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DAZ aktuell
Herr Becker, was sind Ihre dringendsten Aufgaben?
Becker: Ja, ich freue mich sehr auf die Arbeit im Vorstandsteam des DAV. Wir haben eine gute Mischung aus erfahrenen Kräften und neuen Leuten. Zudem kann ich als Vorsitzender auf der guten Arbeit von Hermann Stefan Keller aufbauen.
DAZ Blickt man in die Apothekenlandschaft, dürfte 2009 kein leichtes Jahr für die Apotheke werden. Finanzkrise, Rezession, Rabattverträge und ein EuGH-Urteil aus Luxemburg, dessen Ausgang definitiv offen ist, auch wenn es durch den Schlussantrag des Generalanwalts positive Zeichen gab. Herr Becker, wo sehen Sie in Zukunft die deutsche Apotheke aufgestellt? Was ist für Sie das Idealbild der deutschen Apotheke?Becker: Für mich ist die freiberufliche und unabhängige Apotheke das Maß der Dinge. Und ich glaube, dass wir gute Zukunftschancen haben, wenn wir dieses überlegene Modell weiterentwickeln und uns nicht auf dem Erreichten ausruhen. Für mich als Apotheker ist insbesondere die Freiberuflichkeit ein wesentlicher Stützpfeiler für mein Selbstverständnis als Pharmazeut. Ich weiß, dass dies viele tausend Kolleginnen und Kollegen nicht anders sehen. Und das übrigens vollkommen unabhängig davon, wie der Europäische Gerichtshof im Sommer entscheiden wird. Allerdings hat Yves Bot genau diese Aspekte als Leitbilder verstanden: Freiberuflichkeit und Unabhängigkeit. Und daran orientiert sich das Idealbild der Apotheke auch in Zukunft. Die Versorgungsqualität ist am Ende wichtiger als deren rein kommerzielle Betrachtung.
DAZ Was wird vor diesem Hintergrund Ihre erste und dringlichste Aufgabe als DAV-Vorsitzender sein?Becker: Da gibt es ein ganzes Bündel an Aufgaben. Manchmal habe ich den Eindruck, wir haben nur noch Themen mit höchster Priorität. Natürlich müssen wir uns an vielen Fronten den aktuellen Herausforderungen stellen. Ob bei Rabattverträgen, Hilfsmitteln, den Verhandlungen mit den Kassen, aber eben auch bei der Bewältigung der Herausforderungen durch Konzerne, die direkt oder indirekt versuchen, Geld im Apothekenmarkt zu verdienen – ohne dafür apothekerliche Leistungen erbringen zu müssen. Der DAV muss seine Rolle als Mittler zwischen Politik, Kassen, Apothekern konsequent verfolgen.
DAZ Und was wird in der Zukunft für die Apotheke immer wichtiger werden?Becker: Wir bewegen uns in dieser Frage schon lange nicht mehr eindimensional. Vielmehr haben wir es auf unterschiedlichsten Ebenen und Feldern mit anscheinend immer mehr und immer neuen Playern zu tun. Die Apotheke vor Ort muss ihr lokales Geschäft im Blick halten. Dafür braucht sie nicht nur eine kaufmännische, sondern auch eine heilberufliche Perspektive. Das werden wir in den Gesprächen mit dem Gesetzgeber, aber auch mit den Kassen immer wieder herausstellen müssen. Wir werden die Apotheke nicht neu erfinden müssen, sondern wir werden sie weiter entwickeln. Dabei dürfen wir es nicht bei der bloßen Ankündigung belassen. So, wie jede einzelne Apotheke auf ihr lokales Umfeld eingehen muss, so werden wir die Trends und Bedürfnisse in Gesundheitspolitik, Kassenlandschaft und bei den Verbrauchern und Patienten vorwegnehmen müssen. Für uns Apotheker wird es wichtiger, schneller zu sein als andere und schneller Entscheidungen zu treffen.
