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Peter Friedrich (SPD): "Wir wollen keine Apotheke light"
Kurzvita Peter Friedrich
Peter Friedrich, geboren 1972 in Karlsruhe, hat Verwaltungswissenschaft in Konstanz studiert. 1990 trat er in die SPD ein und startete seine Politiker-Karriere bei den Jusos in Baden-Württemberg: 1992 wurde er zunächst stellvertretender Landesvorsitzender, fünf Jahre später übernahm er den Vorsitz. 1999 wurde er Mitglied des SPD-Landesvorstandes, 2000 Vize-Vorsitzender im Kreisverband Karlsruhe-Land. Seit 2003 gehört Friedrich dem Landespräsidium an, 2004 wurde er Vorsitzender des Kreisverbands Konstanz. In den Bundestag zog er erstmals 2005 ein. Dort ist er unter anderem Mitglied des Gesundheitsausschusses und Sprecher der Youngsters der SPD-Bundestagsfraktion. Seit März 2009 ist Friedrich kommissarischer Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg. Friedrich stellt sich in seinem Wahlkreis Konstanz erneut zur Wahl und belegt Platz 9 der Landesliste Baden-Württemberg.
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DAZ: Wenn Ihre Partei nach der Bundestagswahl wieder die Möglichkeit hat mitzuregieren: Was würden Sie in der Gesundheitspolitik als erstes angehen? Was steht ganz oben auf Ihrer Agenda?
Friedrich: Ganz oben steht weiterhin das Thema Bürgerversicherung. Leider sind wir ja in der letzten Legislaturperiode in der Großen Koalition mit der CDU/CSU auf der Finanzierungsseite zu keiner nachhaltigen Lösung gekommen. Da müssen wir vorankommen. Insgesamt benötigen wir für das Gesundheitswesen auf der Einnahmeseite mehr finanzielle Mittel. Die bekommen wir nur, wenn wir alle Einkommen und Einkunftsarten zur Finanzierung der Gesundheitsausgaben heranziehen und den Steueranteil für die Gesetzliche Krankenversicherung erhöhen.
Dann gibt es natürlich noch eine ganze Reihe weiterer Bereiche in der Gesundheitspolitik, denen wir uns verstärkt zuwenden müssen. Insbesondere möchten wir die Integrierte Versorgung ausbauen. Wir sollten erreichen, dass die Versorgungsbereiche stärker miteinander vernetzt werden und jede Patientin und jeder Patient die Sicherheit hat, dass alle an einer Behandlung Beteiligten verlässlich zusammenarbeiten und abgestimmte Behandlungsstrategien verfolgen.
DAZ: In Ihrem Programm zur Bundestagswahl nimmt das Thema Gesundheit einen durchaus prominenten Rang ein. Allerdings taucht der Begriff Apotheke an keiner Stelle auf. Dabei brennen Apothekerinnen und Apotheker doch etliche Probleme unter den Nägeln, bei denen uns die Position Ihrer Partei interessiert. Beginnen wir mit dem apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbot. Am 19. Mai hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass das u. a. in Deutschland und in Italien geltende Fremdbesitzverbot gemeinschaftskonform ist. Andererseits ist es aber auch nicht rechtlich zwingend vorgegeben. Vielmehr obliegt die Entscheidung über die Ausgestaltung des Apothekenwesens dem nationalen Gesetzgeber. Wie ist da die Position der SPD? Ist Ihre Partei, sind Sie persönlich ein Befürworter des Fremd- und Mehrbesitzverbots bei Apotheken oder streben Sie Änderungen an?
Friedrich: Lassen Sie mich zunächst betonen, dass das in Luxemburg ergangene Apotheken-Urteil des Europäischen Gerichtshofs unter beachtlicher Mithilfe unserer Gesundheitsministerin Ulla Schmidt erstritten wurde. Die rechtliche und auch gesundheitspolitische Verteidigung des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots durch die Bundesregierung ist sehr eindeutig ausgefallen. Bei den Luxemburger Richtern hat dies offensichtlich Eindruck hinterlassen. Schon daraus können Sie ersehen, dass die SPD keine Änderung beim apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot anstrebt. Klar ist aber auch: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist für uns kein Selbstzweck, sondern ein Instrument, bei dem die Frage im Vordergrund steht: Wie können wir dauerhaft eine hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung erhalten? Wenn es über unabhängige inhabergeführte Apotheken am besten gelingt, dann ist es gut so …
DAZ: Und? Gelingt es zurzeit auf diese Weise am besten?
