Arzneibuch

2. Nachtrag zum Europäischen Arzneibuch

Von Rainer Mohr
Am 1. Mai 2009 trat in Deutschland der 2. Nachtrag der 6. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur. 6.2) in Kraft. Er enthält 21 neue Texte, 53 revidierte Texte (48 Monographien und fünf allgemeine Methoden) sowie 28 korrigierte Monographien.
Seit Anfang Mai 2009 in Kraft Die amtliche deutschsprachige Ausgabe des 2. Nachtrags der 6. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs.

Der 2. Nachtrag der Ph. Eur. ergänzt und aktualisiert das Europäische Arzneibuch und ist im Zusammenhang mit dem Grundwerk und dem 1. Nachtrag zu sehen. Die Übersicht der Änderungen findet sich auf den Seiten IX bis XII; daran schließt sich das Verzeichnis aller Texte der 6. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs an. Bei den neuen Texten handelt es sich um sieben allgemeine Methoden und 14 Monographien (s. Kasten). Seit der 6. Ausgabe darf das Europäische Arzneibuch inklusive Nachträge als CD-ROM-Version anstelle der Print-Version verwendet werden.

Neue Texte

Aus technologischer Sicht interessant sind die neuen allgemeinen Methoden "2.9.32 Bestimmung der Porosität und Porengrößenverteilung von Feststoffen durch Quecksilberporosimetrie", "2.9.34 Schütt- und Stampfdichte von Pulvern" und "2.9.35 Feinheit von Pulvern".

Die Methode 2.9.34 ersetzt zusehends die bisherige Methode "2.9.15 Schütt- und Stampfvolumen", die mit dem Nachtrag 6.4 aus dem Arzneibuch gestrichen wird.

Die folgenden drei neuen Monographien von Drogen bzw. Drogenzubereitungen im 2. Nachtrag können für die öffentliche Apotheke Bedeutung haben: "Eingestellter, gereinigter Trockenextrakt aus frischen Heidelbeeren", "Quantifizierter Johanniskrauttrockenextrakt" und "Spanisches Salbeiöl".

Revisionen von Methoden und Monographien

Die revidierten Texte machen den größten Anteil am Nachtragsband aus. In ihnen sind die geänderten oder neu hinzugefügten Textstellen durch vertikale Linien, gestrichene Textpassagen durch kurze horizontale Balken am Textrand gekennzeichnet. So kann der Anwender schnell ersehen, wo die jeweiligen Texte aktualisiert worden sind.

Nachfolgend wird an einigen Beispielen aufgezeigt, warum und inwiefern bestimmte Monographien und sonstige Texte revidiert wurden.

Allgemeine Methoden

  • 2.9.9 Prüfung der Konsistenz durch Penetrometrie

Die Dimensionen des zur Prüfung von Salben verwendeten Penetrometers und dort speziell des Prüfkörper-Konus (Fragment A in Ph. Eur. Abb. 2.9.9.-2) wurden revidiert, um sie den Spezifikationen des internationalen Standards D217-02 der ASTM (American Society for Testing and Materials) anzupassen.

  • 2.9.23 Bestimmung der Dichte von Feststoffen mit Hilfe von Gaspyknometern

Zur internationalen Harmonisierung wurde diese Methode komplett überarbeitet. Dabei wurde ihr früherer Titel "… von Pyknometern" in "… von Gaspyknometern" präzisiert.

  • 2.9.38 Bestimmung der Partikelgrößenverteilung durch analytisches Sieben

In der Tabelle zur Charakterisierung und zum Vergleich der Maschenweiten der international verwendeten Siebe war in der Kopfzeile der USP-Siebe als Einheit fälschlich die "Mesh-Zahl" angegeben, obwohl es sich um μm-Angaben handelte. Die Einheit wurde nun in "Mikrometer" korrigiert. Monographien

  • Alginsäure
  • Arabisches Gummi
  • Sprühgetrocknetes Arabisches Gummi
  • Calciumcarbonat

Ein Abschnitt "Funktionalitätsbezogene Eigenschaften" wurde aufgenommen, weil diese Hilfsstoffe als Suspensions- und viskositätserhöhende Mittel (Arabisches Gummi), Zerfalls- und/oder Bindemittel sowie als Geliermittel oder viskositätserhöhende Mittel (Alginsäure) bzw. als Füllstoff in Kapseln und Tabletten (Calciumcarbonat) verwendet werden.

