Gesundheitspolitik

Offen über Priorisierung diskutieren

Neue Studie des Fritz Beske-Instituts will Politikern die Realität vor Augen führen

Berlin (ks). Die Lage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist ernst: Während es früher darum ging, die Einnahmen der Kassen nach Bedarf zu verteilen, ist die Frage heute, wie die begrenzten zur Verfügung stehenden Mittel aufgeteilt werden. Für den Kieler Gesundheitswissenschaftler Prof. Fritz Beske ist es daher höchste Zeit, dass in der Politik offen über Priorisierung und Rationierung gesprochen wird.

Das Problem ist seit Langem bekannt. In Zukunft werden immer weniger Beitragszahler für immer mehr ältere Menschen, mit einem hohen Versorgungsbedarf, zahlen müssen. Im Jahr 2050, so die Prognose, wird nur noch ein Erwerbstätiger für eine Person aufkommen müssen, die nicht mehr arbeitet; heute sind es immerhin noch drei. Hinzu kommt der medizinisch-technische Fortschritt. Schon heute sei die Medizin in der Lage mehr zu leisten, als die Solidargemeinschaft aufbringen kann, betonte Beske bei der Vorstellung der jüngsten Studie seines Instituts für Gesundheits-System-Forschung (IGSF). Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in etwa zehn Jahren in den Ruhestand gehen, werden die Auswirkungen für das Gesundheitswesen gravierend sein. "Spätestens dann ist der Zeitpunkt erreicht, zu dem das in der GKV zur Verfügung stehende Finanzvolumen den Leistungsumfang der GKV bestimmen wird", so Beske. Besser sollte sich die Politik – insbesondere die nun tagende Regierungskommission – schon heute der anstehenden Probleme bewusst werden. Die Studie "Bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung bei begrenzten Mitteln" nimmt eine Situationsanalyse vor, zieht internationale Vergleiche und zeigt Handlungsoptionen auf. Aus Beskes Sicht sind die Priorisierung von Leistungen und eine explizite Rationierung der Weg, wie künftig noch eine bedarfsgerechte Versorgung sichergestellt werden kann. Die Politik sollte daher die Bundesärztekammer als federführende Institution für die Aufstellung von Prioritätenlisten in der medizinischen Versorgung benennen. Dann müsse ein Gremium eingerichtet werden, das eine Methodik erarbeitet, wie der GKV-Leistungskatalog kontinuierlich an begrenzte Mittel angepasst werden kann – sprich: die Rationierung in transparenter Weise vornimmt. Dabei liege die Letztentscheidung über Rationierungsmaßnahmen bei der Politik.

Keine Option zur Rettung des Systems ist für Beske ein tieferer Griff in die Steuerkasse. Theoretisch könne der Bundestag zwar von Jahr zu Jahr entscheiden, das Defizit der Kassen durch Steuerzuschüsse auszugleichen – praktisch stehe das Gesundheitswesen jedoch in Konkurrenz zu allen anderen Politikbereichen. Angesichts der desolaten Haushaltslage, weiterer Sparprogramme und der bevorstehenden Schuldenbremse sei es "illusorisch" zu glauben, hier stünden in Zukunft Gelder zur Verfügung. Auch der Ruf nach mehr Prävention zur Entlastung der GKV ist aus Beskes Sicht keine Lösung. Zwar sei die Prävention ein hoher Wert. Es gebe jedoch keine Evidenz dafür, dass Präventionsmaßnahmen zu Einsparungen führten. Seines Erachtens sollten sich die Leistungen der Kassen auf die Krankenversorgung beschränken – ergänzt um einige Früherkennungs- und Vorsorgemaßnahmen.

Beskes Optimismus, dass seine Vorschläge erhört werden, ist begrenzt: "Diese Arbeit wird auf Ablehnung stoßen. Die Wahrheit ist unbequem", sagt er. Aber wenn die Politik jetzt nicht handle, werde die Wirklichkeit sie einholen.

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