Friedrich: Lassen Sie es mich so sagen: Es ist auf absehbare Zeit keine Änderung der Position, wie wir sie in der Vergangenheit vertreten haben, zu erwarten.
DAZ: Na ja, es gibt ja immerhin auch Sozialdemokraten, die sich – aus welchen Gründen auch immer – für Apothekenketten in der Hand von Kapitalgesellschaften aussprechen. Ihr Kollege Karl Lauterbach, der zusammen mit Ihnen ja auch im Gesundheitsausschuss des Bundestags sitzt, plädiert immer wieder vehement dafür.
Friedrich: Auch in den anderen Parteien gibt es einzelne Abgeordnete, die sich für eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes aussprechen …
DAZ: Das stimmt – leider. Bei den Grünen ist es sogar offizielle Parteidoktrin, nur die Linke wackelt nicht. Aber zurück zu Ihrer Partei: Wie ist in der SPD das Kräfteverhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern des Fremdbesitzverbotes?
Friedrich: Das kann ich nicht verlässlich einschätzen, weil für uns die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots bei Apotheken noch gar nie zur Debatte stand. Deshalb gab es darüber auch noch nie eine Abstimmung. Wie gesagt: Die Ausgestaltung des Apothekenwesens und seiner Organisationsform ist für uns keine dogmatische Frage. Solange das jetzige Fremd- und Mehrbesitzverbot vernünftig und hinreichend ist, um die sichere Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, brauchen wir darüber keine unnötigen Debatten zu führen.
DAZ: Kommen wir zum nächsten politisch aufgeladenen Thema – dem Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. 2004 wurde der Versandhandel in Deutschland – auch grenzüberschreitend – über das europarechtlich erforderliche Maß hinaus legalisiert. Hat sich Ihrer Ansicht nach die neue Distributionsform bewährt? Oder sprechen unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit und der Wettbewerbsgleichheit nicht doch triftige Gründe dagegen?
Friedrich: Der zugelassene Versandhandel mit Arzneimitteln ist inzwischen eine eingeführte Versorgungsform, die funktioniert. Man muss klar zwischen dem legalen Versandhandel durch Versandapotheken und illegalen Angeboten im Internet differenzieren. Möglicherweise gibt es für Verbraucher noch Probleme, beide Angebote hinreichend voneinander unterscheiden zu können. Da bestehen meiner Ansicht nach noch Defizite, die wir in der nächsten Legislaturperiode beseitigen sollten. Umgekehrt denke ich, dass jedem klar ist, dass Arzneimittel, die ich per Spam-E-Mail aus Taiwan angeboten bekomme, nicht auf einem regulären Versorgungsweg zugesendet werden. Alle Anhörungen im Bundestag haben gezeigt: Es gibt keinen Beleg dafür, dass der legale Versandhandel mit Arzneimitteln zu einer Gefährdung der Bevölkerung führt. Dabei möchte ich gar nicht verschweigen, dass es sich für den Verbraucher bei stärker anonymisierten Bestell- und Abgabevorgängen, wie sie dem Versandhandel eigen sind, aus Gründen der Arzneimittelsicherheit immer empfiehlt, achtsam zu sein.
DAZ: Stichwort Beratung. Ist sie beim Arzneimittelversand hinreichend gewährleistet?
Friedrich: Auch da kann ich nur wiedergeben was uns in den Anhörungen gesagt wurde: Es gibt keinen Nachweis dafür, dass alle Versandapotheken schlecht beraten.
DAZ: In der Regel beraten sie überhaupt nicht …
Friedrich: Auch in Präsenzapotheken gibt es manchmal keine Beratung.
DAZ: Manchmal mag das so sein. Schwarze Schafe gibt es leider überall. Der entscheidende Unterschied ist doch: In öffentlichen Apotheken vor Ort sind die persönliche Information und Beratung die – in der Apothekenbetriebsordnung auch rechtlich vorgegebene – Regel, bei Versandapotheken die Ausnahme. Beim Versandhandel ist eine Beratung vis à vis doch gar nicht möglich.
