispiel der Inkompetenz. Das Gespräch ist für ihn zuweilen eine verbale Auseinandersetzung mit "scharfen Waffen". Einwände nutzt er als Mittel, sich gegen den Apotheker zu behaupten und um ihm zu verdeutlichen, er, der Kunde, sitze am längeren Hebel. Bei dem Einwand geht es ihm oft nicht um den inhaltlichen Aspekt, sondern darum, mit seiner Hilfe die Gesprächsführung an sich zu reißen. Aus diesem Grund lehnt er den Small Talk ab, vermutet er doch, der Apotheker wolle das Gespräch dominieren, indem er die Gesprächsthemen festlegt und vorgibt.

Wie kann eine angemessene Reaktion aussehen?

Dominanzstreben akzeptieren

Wichtig ist es, sachlich zu bleiben und selbst bei Angriffen auf der Beziehungsebene keinen Streit anzufangen. Das Motto lautet: Der Kunde hat immer recht. Allerdings: Der Apotheker und seine Mitarbeiter müssen sich nicht beleidigen lassen. Trotzdem sollten sie jede Möglichkeit nutzen, durch eine ruhige und souveräne Gesprächsführung einerseits ins sachliche Fahrwasser zu gelangen, andererseits dem Dominanzstreben des Kunden Rechnung zu tragen.

Nach neueren Erkenntnissen der Hirnforschung basierten unser Verhalten, unsere Entscheidungen und unsere Persönlichkeit auf drei Urprogrammen, den limbischen Instruktionen. So kommt es zu drei Ausprägungen, die sich jeweils mit typischen Aussagen beschreiben lassen:

  • Balanceverhalten: Hier dominieren das Sicherheitsdenken und das Harmoniestreben: "Strebe nach Stabilität" und "Vermeide jede Veränderung".
  • Dominanzverhalten: Bestimmend sind Machtwille und Autonomiestreben: "Sei besser als die anderen" und "Setze dich durch und vergrößere deine Macht".
  • Stimulanzverhalten: Kreativität und Spontaneität stehen im Vordergrund: "Sei anders und brich aus dem Gewohnten aus" und "Suche nach Abwechslung".

Der Machtwille des dominanten Typus äußert sich etwa darin, dass der Kunde den Apotheker andauernd unterbricht und das Gespräch durch Fragen sowie die Präsentation – vorgeblichen – komplexen Fachwissens zum Thema dominieren will.

Im Team Strategien entwickeln

Häufig ist der Apotheker aufgrund seiner Position und seiner Kompetenz eher in der Lage, dem dominanten Kunden Paroli zu bieten und auf der Sachebene Argumente zu präsentieren, die dem Kunden zeigen, dass er nicht immer richtig mit seiner Einschätzung liegt. Bei den Mitarbeitern ist dies nicht immer der Fall: Sie können sich dann nicht in ausreichendem Maß gegen den dominanten Kunden zur Wehr setzen.

Darum sollte der Apotheker mit seinem Apothekenteam in einem Meeting die typischen Eigenschaften des dominanten Kunden besprechen: An welchen Fragen, Aussagen und Einstellungen ist er gut zu erkennen? Allerdings: Vorschnelle Schubladen-Einsortierungen müssen vermieden werden! Und dann können in dem Meeting Strategien festgelegt werden, wie sich die Mitarbeiter gegen den dominanten Kunden behaupten können. So entwickelt der Apotheker mit dem Team einen idealtypischen Gesprächsleitfaden, in dem für heikle Phasen des Gesprächs Vorgehensweisen definiert werden, die auf die Mentalität des dominanten Kunden abgestimmt sind.

Gesprächsführung dem Kunden überlassen

Zu diesen Strategien zählt, dem Kunden vorsichtig die Gesprächsführung zu überlassen und ihm das Gefühl zu geben, dass er die Kommunikation dominiert.

In der ersten Phase des Gesprächs und in der Argumentationsphase gewinnt der Mitarbeiter die Anerkennung des dominanten Kunden, indem er sich als Fachmann präsentiert, der auf jede Frage eine kompetente Antwort weiß – oder glaubhaft garantieren kann, die fragliche Information schnell besorgen zu können. Natürlich hilft hier die genaue Kenntnis der Produkte weiter, die im Frei- und Sichtwahlbereich angeboten werden.

Der Mitarbeiter darf nicht drängen – kommt das Gespräch nicht so recht von der Stelle, ist es angebracht, sich zurückzuziehen: "Sie haben recht, Herr Kunde, ich schlage vor, erst einmal die Infos zu den offenen Fragen zu besorgen. Was halten Sie davon? Und dann schauen Sie morgen noch einmal vorbei."

Den Kunden überraschen

Der dominante Kunde ist zumeist davon überzeugt, sich gut auszukennen. Er glaubt, im pharmazeutischen Bereich gut Bescheid zu wissen und zitiert dazu angebliche Autoritäten. Oft betrachtet er das Gespräch mit dem Apotheker – erst recht aber mit dem Mitarbeiter – als Begegnung auf Augenhöhe. Er will als gleichberechtigter Gesprächspartner akzeptiert werden.

Darin liegt eine Chance, auch für den Mitarbeiter: Er bringt den Kunden zum Reden, indem er ihn bittet, ausführlich darzustellen, woher er sein Wissen bezogen hat. So kommt er nicht nur dessen Dominanzstreben entgegen, sondern erhält zugleich Informationen, denen er auf der Sachebene begegnen kann. Es entsteht ein "Expertengespräch" – und in solch einem Dialog ist der dominante Kunde eher bereit einzulenken und zumindest in Einzelpunkten die höhere Kompetenz des Gesprächspartners anzuerkennen.

Unsicherheit erkennen

Einen Aspekt sollte der Apotheker noch berücksichtigen: Zuweilen verbirgt der dominante Kunde hinter seinem forsch-aggressiven Auftreten eine tief sitzende Verunsicherung. Dann kommt es weniger darauf an, dem Kunden Raum zu geben für die Entfaltung seines Dominanzstrebens. Wichtiger ist es, den Gründen für die Verunsicherung auf die Spur zu kommen. Klug ist es, den Verkaufsaspekt zurückzustellen und den Beratungsaspekt in den Vordergrund zu schieben: "Lieber Kunde, ich unterstütze dich gerne dabei herauszufinden, was du wirklich benötigst." Der Kunde will dann doch eher geführt und gelenkt werden, verbirgt diesen Wunsch aber hinter einem polternden Auftritt.

Fazit: Erfolgreiche Gespräche mit dem dominanten Kunden sind möglich, wenn der selbstsichere Apotheker – ebenso wie sein Team – die Persönlichkeitseigenschaften dieses Kundentypus einschätzen und seine Gesprächsstrategien auf dessen Persönlichkeit abstimmen kann.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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