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AOK fordert klare Definition von Austauschkriterien

BERLIN (ks). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel im Rahmen von aut idem austauschbar sind, spaltet die Geister: Reicht es – bei Vorliegen aller anderen Kriterien – aus, wenn die fraglichen Präparate mindestens einen gemeinsamen Indikationsbereich aufweisen? Oder müssen die von der Zulassung umfassten Anwendungsgebiete übereinstimmen? Virulent wird die Frage derzeit bei den AOK-Rabattverträgen, bei denen Zuschläge an Arzneimittel erteilt wurden, die nicht für alle Anwendungsgebiete des jeweiligen Wirkstoffes zugelassen sind. Die AOK hält den Austausch für unproblematisch. Die Hersteller sehen hingegen die Patientenversorgung gefährdet.
Zur absoluten Gradwanderung wird die Belieferung von AOK-Rezepten derzeit für die Apotheken aufgrund der unklaren Regelungen zur Austauschbarkeit.Foto: AOK

"Wir brauchen schnellstmöglich eine Klarstellung der Definition zum Austausch von Rabattprodukten, die unmissverständliche und eindeutige Handlungsanweisungen enthält", forderte Christopher Hermann, der Verhandlungsführer für die bundesweiten AOK-Rabattverträge, am 26. Juni. Geschehen soll dies im Rahmenvertrag zwischen dem Deutschen Apotheker Verband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband, über den derzeit verhandelt wird. "Es dürfen keine Interpretations-Schlupflöcher für die Pharmaindustrie offen bleiben, die den Apothekern und dem gesamten Solidarsystem Schaden zufügen", mahnte Hermann weiter.

Knackpunkt Apothekensoftware

Der Vizevorstand der AOK Baden-Württemberg kritisierte, dass große Generikaunternehmen, die mit der AOK keinen Rabattvertrag haben, die derzeitige Rechtslage zu ihren Gunsten interpretierten. "Nach eigenem Gutdünken" ließen sie Daten in die Apothekensoftware einspeisen, die einen Austausch von wirkstoffgleichen Präparaten verhinderten. Etwa dann, wenn das Rabattprodukt vier Indikationen, das eigene Generikum aber zusätzlich eine fünfte hat. Medizinisch sei das absurd, meint Herrmann. Die betreffenden Arzneimittel seien wirkstoffgleich und kämen häufig genug aus der gleichen Fertigung. Einen Austausch aufgrund einer fehlenden "Nischenindikation" auszuschließen, sei in keiner Weise zu rechtfertigen. Zudem, so Hermann, könne dieses Vorgehen zum Problem für die Apotheker werden. Denn die Rechtslage werde sowohl vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) als auch vom GKV-Spitzenverband entschieden anders gesehen. Tatsächlich hat das BMG bereits mehrfach klargestellt, dass Arzneimittel – bei Erfüllen der anderen Austauschkriterien – dann vom Apotheker auszutauschen sind, wenn mindestens ein gemeinsames Anwendungsgebiet vorliegt. Die Herstellerverbände geben jedoch nicht auf, vereint gegen diese Rechtsauffassung vorzugehen. Für sie ist es schlechterdings ein Ding der Unmöglichkeit, den Apotheker substituieren zu lassen, wenn die Indikationsgebiete nicht allesamt übereinstimmen (siehe hierzu auch AZ Nr. 12/2009, S. 1 und DAZ Nr. 20/ 2009, S. 35).

ABDATA als neue Kontrollinstanz?

Nicht minder ärgerlich ist es für Hermann, wenn "Filmtabletten" in der Apothekensoftware plötzlich als "überzogene Tabletten" auftauchen oder die Packungsstückzahl nicht mehr als "100" sondern "2 x 50" deklariert ist – auch dies kann einen Austausch verhindern. Er fordert daher eine Kontrollinstanz, die die Datenqualität von der Meldung des pharmazeutischen Unternehmens bis hin zur korrekten Abbildung in der Apotheken- und Arztsoftware prüft. "Denkbar wäre ein entsprechender, gesetzlicher Auftrag an die ABDATA – so könnte das Know-how der Apotheker-Datenexperten genutzt werden – oder die Zuordnung der Prüfkompetenz zu einer Bundesbehörde."

Industrie bleibt hartnäckig

Pro Generika-Geschäftsführer Peter Schmidt sprach indessen von einem "einzigartigen Angriff auf die Arzneimittelsicherheit und die Versorgungsqualität der Patienten". Er warnte vor einem leichtfertigen Austausch: Zahllose Patienten liefen Gefahr, Arzneimittel zu erhalten, in deren Packungsbeilage ihre individuelle Erkrankung nicht einmal aufgelistet sei. Ebenso fehlten ihnen dann die speziellen Anwendungshinweise. Dass Hermann hier keine medizinischen Bedenken hegt, ist für Schmidt "mehr als fragwürdig". Er sieht durch die AOK-Auffassung zudem die Hauptlast der Haftung für die Arzneimitteltherapie in unzumutbarer Weise auf den Apotheker abgewälzt – denn dieser kenne nicht einmal die Diagnose. Auch den Vorwurf, die Industrie suche nach "Schlupflöchern", um dem Sozialsystem zu schaden, weist Schmidt zurück. Vielmehr sparten die Kassen gerade mit Generika Milliarden. Er forderte Ärzte und Apotheker auf, die Industrie in dieser Kernfrage der Arzneimittelsicherheit und des Patientenschutzes zu unterstützen: "Diese Güter sind zu wertvoll, um auf dem Altar der Einsparungen geopfert zu werden."

Ähnlich äußerte sich auch die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Barbara Sickmüller. Sie ergänzte zudem, dass die extensive Interpretation der Austauschregeln die Forschung und Entwicklung neuer Darreichungsformen und verbesserter Arzneimittel in bekannten Wirkstoffen verhinderten: Warum sollte ein Hersteller viel Geld in die Verbesserung investieren, wenn sein Produkt anschließend unabhängig von der zugelassenen Indikation gegen ein preiswerteres Produkt der Konkurrenz ausgetauscht wird? Auch aus BPI-Sicht geht es hier "nicht um das Finden von Schlupflöchern, sondern um verbesserte Wirkungen, geringere Nebenwirkungen und auch um eine höhere Lebensqualität für kranke Menschen".

DAV und GKV-Spitzenverband sind am Zug

Erst vor drei Wochen hatten die vier großen Herstellerverbände in einem Schreiben an den Staatssekretär im BMG, Klaus-Theo Schröder, erneut ihre Rechtsauffassung zur Frage der Austauschbarkeit dargelegt. Bislang stoßen sie bei den politisch Verantwortlichen aber auf taube Ohren. Auch der Versuch, über die jüngste Novelle des Arzneimittelgesetzes für Rechtsklarheit in ihrem Sinne zu sorgen, scheiterte. Nun bleibt abzuwarten, wie die Verhandlungen von DAV und GKV-Spitzenverband zum Rahmenvertrag ausgehen. Bis dahin müssen sich die Apotheker – ob es der AOK gefällt oder nicht – auf ihre Software verlassen können.

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