Friedrich: Es gehört immer jemand dazu, der auch beraten werden möchte. Der Internethandel mit Arzneimitteln ist eine Versorgungsform, der von einem kleinen Teil der Bevölkerung aus verschiedenen Gründen gewählt wird. Das ist auch nachvollziehbar. Gegebenenfalls muss die Politik für mehr Sicherheit sorgen. Aber den Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel insgesamt zu beseitigen, hielte ich für falsch.
DAZ: Beim grenzüberschreitenden Versandhandel bestehen neben Sicherheitsbedenken ja auch Wettbewerbsverzerrungen. Beispielsweise fühlen sich ausländische Versandapotheken – inzwischen oft im Verbund mit inländischen Pick-up-Stellen in Fremdbesitz – nicht an die deutsche Arzneimittelpreisordnung gebunden. Von der Rechtsprechung wird diese Ansicht zum Teil bestätigt. Es sind diese "ungleichen Spieße", die hiesige Apothekerinnen und Apotheker auf die Palme bringen.
Friedrich: Das ist in der Tat ein Problem. Ich glaube, dass wir im Arzneimittelbereich, in dem wir ja längst einen grenzüberschreitenden Markt haben, in Europa zu einer Harmonisierung der Arzneimittelpreise kommen müssen. Der Gesetzgeber selbst hat ja den grenzüberschreitenden Arzneimittelhandel forciert. Dann muss er auch dafür sorgen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen im Arzneimittelbereich harmonisiert werden. Und dies gilt dann auch für den Versandhandel und das gilt dann auch für den Import/Export von Arzneimitteln insgesamt.
DAZ: Das ist noch Zukunftsmusik. So lange es noch kein europäisch vereinheitlichtes Preisrecht bei Arzneimitteln gibt: Wie stehen Sie, wie steht die SPD zum einheitlichen Apothekenabgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln?
Friedrich: Ich vertrete schon immer die Position, dass Gesundheit keine Ware ist wie jede andere. Deswegen müssen wir bei der Preisgestaltung von Arzneimitteln bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen setzen. Der einheitliche Apothekenabgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln macht Sinn, um Patientinnen und Patienten nicht zu zwingen, nach den preiswertesten Einkaufsmöglichkeiten für verschreibungspflichtige Arzneimittel suchen zu müssen. Wo wir aber noch einmal genauer hinschauen sollten, ist die Frage, wie denn die Preise im Pharmabereich insgesamt zustande kommen. Wir haben inzwischen eine Vielfalt unterschiedlicher Instrumente der Preissteuerung, die sich zum Teil wenn nicht widersprechen, so doch gegenseitig zumindest aushebeln. Das führt dazu, dass es einigen Marktteilnehmern immer wieder gelingt, Lücken in diesem System zu finden. Deshalb ist aus meiner Sicht ein einfacheres System, das Transparenz schafft, erstrebenswert. Es würde uns helfen, die Arzneimittelkosten besser in den Griff zu bekommen.
DAZ: Heißt das, dass die SPD bei der Frage der Arzneimittelpreisbildung unmittelbar die pharmazeutische Industrie ins Visier nimmt?
Friedrich: Das haben wir ja schon getan – nicht unbedingt zur Freude der Apotheker, wenn ich an die Rabattverträge denke. Aber ich möchte jetzt keine Prognose wagen, wie es in der nächsten Legislatur aussehen wird. Ich bin mir sehr sicher, dass das Thema Arzneimittelpreise vor dem Hintergrund der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen wieder eine Rolle spielen wird. Die Frage ist, ob und mit welchen Mehrheiten wir es schaffen, hier den Gordischen Knoten zu durchschlagen, um zu mehr Transparenz zu kommen.
DAZ: Lassen Sie uns noch einmal zum Versandhandel mit Arzneimitteln zurückkommen. Eine vom Gesetzgeber möglicherweise unbeabsichtigte, gleichwohl dramatische Folge der Legalisierung des Versandhandels sind die sogenannten Pick-up-Abgabestellen für Arzneimittel, die inzwischen in Drogeriemärkten, Blumenläden, Metzgereien, Kiosken und Tankstellen anzutreffen sind. Da gab es in der zu Ende gehenden Legislatur innerhalb der Großen Koalition den Versuch, diesen – wie es hieß – Ausfransungen des Versandhandels Herr zu werden. Dieser Versuch ist gescheitert. Warum?
