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Neue Gefahren für die Arzneimittelversorgung
Seinen Vortrag über Gefahren für die Arzneimittelversorgung begann Schweim mit dem Hinweis: "Die größte Gefahr ist weg: Ulla Schmidt." Nun sei die Arzneimittelproduktion in China, Indien und anderen exotischen Ländern das größte Problem. Im Verlauf der Globalisierung wurde die Produktion der Wirkstoffe und zum Teil sogar die Herstellung von Fertigarzneimitteln in diese Länder ausgelagert. So gingen das Know-how und die Arbeitsplätze im Westen verloren. Wenn China dem Westen den Krieg erklären wollte, so Schweim, dann bräuchte es nur die Antibiotikaausfuhr zu sperren. Denn in den westlichen Industrieländern würden fast keine Antibiotika mehr hergestellt und die Wirkstoffsynthese könne auch nicht schnell wieder aufgebaut werden. Im Gegensatz zur heimischen Landwirtschaft, die als Schutz vor Krisen von der EU subventioniert wird, gebe es keine vergleichbare Reserve für die Arzneimittelproduktion.
Lückenhafte Inspektionen
Ein weiteres Problem seien die viel zu seltenen Inspektionen. In China und Indien würden Produzenten im Durchschnitt angeblich offiziell alle 30 bis 40 Jahre von westlichen Behörden überprüft, in der Realität wohl noch seltener. Insbesondere in China könnten die Inspekteure wegen der fehlenden Sprachkenntnisse zudem einfach betrogen werden. Durch die immer stärkere Vernetzung der europäischen Unternehmen mit asiatischen Herstellern wachse die Gefahr, dass Arzneimittel mit fragwürdigen Herstellungsbedingungen auf den europäischen Markt gelangen.
Erfolgreiche Kontrollen
Außerdem werden immer mehr Totalfälschungen aus kriminellen Hinterhofwerkstätten gefunden, doch steige die Zahl der Funde wohl stärker als die Produktion. Schweim rechnet mit einer jährlichen Zunahme der Fälschungsmenge um 30 bis 40 Prozent, während sich die Funde vervielfachen, weil die Überwachungsorgane aufmerksamer geworden seien. Schweim würdigte ausdrücklich die Bemühungen des Zolls und des Bundeskriminalamtes. Er hoffe, dass diese Arbeit nicht durch künftige Sparmaßnahmen beeinträchtigt werde. Die Kontrollen der Fertigarzneimittel würden aber zunehmend durch den Handel mit gefälschten Rohstoffen umgangen.
Schweim lobte auch die Behörden der chinesischen Zentralregierung, die gut mit dem Westen zusammenarbeiten und rigoros durchgreifen. Arzneimittelfälschern drohe dort üblicherweise die Todesstrafe. Doch werde die Arbeit der zentralen Behörden in dem riesigen Land durch "korrupte Provinzfürsten" stark behindert – und dies ermögliche sehr viele Fälschungen.
Illegale Pseudogenerika
Als relativ neue, aber zunehmend bedeutsame Variante der Fälschungen beschrieb Schweim die "Pseudogenerika". Dies sind professionell aufgemachte Arzneimittel aus lizensierten Herstellungsbetrieben in Asien, die wie Generika von patentgeschützten Markenarzneimitteln aussehen, aber nicht zugelassen oder kontrolliert sind. Illegale Produkte stammen also inzwischen keineswegs nur von Fälscherbanden, folgerte Schweim. Die Lieferfähigkeit der verschiedenen Arten von Fälschern sei "dramatisch". Allein der Marktwert der Viagra-Fälschungen sei größer als der Wert aller illegalen Rauschmittel zusammen. Denn der Rohstoff ist vergleichsweise sehr preiswert. Daher enthielten viele Fälschungen sogar größere Wirkstoffmengen als das Original. In Großbritannien seien bereits etliche Todesfälle durch überdosierte Viagra-Fälschungen nachgewiesen worden.
An die Endverbraucher gelangen Fälschungen zumeist über den Versand aus illegal betriebenen Internetapotheken. Obwohl Verbraucherschützer auf solche Internetseiten aufmerksam machen, könnten illegale Versender ihre Geschäfte oft lange Zeit ungestört betreiben, beklagt Schweim. Zudem hätten Untersuchungen in den USA gezeigt, dass auch ein beträchtlicher Teil der dortigen legalen Internetapotheken für verschreibungspflichtige Arzneimittel keine Rezepte fordert. Sogar Diazepam oder Ritalin könne man allein mit einer gültigen Kreditkarte erhalten.
Neue Problemfelder
Während diese bekannten Probleme ungelöst bleiben, verwies Schweim bereits auf das nächste drohende Problemfeld – die Nahrungsergänzungsmittel und die pflanzlichen Produkte. Schweim fordert, auch für sie ein Vigilanzsystem zu etablieren, wie es für Arzneimittel besteht. Nur so könnten Fälschungen und Verunreinigungen systematisch ermittelt werden. Außerdem machte Schweim auf eine weitere problematische Folge des Internets aufmerksam. Über dieses Medium würden zunehmend Anleitungen zur Herstellung illegaler Rauschgifte verbreitet. Als Ausgangsstoff diene beispielsweise Ephedrin, das aus nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln extrahiert wird. So eröffne das Internet eine neue Dimension für die Verbreitung illegaler Rauschmittel.
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