  • Birkenblätter
  • Cayennepfeffer
  • Chinarinde
  • Ingwerwurzelstock
  • Teufelskrallenwurzel

Prüfung auf Identität B: Zur leichteren Identifizierung wurde jeweils eine Abbildung der gepulverten Droge ergänzt.

Bei Chinarinde wurden bei der mikroskopischen Beschreibung zusätzlich noch die zu beobachtenden "Anhäufungen dünnwandiger Phloemparenchymzellen" ergänzt.

  • Mikrokristalline Cellulose
  • Cellulosepulver

Im Abschnitt "Funktionalitätsbezogene Eigenschaften" wurden die Charakteristika "Polymerisationsgrad" und "Kristallinität" gestrichen, weil sich in der Literatur kein Einfluss dieser Charakteristika auf die Funktion der beiden Hilfsstoffe als Binde-, Verdünnungs- oder Zerfallsmittel gezeigt hat. Belegt sind bei Mikrokristalliner Cellulose jedoch Effekte der Kristallinität auf die Wasseraufnahme-Eigenschaften, wodurch die chemische Stabilität der endgültigen Arzneiform beeinflusst werden kann. Der Abschnitt enthält nun noch die Charakteristika "Partikelgrößenverteilung" und "Fließverhalten".

  • Glucose-Sirup

Trocknungsverlust: Bei den Arbeitsbedingungen wurde die bisherige Angabe "unter vermindertem Druck" nach "im Hochvakuum" geändert.

  • Johanniskraut

Prüfung auf Identität: Die makroskopische (Identität A) und mikroskopische Beschreibung (Identität B) wurden geändert, indem Angaben zu möglichen Anteilen von Früchten und Samen aufgenommen wurden. Da es sich bei Johanniskraut definitionsgemäß um die "während der Blütezeit geernteten, getrockneten, ganzen oder geschnittenen Triebspitzen von Hypericum perforatum L." handelt und sich am Ende der Blütezeit schon Früchte gebildet haben können, können (teilweise unreife) Früchte und Samen in der Droge gefunden werden.

  • Schweres, basisches Magnesiumcarbonat

Prüfung auf Identität A: Bei der Prüfung wurde bisher das Schüttvolumen nach Methode "2.9.15 Schütt- und Stampfvolumen" bestimmt. Die Prüfung wurde nun durch die Bestimmung der Schütt- und Stampfdichte nach der neuen Methode "2.9.34 Schütt- und Stampfdichte von Pulvern" ersetzt und die Spezifikation entsprechend angepasst (Schüttvolumen bisher "höchstens 60 ml"; Schütt- und Stampfdichte jetzt "mindestens 0,25 g/ml").

Ein Abschnitt "Funktionalitätsbezogene Eigenschaften" wurde aufgenommen, weil Schweres, basisches Magnesiumcarbonat hauptsächlich als Füllstoff bei der Direktverpressung verwendet wird.

  • Methyltestosteron

Die bisherige DC-Prüfung auf Verwandte Substanzen wurde durch eine HPLC-Prüfung ersetzt, die eine verbesserte Kontrolle der Verunreinigungen ermöglicht.

  • Metoclopramid
  • Pseudoephedrinhydrochlorid

Prüfung auf Identität B: Die bisherige Vorschrift (IR-Spektroskopie), zur Probenvorbereitung Presslinge zu verwenden, wurde gestrichen. Dadurch werden auch andere Methoden der Probenvorbereitung ermöglicht, die zunehmend eingesetzt werden.

Verwandte Substanzen: Die relativen Retentionen der spezifizierten Verunreinigungen wurden ergänzt.

