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- AZ 39/2009
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DAX: Endziel 6000?
Ein Jahr nach der Lehman-Pleite setzt die Börse wieder auf Erholung. Seit der Chef der US-Notenbank Bernanke letzte Woche offiziell das Ende der Rezession ausgerufen und Investor-Legende Warren Buffet sich als Käufer am Aktienmarkt geoutet hat, kennt der Konjunkturoptimismus scheinbar keine Grenzen mehr. Und wer unter den Analysten schon nicht der Datenlage trauen mag, der vertraut doch wenigstens auf die fehlenden Anlagealternativen und das maßlos billige Geld – freilich nicht ohne auf die kurzfristige Rückschlagsgefahr an den Börsen hinzuweisen. Nur wenige scheinen anderer Meinung. Dazu zählen jene, die dem Gold jenseits der 1000 Dollar-Preisebene zu noch mehr Glanz verholfen haben. Und die Manager von US-Großunternehmen, die derzeit in einem Ausmaß ihre eigenen Aktien verkaufen, das nur noch mit dem Niveau vor Ausbruch der Kreditkrise vergleichbar ist. Innerhalb der letzten vier Monate haben die Top-Manager Aktien im Wert von netto 105 Milliarden Dollar verkauft. Leute, von denen man annimmt, dass sie um das Wohl und Wehe ihres Unternehmens Bescheid wissen. Sie sehen das gegenwärtige Kursniveau offensichtlich nicht mehr als gerechtfertigt an.
Kommende Woche aus der Perspektive der Analysten
Die DZ-Bank warnt zwar vor Rückschlägen, glaubt aber an die vorhandene Liquidität und die fortschreitende Konjunkturerholung und rät daher bei Rückschlägen zum Einstieg. Analysten der Landesbank Berlin sind zwar kurzfristig positiv gestimmt, sehen aber in der 6000er-Marke einen massiven Widerstand auf den DAX zukommen und vermuten spätestens an diesem Punkt eine schärfere Korrektur. Ganz gut bringt es auch ein Experte der Landesbank Baden-Württemberg auf den Punkt: Fundamentale Gründe gäbe es zwar keine, aber "ein paar Pünktchen" seien für den DAX noch drin.
Die Hessische Landesbank führt in Ermangelung handfester Argumente ebenfalls technische Faktoren für einen weiteren Kursanstieg ins Feld. Viele Investoren hätten auf fallende Kurse gesetzt und müssten sich jetzt wieder mit Aktien eindecken. Kurzfristig positiv, mittelfristig eher vorsichtig, weil der Markt das zukünftige Gewinnwachstum und eine wirtschaftliche Erholung bereits eingepreist habe, so lautet offensichtlich der Tenor der Experten. "Nicht unbedingt", meint dazu die amerikanische Wells Fargo und JP Morgan. Es gäbe keinen Grund dafür, dass die Börsenentwicklung stoppt, nur weil sich die Aktien einer fairen Bewertung näherten". Eine extreme Position vertritt Robert Pechter, der Star unter den technischen Analysten. Gemäß seiner Vorhersage stehen die Märkte vor einem Absturz bis zu 60 Prozent und einem Test der alten Tiefstände.
Musterdepot und Strategie
Nach dem jüngsten Run bei Adidas bietet sich hier der Put der Citigroup (CG74HM) an. Der Schein mit Basis 36 Euro liegt genau auf der Höhe des jetzigen Kursgeschehens, wobei die Laufzeit recht komfortabel bis Dezember gewählt ist. Bei Bayer scheint ebenfalls die Luft draußen zu sein. Der Put-Schein der Deutsche Bank (DB68DS) läuft ebenfalls bis Dezember und die Basis von 48 Euro liegt als Bezugspreis sogar leicht über dem aktuellen Geschehen. Insoweit sind beide Scheine verhältnismäßig "zahm".
DAX am 17. September (14.15 h): 5726 Punkte.
