Feuilleton

Der Große Wiesenknopf und seine Ameisenbläulinge

Der Helle und der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling stehen auf der Roten Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Eine Sonderausstellung im Naturkundlichen Museum Mauritianum Altenburg informiert mit illustrierten Informationstafeln und Tierpräparaten über ein Projekt, die beiden Schmetterlinge sowie andere bedrohte Arten im Altenburger Land zu schützen. In einem Aquarium wird das Ökosystem in der Pleißeaue dargestellt.
Ei eines Bläulings im Blütenstand des ­Großen Wiesenknopfs.
Foto: Jens Kipping

In den 1960er Jahren zählte der Altenburger Entomologe Egon Jungmann in der Altenburger Pleißeaue noch Hunderte Individuen der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge (Maculinea syn.Glaucopsyche). Mit der Intensivierung der Landwirtschaft wurden nicht nur in Ostthüringen die hoch spezialisierten Insekten stark dezimiert. Heute stehen beide Arten auf der Roten Liste.

Symbiose von Pflanzen, Bläulingen und Ameisen

Die jungen Raupen des Hellen und des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings (M. teleius bzw. M. nausithous) ernähren sich von den Infloreszenzen des Großen Wiesenknopfs (Sanguisorba officinalis). Ihre Mimikry-Färbung und die versteckte Lebensweise in den Blütenköpfen schützt sie vor Fraßfeinden. Allenfalls die parasitär lebende Schlupfwespe Neotypus melanocephalus kann ihnen dort gefährlich werden.

Im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium werden die Raupen selbst zu Schmarotzern. Sie lassen sich von den Wirtspflanzen zu Boden fallen und von bestimmten Ameisen, deren Larven sie im Aussehen und Geruch ähneln, in deren Nester tragen, wo sie sich dann von der jungen Brut ernähren. Der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling ist auf die Wiesen-Knotenameise (Myrmica scabrinodis) spezialisiert, der dunklere Verwandte auf die Rote Knotenameise (M. rubra). Ein zuckerhaltiges Sekret, das die Raupen ausscheiden, dient wiederum den Ameisen als Nahrung. Diese tolerieren auch noch die Schmetterlingspuppen. Die Falter müssen aber unmittelbar nach dem Schlüpfen – sie fliegen in einer Generation von Mitte Juli bis Mitte August – das Ameisennest verlassen, damit sie nicht Beute ihrer ehemaligen Wirte werden.

Lebensraumtyp 6510

In Deutschland ist M. teleius sehr selten; weitere Vorkommen sind von Spanien über Frankreich, die nördliche Schweiz, Norditalien und Österreich bis Osteuropa bekannt. Der Lebensraum von M. nausithous reicht von Mitteleuropa über den Ural bis zum Altai jeweils bis zum 52. Breitengrad. Zudem gibt es in Nordspanien sowie in Westfrankreich vereinzelte Vorkommen.

Um beide Bläuling-Spezies, aber auch andere mit ihnen in Gesellschaft lebende Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben bewahren zu können, müssen noch vorhandene "magere Flachland-Mähwiesen" (Flora-Fauna-Habitat-Lebensraumtyp 6510) mit Beständen des Großen Wiesenknopfs erhalten und geschützt werden. Deshalb hat der Förderkreis Naturkundliches Museum Mauritianum Altenburg e. V. in Partnerschaft mit der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe, Berlin, den Schutz zweier solcher Gebiete gemäß EU-Richtlinien in die Wege geleitet. Es sind die "Haselbacher Teiche und Pleißeaue" sowie die "Pleißewiesen Windischleuba". Die Pleißeaue zwischen Remsa und Windischleuba im nördlichen Landkreis Altenburger Land war bis 1990 ein Trinkwasserschutzgebiet. Als 2008 das 65 ha große Gelände zum Verkauf stand, beantragten die Projektpartner beim Freistaat Thüringen Geld aus dem ENL-Fonds (Entwicklung Natur und Landschaft), um das Gelände zu erwerben und zu renaturieren. Die Weiterführung der Schutzmaßnahmen nach Auslaufen der Förderung (2011) ist gesichert.

Die Pleißewiesen wurden an einen ortsansässigen Landwirt für die extensive Beweidung durch eine Mutterkuhherde verpachtet. Anders als Schafe, die zuvor das Gelände beweidet hatten, meiden Hausrinder Sanguisorba officinalis , wenn ihnen genug Weidefläche zur Verfügung steht. Um eine ausreichende Reproduktion durch Aussaat zu sichern, wird die Wiese nur im Mai sowie im September – nachdem die Flugzeit der Bläulinge abgeschlossen ist und ihre Raupen durch die Ameisen adoptiert worden sind – gemäht. Das Gelände ist mit einem elektrischen Koppelzaun eingegrenzt und der Wiesenweg von Remsa nach Windischleuba wieder freigegeben worden. Als Naturlehrpfad soll er Anwohner und Wanderer über das Projekt informieren und sie für den Naturschutz sensibilisieren.

Internet


Pleißeaue im Altenburger Land

http://naturerbe.nabu.de/projekte/pleissewiesen

Ein Paradies für Molche, Kröten und Libellen

Durch geeignete Maßnahmen werden noch weitere Tier- und Pflanzenarten geschützt, z. B. Kammmolche (Triturus cristatus). Zur Vermehrung brauchen sie eutrophe fischfreie Stillgewässer. Deshalb werden bei den Haselbacher Teichen verlandete Tümpel wiederhergestellt oder neue Laichgewässer angelegt. Die Population der seltenen Wechselkröte (Bufo viridis) in der Gerstenbachaue soll durch den Erwerb von Überschwemmungsflächen und die Anlage von Überflutungsmulden gesichert werden.

Mittlerweile ist auch der Fischotter wieder in die Region eingewandert. In diesem Jahr wurde erstmals Nachwuchs gesichtet. Ferner ist die Grüne Keiljungfer (Ophiogomphus cecilia), eine bedrohte Libellenart, in dem Schutzgebiet wieder häufiger zu sehen.

Langfristig möchten die Projektpartner weitere Wiesenflächen vom Lebensraumtyp 6510 in der Pleißeaue kaufen, dort den Großen Wiesenknopf wieder ansiedeln und "Trittsteinhabitate" für die Wiesenknopf-Ameisenbläulinge schaffen, damit sie sich weiter ausbreiten können. Mit einem Bewegungsradius von etwa hundert Metern sind beide Arten relativ "bodenständig". Es wurden nur vereinzelt Flugdistanzen bis zu drei Kilometer beobachtet. Bisher sind von beiden Faltern weder Naturhybriden noch Standortvarietäten bekannt.

Reinhard Wylegalla

Ausstellung


Naturkundliches Museum Mauritianum, Parkstraße 1, 04600 Altenburg, Telefon (0 34 47) 25 89, Fax 892163, www.mauritianum.de
Wiese mit Großem Wiesenknopf.
Foto: Jens Kipping
Zwei Knotenameisen transportieren eine Bläulingsraupe.
Foto: Anton Heyde
Dunkler und Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling

(Maculinea nausithous und M. teleius , von links).

Fotos: Jens Kipping

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