  • Natriumhyaluronat

Schwermetalle: Eine Prüfung auf Schwermetalle (höchstens 20 ppm, Grenzprüfung F = nasser Aufschluss) wurde neu aufgenommen, weil die Substanz üblicherweise in Dosierungen > 0,5/Tag, über Zeiträume bis zu 30 Tagen eingenommen wird (vgl. Tab. 1).

Gehaltsbestimmung: Bei dem Verfahren (Kolorimetrische Bestimmung eines mit Carbazol erzeugten Farbstoffs) wurde präzisiert, dass das verwendete Reagens A (Natriumtetraborat R / Schwefelsäure R) vor der Verwendung abgekühlt werden muss.

Zusatzinformation: Die Festlegung eines Schwermetallgrenzwerts in Arzneimitteln richtet sich nach bestimmten Kriterien (Tab. 1).

Die Prüfung 2.4.8 auf Schwermetalle umfasst die Elemente Antimon, Arsen, Bismut, Blei, Cadmium, Gold, Kupfer, Molybdän, Palladium, Platin, Quecksilber, Ruthenium, Silber, Vanadium und Zinn. Prüfungen auf individuelle Metallkatalysatoren werden in eine Monographie aufgenommen, wenn bekannt ist, dass solche Katalysatoren bei der Synthese des Wirk- bzw. Hilfsstoffs verwendet wurden. Ihre Grenzwerte werden dann in Abhängigkeit von der Toxizität, der Art der Applikation und den analytischen Möglichkeiten festgelegt.

Das Arzneibuch

Das amtliche Arzneibuch umfasst

  • das Deutsche Arzneibuch 2008 (DAB 2008) (Loseblattwerk im Ringordner; seit 01.11.2008 in Kraft)
  • die amtliche deutsche Ausgabe der 6. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur.), bestehend aus dem dreibändigen Grundwerk und nunmehr zwei Nachtragsbänden
  • das Homöopathische Arzneibuch 2008 (HAB 2008; Loseblattwerk in 2 Ringordnern; seit 01.10.2008 in Kraft)
  • Raffiniertes Sojaöl

Fettsäurenzusammensetzung: Seit 2005 hat man beobachtet, dass sich die Fettsäurenzusammensetzung von Sojaöl aus einigen Herkunftsquellen so verändert hat, dass der Stearinsäuregehalt unter dem bisher in der Monographie geforderten Grenzwert liegt. Die untersuchten Öle stammen von Raffinerien, die ausschließlich raffiniertes Sojaöl herstellen, also spezialisiert und auf dem Gebiet erfahren sind. Die Änderung der Fettsäurenzusammensetzung ist daher nicht herstellungsbedingt. Sie wird auf klimatische Veränderungen zurückgeführt, die das Inhaltsstoffmuster des Öls beeinflussen. Ähnliches wurde früher bereits bei Mandelöl beobachtet und hat seinerzeit zur Revision der Monographien von nativem und raffiniertem Mandelöl geführt. Der Grenzwert für Stearinsäure wurde daher von bisher "3,0 bis 5,0 Prozent" auf "2,5 bis 5,0 Prozent" geändert.

Wasser: Die bisher für die Coulometrische Titration (2.5.32) vorgeschriebene Probengröße (5,00 g Öl) hat sich als zu hoch herausgestellt. Sie wurde daher auf 1,00 g Öl erniedrigt.

  • Gelbes Vaselin
  • Weißes Vaselin

Eigenschaften: Die bisherige Angabe der Löslichkeit in Dichlormethan wurde von "löslich" in "schwer löslich" geändert.

Prüfung auf Identität B: Der bisher vorgeschriebene Vergleich gegen ein Ph. Eur.-Referenzspektrum wurde durch den Vergleich eines mittels CRS selbst aufgenommenen Referenzspektrums ersetzt.

Prüfung auf Identität C: Die Untersuchung (Färbung nach Zusatz von Iod-Lösung) von Substanzchargen, die alle anderen Anforderungen der Monographie erfüllen, hat ergeben, dass neben der bisher geforderten "Violettrosafärbung" auch eine "Braunfärbung" auftreten kann. Die Vorschrift wurde daher entsprechend geändert ("Die verfestigte obere Schicht ist violettrosa oder braun gefärbt"). Die Färbung wird auf ungesättigte Kohlenwasserstoffe zurückgeführt, die in Vaseline enthalten sein können.