Friedrich: Er ist gescheitert, weil wir uns nicht über die rechtlichen Grundlagen von Arzneimittelabgabestellen einigen konnten. Es gab unterschiedliche Sichtweisen – auch zwischen Gesundheits- und Justizministerium. Das waren keine parteipolitischen Differenzen, sondern unterschiedliche Rechtsansichten der beteiligten Ministerien.
DAZ: Das Justizministerium war der Ansicht, dass es verfassungswidrig sei, Versandapotheken die Rezeptsammlung in Gewerbebetrieben, wie z. B. Drogeriemärkten, zu verbieten.
Friedrich: Ja, das Justizministerium hat verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Ob diese Bedenken tatsächlich gerechtfertigt sind, war umstritten. Ob eine rechtliche Regelung verfassungswidrig ist oder nicht, erfährt man immer erst in Karlsruhe. Ich hätte mir gewünscht, dass wir zu einer pragmatischen Lösung der Pick-up-Problematik gekommen wären.
DAZ: Wie hätte diese pragmatische Lösung aussehen können?
Friedrich: Dass man Anforderungen definiert, die so klar sind, dass wir die Pick-up-Stellen faktisch wieder auf das Minimum reduzieren, was verfassungsrechtlich zwingend geboten ist. Ich weiß, dass die Apotheker diesen Vorschlag sehr kritisch sehen – Stichwort "Apotheke light" im Drogeriemarkt. Ich kenne diese Bedenken. Andererseits haben wir jetzt gar keine Lösung. Dies halte ich für den schlechteren Weg, zumal uns die Pick-up-Stellen ja durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beschert wurden. Der Gesetzgeber wollte sie nicht. Wie gesagt: Ich hätte mich gerne für den pragmatischen Weg entschieden. Das war jetzt nicht möglich. Vielleicht kommen wir in der nächsten Legislatur eher zueinander.
DAZ: Wenn es in Sachen Pick up zu keiner Einigung kommen sollte: Wäre es für Sie Anlass, doch über ein generelles Versandhandelsverbot bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nachzudenken?
Friedrich: Wenn es durch dieses Ausfransen des Versandhandels nachweisbar zu einer Verletzung der Arzneimittelsicherheit käme: ja. Um etwas verbieten zu dürfen, brauche ich jedoch triftige Gründe. Die sehe ich zurzeit nicht.
DAZ: Bei der Einschätzung von Gefährdungen hat die Politik auch einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum. Präventiver Gesundheitsschutz ist legitim und rechtens. Die Politik muss nicht warten, bis das erste Kind in den Brunnen gefallen ist …
Friedrich: Natürlich hat die Politik Gestaltungsspielräume. Aber ich halte wenig davon, wegen des Pick-up-Problems jetzt das ganze System des Versandhandels in Frage zu stellen, solange die Verkehrs- und Arzneimittelsicherheit nicht nachweislich gefährdet ist. Bislang gibt es nur Befürchtungen. Sie sind für mich durchaus nachvollziehbar – aber das genügt nicht, um den Versandhandel insgesamt zu verbieten. Meine Position ist: Der Versandhandel mit Arzneimitteln ist eine sinnvolle Versorgungsform. Aber wir müssen ihn auf seine wesentlichen Aufgaben und Kriterien beschränken und Ausfransungen unterbinden.
DAZ: Wir haben schon einige Punkte angesprochen, die die Funktion der Apotheke und ihre Zukunft betreffen. Die Novelle der Apothekenbetriebsordnung steht an. Sehen Sie Änderungsbedarf?
Friedrich: Da bin ich zunächst einmal auf die Anregungen der Apotheker und ihrer Verbände gespannt. Die Vorschläge müssen von den Leuten kommen, die in der täglichen Apothekenpraxis stehen. Mein Anliegen ist es, die heilberuflichen Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern zu stärken. Dies sollte auch in der Apothekenbetriebsordnung seinen Niederschlag finden. Die öffentliche Apotheke sollte sich auf ihre Kernaufgabe rund um das Arzneimittel konzentrieren. Die SPD will keine Apotheke light, wir wollen aber auch keine Apotheke als Drogeriemarkt mit Arzneimittelschalter.
