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Deutscher Apothekertag 2009
Eine Herausforderung in der Patientenversorgung
Verfolgt man die demografische Entwicklung, stellt man in den letzten Jahren eine immer älter werdende Bevölkerung fest. Deutlich sieht man einen Anstieg der über 85-Jährigen. Damit einhergeht eine Zunahme der Morbidität der älteren Bevölkerung. Chronisch degenerative Erkrankungen, beispielsweise kardiale und cerebrovaskuläre Erkrankungen, Krebs, Stoffwechselerkrankungen (Diabetes), Erkrankungen der Atmungs- und Verdauungsorgane, Muskel- und Skeletterkrankungen, nehmen auffallend deutlich zu. Festzustellen ist ferner ein Anstieg der Ko- und Multimorbidität. Hier kommen große Herausforderungen auf unser Gesundheitswesen zu unter medizinischen, soziologischen und finanziellen Aspekten. Pessimisten führen dabei an, dass die therapeutische Beeinflussbarkeit der Erkrankungen begrenzt ist, während Optimisten darauf hinweisen, dass der Krankheitseintritt hinausgezögert werden kann. Fest steht: Die Lebenserwartung steigt, auch durch eine Stärkung der Prävention.
Als mögliche Folgen für die Arzneimittelversorgung ergeben sich daraus:
- Über-, Unter- und Fehlversorgung von Patienten
- Neben- und Wechselwirkungsrisiken
- Noncompliance
- erhöhter Informations- und Beratungsbedarf.
Gerade beim letzten Punkt ist die Apotheke verstärkt gefordert. Patienten müssen über das Therapieziel aufgeklärt werden, über die zu erwartenden Wirkungen der Arzneitherapie und auf Symptome. Sie benötigen Informationen zur Dosis, zur Häufigkeit, zum Zeitpunkt der Einnahme und zur Dauer der Medikation. Gefragt sind auch Hinweise auf unterstützende Maßnahmen, beispielsweise im Bereich der Selbstmedikation.
Doch nicht nur demografische Aspekte bringen für das Gesundheitswesen, für die Apotheke neue Herausforderungen. Auch durch Veränderungen in den gesellschaftlichen Strukturen, Ab- und Zuwanderungen in Regionen (innerdeutsche Migration), in Ballungsgebieten, weg von Nordost und hin zu Südwest ergeben sich neue Rahmenbedingungen für die Patientenversorgung. Schon heute lebt die Hälfte der Bevölkerung in städtischen Gebieten (Landflucht). Dies könnte beispielsweise Auswirkungen haben für die Verfügbarkeit von Apotheken in dünn besiedelten Gebieten.
Tab.: Soziale Ungleichheit im Versorgungssystem bei Bewertung wichtiger Informationen: Beispiel Arzneimittelinformationen
Bewertung von Arzneimittel-Informationen, Angaben in Prozent, zusammengefasste Antworten für "ja" und "im Großen und Ganzen ja"
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höchster Schulabschluss |
Arzneimittel- Informationen sind wenig verständlich (N=1.095) |
Arzneimittel- Informationen sind verwirrend (N=954) |
Arzneimittel- Informationen sind beängstigend (N=989) |
Hauptschule |
39 |
37 |
48 |
Realschule Mittlere Reife |
32 |
22 |
33 |
Fachhoch- schulreife |
27 |
29 |
31 |
Abitur |
24 |
17 |
22 |
Weitere Probleme ergeben sich durch die Einwanderung von Ausländern nach Deutschland: Viele dieser Menschen haben ein anderes Gesundheits- und Krankheitsverhalten als die deutsche Bevölkerung, Kommunikationsprobleme kommen hinzu. Daraus lässt sich ein erhöhter Beratungsbedarf ableiten.
Soziologen stellen außerdem eine wachsende soziale Ungleichheit in Deutschland fest. Bevölkerungsgruppen in Deutschland unterscheiden sich deutlich durch ihren Bildungsstatus, durch ihr Einkommen; daraus ergeben sich unterschiedliche soziale Schichten, eine zunehmende Ungleichheit. Abhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht lassen sich ein unterschiedliches Gesundheits- und Krankheitsverhalten feststellen, zu sehen ist eine schichtspezifische Morbidität und Mortalität und es gibt Anzeichen dafür, dass bereits eine schichtspezifische Versorgung erkennbar ist.
Wie Untersuchungen zeigten, ist eine Frühsterblichkeit (Tod unter 65 Jahren) in ärmeren Bevölkerungsschichten und bei Menschen in niedrigeren beruflichen Stellungen häufiger. Oder anders ausgedrückt: je höher der berufliche Status, desto geringer die Morbidität und Frühsterblichkeit. Ebenso stellten Soziologen soziale Ungleichheiten im Versorgungssystem fest. In ärmeren Schichten zeigt sich häufiger
- eine Unterversorgung bei verordneten Arzneimitteln,
- eingeschränkte Möglichkeiten beim Erwerb von OTC-Arzneimitteln im Rahmen der Selbstmedikation,
- mangelnde Compliance,
- Medikamentenabhängigkeit,
- Informationsdefizite über ihre Erkrankung und Therapie.
Als Fazit aus diesen Erkenntnissen ergibt sich ein hoher Entwicklungsbedarf für gezielte Informationen für die Risikogruppen und ärmeren Schichten in der Bevölkerung. Die "health literacy" (Gesundheitskompetenz) sozial benachteiligter Gruppen muss gestärkt werden, was letztlich auch zu Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen beitragen kann.
diz
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