Chemie

Nicht durch die IUPAC sanktioniert, aber nützlich

Wortstämme in den INN von Arzneistoffen

Von Hermann J. Roth*

INN (International Nonproprietary Names) sind internationale Freinamen für Arzneistoffe, die von der Weltgesundheitsorganisation vergeben werden. IUPAC bedeutet International Union of Pure and Applied Chemistry. Die IUPAC-Regeln gelten international für die rationelle, systematische und eindeutige Bezeichnung chemischer Verbindungen. Da die systematischen Namen nach den IUPAC-Regeln oft sehr kompliziert sind, sind neben ihnen die viel kürzeren Trivialnamen in Gebrauch. Diese entstammten früher nur der Alltagswelt, werden aber heute teilweise aufgrund der molekularen Strukturen gebildet. In den Trivialnamen von Verbindungen, die dieselben funktionellen Gruppen besitzen, tauchen deshalb dieselben Namensbestandteile auf.

*Frau Apothekerin Dr. rer. nat. Erika Morgenstern in freundlicher Verbundenheit zum 65. Geburtstag gewidmet.

Um zu verdeutlichen, um was es hier geht, sei ein gängiger Arzneistoff des Europäischen Arzneibuchs herangezogen:

  • Exakte systematische Bezeichnung: (1R,2R,4S,5S,7s,9r)-9-Butyl-7-[[(2S)-3-hydroxy-2-phenylpropanoyl]oxy-9-methyl-3-oxa-9-azoniatricyclo(3.3.1.02,4]nonanbromid,
  • Trivialname: Butylscopolaminiumbromid.

Im Alltagsgebrauch reicht der Trivialname meistens aus, um eine Verbindung oder einen Arzneistoff zu kennzeichnen. Trivialnamen sind oft von der Herkunft aus anderen Stoffen, von der Isolierung aus natürlichem Material oder von sensorischen Eigenschaften abgeleitet, d. h. sie entspringen semantischen Wurzeln.

Dazu einige Beispiele:

  • Aldehyd aus Alcohol dehydrogenatus,
  • Atropin aus der Stammpflanze Atropa bella-donna,
  • Lachgas (N2O) wegen der euphorisierenden Wirkung, die es nach dem Einatmen entfaltet.

Berufskolleginnen und -kollegen, die eine zweijährige Praktikantenzeit mit Pharmazeutischem Vorexamen absolviert oder ein klassisches Pharmaziestudium genossen haben, tun sich mit Trivialnamen nicht schwer. Neben den üblichen und bekannten Wortstämmen, die in der Tabelle 1 aufgelistet sind, tauchen in den letzten Jahren unter den INN, die von der WHO ab 1950 empfohlen werden, Wortstämme auf, die schwer verständlich sind und oft etwas exotisch anmuten. Daher dürfte dem Arzneimittelfachmann eine Erklärung dieser Termini willkommen und von Nutzen sein.

Im Interesse der Übersichtlichkeit erscheint es zweckmäßig, sie in drei Gruppen zu unterteilen:

  • Anionen in Salzen bzw. Säurekomponenten in Estern sowie Reste an funktionellen Gruppen (Tab. 2),
  • Ketale, Acetale und Doppelester, die aus der Veresterung von Halbacetalen mit organischen Säuren entstanden sind (Tab. 3),
  • Basische und hydroxylierte basische Komponenten (Tab. 4).

Die in den Tabellen enthaltenen Präfixe und Suffixe stammen hauptsächlich aus den Informationen „Organic radicals, counterions and solvent molecules used in coining two-word names“ der American Medical Association (AMA, www.ama-assn.org) und meiner eigenen mehrjährigen Sammlung von Arzneistoffnamen. Die Beispiele sind im Wesentlichen dem Europäischen Arzneibuch 6. Ausgabe und der Roten Liste 2008 entnommen.

Ergänzende Angaben zu fehlenden Beispielen sind willkommen.

Autor: Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth, Friedrich-Naumann-Str. 33, 76187 Karlsruhe, www.h-roth-kunst.com, info@h-roth-kunst.com

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