DAZ: Lassen Sie uns noch die Rabattverträge ansprechen. In der Apothekenpraxis erfordern sie einen enormen Kommunikationsaufwand. Die Verunsicherung bei Kunden und Patienten ist groß. Hat sich aus Ihrer Sicht das Kostendämpfungsinstrument der Rabattverträge dennoch bewährt? Streben Sie Änderungen an?
Friedrich: Es ist schwierig, darauf eine pauschale Antwort zu geben. Zum einen glaube ich, dass die Rabattverträge ihr Einsparpotenzial noch nicht vollständig ausschöpfen. Durch die Überregulierung in dem Bereich läuft noch nicht alles rund. Zum anderen hatten wir natürlich eine hoch problematische Einführungsphase, weil es zum Kräftemessen innerhalb der Pharmaindustrie und zwischen pharmazeutischer Industrie und Krankenkassen kam. Das hat die Einführung sehr erschwert. Ich halte Rabattverträge nach wie vor für ein sinnvolles Instrument. Ich halte sie insbesondere im Zusammenhang mit der geschlossenen Versorgungskette für nützlich. Wir brauchen allerdings so viel Flexibilität, dass in der Praxis immer eine zeitnahe Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten gewährleistet ist. Und da, glaube ich, müssen wir noch etwas nachjustieren. Zu prüfen ist insbesondere, ob die Auswahlmöglichkeiten in der Apotheke ausreichend sind und wie wir den Übergang bei einem rabattvertraglich verursachten Arzneimittelwechsel besser gestalten können. Um dann die Compliance nicht zu gefährden, muss es in der Übergangsphase zu einer stärkeren Kommunikation zwischen verordnendem Arzt, Apotheke, Krankenkasse und Patient kommen. Bei der Umsetzung der Rabattverträge haben sich Apothekerinnen und Apotheker im Übrigen sehr konstruktiv verhalten und ihre Patienten hervorragend informiert und beraten.
DAZ: Kein Interview ohne Gesundheitsfonds: Welche Zukunft hat er?
Friedrich: Der Gesundheitsfonds wird weiter bestehen – ich glaube sogar dann, wenn die FDP mitregieren sollte. Selbst die Liberalen würden, aller Wahlkampfrhetorik zum Trotz, die Finger davon lassen, weil der Fonds sehr viel besser funktioniert als ursprünglich gedacht. Die Frage ist: Wie können wir auf Dauer die finanzielle Grundlage des Fonds sichern? Schaffen wir es, die Einnahmebasis des Fonds zu erweitern? Der Fonds wird, auch wenn er dann anders heißen sollte, weiterhin bestehen, weil es für alle Modelle – gleichgültig ob Bürgerversicherung von uns oder Kopfpauschalenmodell der Union – eines Ausgleichsmechanismus’ bedarf, der nur über einen Fonds erfolgen kann.
DAZ: Sagen Sie mir noch, wer der nächste Gesundheitsminister oder die nächste Gesundheitsministerin wird?
Friedrich: Da kann die Bild-Zeitung noch so dicke Schlagzeilen produzieren: Wenn die SPD wieder die Möglichkeit hat, die nächste Gesundheitsministerin zu stellen, ist Ulla Schmidt gesetzt.
DAZ: Herr Friedrich, vielen Dank für das Gespräch!
Das Wahlprogramm der SPDDie SPD widmet der Gesundheitspolitik gute drei Seiten in ihrem 94-seitigen "Regierungsprogramm 2009". In der nächsten Legislatur will die Partei "auf erfolgreichen Reformen aufbauen": Mit der Gesundheitsreform von 2007 habe man die Basis für ein modernes, leistungsfähiges und faires Gesundheitswesen und für eine gerechte Verteilung der Beitragsmittel geschaffen, heißt es im Programm. Nun soll es weiter gehen.
Im Zentrum steht für die SPD dabei der Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu einer Bürgerversicherung: Zur Finanzierung der Gesundheitsaufgaben sollen künftig alle Einkommen herangezogen werden – Details hierzu spart das Programm allerdings aus. Zudem soll der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich weiterentwickelt und die private Krankenversicherung (PKV) in diesen einbezogen werden. Durchsetzen wollen die Sozialdemokraten zudem eine gänzlich paritätische Finanzierung der GKV. Den bisherigen Sonderbeitrag von 0,9 Beitragssatzpunkten für die Versicherten wollen sie abschaffen.