DAZ Rabattverträge, Hilfsmittelverträge, Hausapothekenverträge – welche Richtung werden Sie auf diesen Gebieten verfolgen?Becker: Zunächst werden wir die Interessen der Apotheken und auch die der Patienten verfolgen. Und falls nötig, werden wir unsere Ansichten sehr deutlich und sehr öffentlich machen. Die Rabattverträge wurden in der Vergangenheit von uns zwar durchaus unterstützt; aber wir haben das Thema sehr kritisch begleitet. Der Dialog mit den Kassen ist jedenfalls enorm wichtig, um auf diesem Feld gemeinsame Ziele zu entwickeln und zu erreichen. Nur dann kann es eine Win-win-Situation geben. Wir werden es aber nicht zulassen, wenn Kassen mangelhafte Rabattverträge zulasten von Versicherten und Apotheken durchsetzen wollen. Ähnlich verhält es sich bei den Hilfsmitteln. Hier gibt es erste Erkenntnisse über den großen Unsinn mancher Regelungen. Sogar vielen Kassen ist die Systematik zuwider, weil sie wissen, dass sie Patienten verprellen und sich die Einsparungen schnell in Mehraufwand umschlägt. Wir haben hier im Hintergrund und auch in den Gesprächen mit Kassen und Politik konkrete Problemfälle aufgezeigt. Wir hoffen, dass das Umdenken nicht zu spät kommt.
Bei den Hausapothekenverträgen gibt es die erklärte Absicht aller Beteiligten, das Modell auszubauen. Hier wird eifrig nach neuen Wegen gefahndet.
DAZ Stichwort Absenkung des Zwangsrabatts an Krankenkassen: Die Lösung liegt derzeit bei der Schiedsstelle. Können Sie schon abschätzen, was hier auf die Apotheken zukommt? Ist die Absenkung um 60 Cent von heute 2,30 auf 1,70, wie es anfangs hieß, realistisch?Becker: Hinter den Kulissen ist vielen Beteiligten klar, dass eine Honorarerhöhung für die Apotheken unumgänglich ist. Aber wir müssen natürlich auch feststellen, dass der Zeitpunkt inmitten einer handfesten Krise ungünstig ist. Wir werden nichts unversucht lassen, um für die Apotheken ein gutes Ergebnis zu erreichen. Sie werden verstehen, wenn ich angesichts des laufenden Verfahrens nicht viel mehr sagen kann.
DAZ Herr Becker, Ihre Position in Sachen Qualitätsmanagementsystem (QMS) – werden die Apotheken in Zukunft ein QMS haben müssen, um konkurrenzfähig zu sein?Becker: Soweit Sie von einer Verpflichtung sprechen, werden wir darüber intensiv diskutieren müssen und die ersten Erfahrungen gemeinsam analysieren. Bei diesem Thema sind Kammern und Verbände gemeinsam im Boot. Und es gibt einen breiten Konsens, dass messbare Qualität ein wichtiger Indikator für die Konkurrenzfähigkeit sein wird. Aber genau diese Messbarkeit muss definiert werden.
DAZ Wie sehen Sie die Entwicklung auf dem Markt der Kooperationen? Mittlerweile sind nach vorsichtigen Schätzungen 60 bis 70% aller Apotheken Mitglied einer Kooperation im weitesten Sinne. Sind Kooperationen aus Ihrer Sicht ein Vorteil für die Apotheke oder sehen Sie hier eine Konkurrenz zu Apothekerverbänden?Becker: Es gibt sicherlich sinnvolle Kooperationen. Und es gibt Zusammenschlüsse, die Apotheken nichts bringen, sondern womöglich nur Geld kosten. Eine Konkurrenz zu den Verbänden sehe ich bislang nicht; das gilt auch für die Zukunft. Im Übrigen stellt sich die Frage, welchen Nutzen Kooperationen entfalten. Nutzt eine Kooperation am Ende nur deren Gründer, oft also dem Großhandel? Oder nutzt die Kooperation dem Apotheker vor Ort? Die von Ihnen genannte Beteiligungszahl verrät nichts über die Intensität des Engagements und auch nichts über die Generierung echter Vorteile. Aus meiner Sicht gilt auch hier: Freiberuflichkeit und Unabhängigkeit sind absolute Größen. Kooperationen, die an diesen Grundfesten wackeln, haben nicht das Interesse der Apotheke im Fokus, sondern andere.
DAZ Herr Becker, vielen Dank und viel Erfolg in den nächsten Jahren!
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