Außer den neuen und revidierten Texten enthält der 2. Nachtragsband des Europäischen Arzneibuchs auch 28 korrigierte (= berichtigte) Texte und 23 Monographien, die – ohne inhaltliche Änderung – nur in den neuen redaktionellen Stil umgewandelt worden sind. In den korrigierten Texten wurden kleinere Fehler beseitigt.

Das Gesamtregister zum Europäischen Arzneibuch (Seiten 5125 bis 5191), das angibt, wo die jeweils aktuelle, das heißt gültige Fassung eines Textes der Ph. Eur. zu finden ist, schließt den Band ab.

 

Literatur

 Comments concerning some revised/corrected texts published in Supplement 6.2. Pharmeuropa 2008;20(1):21– 24. 

 

 

Autor

Dr. Rainer Mohr, Berlin

ramoki@yahoo.com



 

Neue Texte im 2. Nachtrag zur Ph. Eur.

Allgemeiner Teil

2.7.25 Wertbestimmung von Plasmin-Inhibitor vom Menschen

2.7.30 Wertbestimmung von Protein C vom Menschen

2.7.31 Wertbestimmung von Protein S vom Menschen

2.7.32 Wertbestimmung von α-1-Proteinase-Inhibitor vom Menschen

2.9.32 Bestimmung der Porosität und Porengrößenverteilung von Feststoffen durch Quecksilberporosimetrie

2.9.34 Schütt- und Stampfdichte von Pulvern

2.9.35 Feinheit von Pulvern

Monographien

Kokzidiose-Lebend-Impfstoff für Hühner

Altizid

Carprofen für Tiere

Clodronat-Dinatrium-Tetrahydrat

Epinephrin/Adrenalin

Flucloxacillin-Magnesium-Octahydrat

Fluvoxaminmaleat

Heidelbeeren, Eingestellter, gereinigter Trockenextrakt aus frischen

Johanniskrauttrockenextrakt, Quantifizierter

Nilutamid

Proteinase-Inhibitor vom Menschen, α-1-

Racecadotril

Salbeiöl, Spanisches

Telmisartan


 

Tab. 1: Kriterien für die Festlegung eines Schwermetallgrenzwerts in Arzneimitteln
Tägliche 
Aufnahme
Behandlungs-
dauer
Grenzwert
> 0,5 g< 30 Tage20 ppm
> 0,5 g< 30 Tage20 ppm
> 0,5 g> 30 Tage10 ppm
< 0,5 g> 30 Tage10 ppm falls die Substanz 
parenteral eingesetzt wird, 
ansonsten 20 ppm
< 0,5 g< 30 Tage

Neue Texte im 2. Nachtrag zur Ph. Eur.

Allgemeiner Teil
2.7.25 Wertbestimmung von Plasmin-Inhibitor vom Menschen
2.7.30 Wertbestimmung von Protein C vom Menschen
2.7.31 Wertbestimmung von Protein S vom Menschen
2.7.32 Wertbestimmung von α-1-Proteinase-Inhibitor vom Menschen
2.9.32 Bestimmung der Porosität und Porengrößenverteilung von Feststoffen durch Quecksilberporosimetrie
2.9.34 Schütt- und Stampfdichte von Pulvern
2.9.35 Feinheit von Pulvern
Monographien
Kokzidiose-Lebend-Impfstoff für Hühner
Altizid
Carprofen für Tiere
Clodronat-Dinatrium-Tetrahydrat
Epinephrin/Adrenalin
Flucloxacillin-Magnesium-Octahydrat
Fluvoxaminmaleat
Heidelbeeren, Eingestellter, gereinigter Trockenextrakt aus frischen
Johanniskrauttrockenextrakt, Quantifizierter
Nilutamid
Proteinase-Inhibitor vom Menschen, α-1-
Racecadotril
Salbeiöl, Spanisches
Telmisartan

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