In der ärztlichen Versorgung will die SPD das Vertragsgeschehen weiter flexibilisieren. Kollektiv- und Einzelverträge sollen zusammen eine ausreichende flächendeckende Versorgung gewährleisten. Zudem setzt sich die Partei in der ambulanten medizinischen Versorgung für eine einheitliche Gebührenordnung für privat und gesetzlich Versicherte ein. Dies soll auch für die ambulante Versorgung in Krankenhäusern gelten, für die sich die Kliniken noch weiter öffnen sollen. Auch der Ausbau der Integrierten Versorgung ist den Sozialdemokraten wichtig: Alle Patienten müssten die Sicherheit haben, dass sämtliche an ihrer Behandlung Beteiligten verlässlich zusammenarbeiten und abgestimmte Behandlungsstrategien verfolgen. Deshalb sieht die SPD auch bei den Gesundheitsberufen insgesamt Änderungsbedarf: Ärztliche und nicht ärztliche medizinische Berufe müssten stärker als bisher zusammenarbeiten, damit jeder im Gesundheitswesen seine Kompetenz optimal einbringen könne. "Flache Hierarchien, Entlastung der Ärzte von bürokratischen Aufgaben durch spezialisierte Assistenzkräfte und mehr technologische Unterstützung, mehr Kompetenzen für pflegerische Berufe sind der Weg der Zukunft", heißt es im Programm. Wegen des demografischen Wandels müsse zudem für alle Gesundheitsberufe die Geriatrie und die Palliativversorgung ein Schwerpunkt in Ausbildung, Forschung und Arbeit werden.
Die Apotheke wird im Regierungsprogramm nicht erwähnt. Was die SPD im Arzneimittelbereich anstrebt, bleibt ebenfalls vorerst unbeantwortet. Es heißt lediglich, dass die Kosten-Nutzen-Bewertung neuer Arzneimittel und Therapien sowie die patientenverständliche Information durch neutrale Institutionen ausgebaut werden müssten, um die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens zu stärken.
Weiterhin steht die Verabschiedung eines Präventionsgesetzes auf der Agenda der SPD. Mit diesem Gesetz soll die Primärprävention gestärkt und sollen Gesundheitsziele als Handlungsrahmen definiert werden. Bund, Länder und Kommunen, die Sozialversicherungsträger sowie die PKV müssten dabei in die Verantwortung bei der Finanzierung einbezogen werden. Auch für die Patientenrechte soll etwas getan werden. So sollen die bislang zersplitterten und undurchsichtigen Rechte der Patienten in einem Gesetz zusammengeführt werden.
Nicht zuletzt konstatieren die Sozialdemokraten, dass das Gesundheitswesen eine der beschäftigungsstärksten Branchen Deutschlands und ein Wachstumssektor ist: "Investitionen in Gesundheit sind Zukunftsinvestitionen", heißt es im Programm.
Das komplette Wahlprogramm der SPD finden Sie im Internet unter:
www.spd.de/de/pdf/parteiprogramme/Regierungsprogramm2009_LF_navi.pdf
Die SPD und die Apotheke
Gemeinsam mit Union und Grünen hat die SPD 2003 beschlossen, den Versandhandel mit Arzneimitteln zuzulassen. An diesem Entschluss hält die Partei, allen voran Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, auch nach dem Aufkommen von Pick-up-Stellen in Gewerbebetrieben fest – auch wenn es innerhalb der Bundestagsfraktion vereinzelt andere Meinungen hierzu gibt. So hatte sich insbesondere die SPD-Gesundheitspolitikerin Marlies Volkmer dafür ausgesprochen, den Versandhandel auf rezeptfreie Arzneimittel einzuschränken – mit dieser Forderung blieb sie in ihrer Fraktion allerdings in der Minderheit. Im Rahmen der 15. AMG-Novelle konnten sich SPD und Union auch nicht über die Pick-up-Stellen-Problematik einigen. Das Wahlprogramm der SPD greift das Thema nicht auf.
Was das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken betrifft, haben sich die Sozialdemokraten stets für die bestehenden Regelungen eingesetzt. Ministerin Schmidt hat diese auch wiederholt vor der Europäischen Kommission verteidigt.
Die SPD in Zahlen
Die SPD hat derzeit gut 513.000 Mitglieder. Bei den letzten Bundestagwahlen 2005 kam sie auf 34,2 Prozent der Wählerstimmen. |
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