Aktie |
zum Kurs |
Tipp vom |
Kurs aktuell |
Veränderung in % |
Strategie |
Metro Put 09/09
WKN: DB94LX
|
0,18 |
28.05. |
0,01 |
Verlust |
ausgebucht |
Deutsche Bank 09/09
WKN: CB43VU
|
0,28 |
25.06. |
0,01 |
Verlust |
ausgebucht |
RWE Put 09/09
WKN: CG0ZTP
|
0,20 |
16.07. |
0,01 |
Verlust |
ausgebucht |
SAP Put 10/09
WKN: CG5NWL
|
0,11 |
02.09. |
0,08 |
– 27% |
Halten |
BMW Put 11/09
WKN: CG5RWU
|
0,19 |
09.09. |
0,19 |
+/- 0% |
Kaufen |
Bayer Put 12/09
WKN: DB68DS
|
0,30 |
17.09. |
neu |
Kaufen |
|
Adidas Put 11/09
WKN CG74HM
|
0,21 |
17.09. |
neu |
Kaufen |
|
zum Vergleich: DAX seit 8. 1. |
4871,00 |
5726,00 |
+ 17% |
Aus der Sicht des QuerdenkersWenn Experten zwar vor Rückschlägen warnen, gleichzeitig aber zum Rückkauf von Aktien auf ermäßigtem Niveau raten, liegt es auf der Hand, dass es erst gar nicht zu einem größeren Rückschlag kommen kann. Die institutionellen Anleger halten das Räderwerk der Börse am Laufen. So ist zu beobachten, wie nun die Liquidität denjenigen Werten zugeführt wird, die bislang an dem Aufschwung kaum teilgenommen haben oder an charttechnischen Hürden hängen geblieben waren.
Beispiel Adidas: Seit Anfang August scheiterte der Wert immer wieder bei 33,50 Euro. Eine unüberbrückbare Hürde, wie es schien. Als der Wert letzte Woche wieder an dieser Barriere zu scheitern drohte, half Morgan Stanley mit einer Kaufempfehlung nach und Adidas schloss mit einem Tagesgewinn von rund sieben Prozent zu den anderen DAX-Werten auf. Oder man "entdeckt" plötzlich Kali + Salz – eine Aktie, an der man eigentlich gar keinen Gefallen finden dürfte. Ein verhaltener Ausblick der Unternehmensleitung und Kurzarbeit bis ins Jahr 2010 – damit erschöpft sich die Nachrichtenlage des Unternehmens. Dennoch konnte das Papier einen Anstieg von gut acht Prozent binnen zwei Tagen verbuchen. Die gleiche Vorgehensweise werden wir bald bei Daimler, Salzgitter, Deutsche Bank, Allianz und ThyssenKrupp beobachten können. Alles Werte, die noch charttechnische Widerstände überwinden müssen, um mit dem DAX gleichzuziehen. Die Analysten werden hier sicher, wie aus dem Zylinder gezaubert, positive Argumente finden, um die Werte über die kritische Schwelle zu hieven. Die Begründungen sind natürlich Mumpitz, an den Haaren herbeigezogen, um die jeweilige Empfehlung irgendwie rechtfertigen zu können. Maßgeblich für den Kursanstieg ist einzig die Liquidität, die den Geldinstituten derzeit von den Notenbanken fast zum Nulltarif zur Verfügung gestellt wird. Sie drängt aufs Parkett, weil Anleihen und Geldmarktfonds derzeit keine Alternative sind. Und dabei dürfen sich die Spieler sicher sein, dass keine Zinserhöhung droht, solange die Realwirtschaft nicht sicher auf den Beinen steht. Dabei wird der Eindruck vermittelt, es handele sich um ein Spiel ohne Grenzen.
Dennoch kennt auch dieses Spiel Spaßbremsen. So laufen beispielsweise schon im November in den USA zahlreiche staatliche Stützungsmaßnahmen aus. An eine Neuauflage dürfte nicht zu denken sein, dafür ist die Schuldenlast zu bedrohlich, Regierung und Notenbank drängt es zum Ausgang. Aber was leistet die Wirtschaft tatsächlich noch ohne staatliche Unterstützung? Mit der Wahrheit müssen nun auch die Unternehmen ans Licht. Das dritte Quartal neigt sich dem Ende zu und die ein oder andere Vorabankündigung wird zeigen, ob die Erwartungen, die sich in dem hohen Kursniveau widerspiegeln, gerechtfertigt sind. Und noch mehr wird es dabei um die Frage gehen, ob es – mit
Blick nach vorne – in diesem Tempo weitergehen kann. Klar ist indes:
Wackeln erst einmal die Zukunftsperspektiven, dürfte am Parkett das ganze Kartenhaus zusammenbrechen. Doch zuerst werden die Institutionellen den DAX mit den Nachzüglern noch ein paar Punkte nach oben treiben – und dann das Geld vom Tisch nehmen.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.
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