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Apotheker müssen Vertrauenspersonen sein

BERLIN (ks). Norbert Blüm sieht für die derzeitige Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung wenig Zukunftschancen: "Was jetzt Gesetz ist, wird die nächsten zehn Jahre nicht überleben", prognostizierte der frühere Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Kabinett Helmut Kohls, auf dem DAV-Wirtschaftsforum am 8. Mai in Berlin. Aus seiner Sicht muss die richtige Mitte zwischen einer Verstaatlichung und einer Privatisierung des Gesundheitswesens noch gefunden werden.
Kommunikation und Menschlichkeit sind für Norbert Blüm wichtige Funktionen der Apotheken.
Foto: DAZ/Sket

Als letzter Redner des zweitägigen Wirtschaftsforums nahm sich der Bundesminister a. D. dem Spannungsverhältnis zwischen Liberalismus und Sozialismus an – mit dem speziellen Blick auf das Gesundheits- und Sozialwesen. Beide Denkrichtungen haben aus seiner Sicht Teilwahrheiten zu bieten: Vieles spreche für den individuellen Ansatz des Liberalismus, aber auch die sozialistische These, dass jeder auf den anderen angewiesen ist, habe etwas für sich. Die soziale Marktwirtschaft, so Blüm, sei der Idee nach der Balanceakt zwischen Wettbewerb und sozialem Ausgleich. Und nun ist sie in der Krise – "das ist kein Heuschnupfen, das geht tiefer", sagte Blüm. Es habe sich gezeigt, dass die Kreditwirtschaft von unerfüllten Versprechungen lebe. Im Gesundheitswesen hält er dennoch nichts von einer Verstaatlichung, wie sie der Gesundheitsfonds mit dem einheitlich von der Regierung festgesetzten Beitragssatz, vorantreibe. Der Fonds sei kein Kompromiss in der Mitte, sondern ein Monstrum. Er vermische zwei unterschiedliche Denkschulen, so Blüm: "Aus Regenwurm und Igel ist Stacheldraht geworden." Vom ohnehin gedeckelten Zusatzbeitrag, der für einen rein monetären Wettbewerb stehe, erwartet Blüm ebenfalls nicht viel. Er sieht ein Kassensterben kommen und am Ende die staatliche Einheitskasse stehen.

 

 

Was die Apotheken betrifft, so sieht Blüm ihre Aufgabe vor allem darin, Vertrauen zu schaffen. Es gebe eine "neue Sehnsucht nach Nachbarschaft". Hier könnten Apotheker, die für Blüm mehr sind als Pillenverkäufer, viel leisten. Ihre Funktion sei es, ihre Kunden als Person und nicht nur als Geldquelle wahrzunehmen. "Es geht um Kommunikation und Menschlichkeit", so Blüm. Eine Gesellschaft die vom Leitbild des Homo oeconomicus geprägt ist, und die Maxime verfolgt "mache nur, was du auch verstehst", ist aus seiner Sicht dem Untergang geweiht. Eine Erziehung zu einer "Gesellschaft der Kalkulatoren, Schnäppchen- und Renditejäger" nehme jede Lebenslust. Man muss auch Vertrauen haben können – ansonsten funktioniere eine Gesellschaft nicht, so der Bundesminister a. D.

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