Arzneimittel und Therapie

Klinische Relevanz einer Aspirinresistenz

Acetylsalicylsäure senkt nur bei einem Teil der behandelten Patienten das kardiovaskuläre Risiko und Non-Responder weisen im Vergleich zu Respondern ein rund vierfach erhöhtes Risiko auf. Diese Ergebnisse einer jüngst publizierten Metaanalyse könnten sich auf Diagnostik, Therapie und Bewertung alter Studien auswirken. Zum jetzigen Zeitpunkt empfehlen die Verfasser der Studie, dass alle Patienten mit kardiovaskulärem Risiko unbedingt ihre Therapie mit Acetylsalicylsäure weiterführen sollten. Sie sollten aber über ein mögliches Nichtansprechen informiert werden.

Acetylsalicylsäure senkt bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen das Risiko für Myokardinfarkte, Schlaganfälle und vaskulär bedingte Todesfälle. Allerdings tritt dieser Benefit nur bei einem Teil der Behandelten auf, der andere Teil erfährt keinen Nutzen von der Therapie. Die Ursachen dieses als Aspirinresistenz bezeichneten Phänomens sind unklar; diskutiert werden genetische Dispositionen, pharmakokinetische Besonderheiten, eine zu geringe Dosis an Acetylsalicylsäure (ASS) und mangelnde Compliance. Ebenfalls unklar ist, ob und wie sich die Aspirinresistenz auf die kardiovaskuläre Morbidität auswirkt. Kanadische Wissenschaftler haben nun versucht, mithilfe einer Metaanalyse die Folgen einer unwirksamen Therapie mit Acetylsalicylsäure einzuschätzen.

Aspirinresistenz

Das Phänomen einer Resistenz gegen Acetylsalicylsäure wird seit mehr als 20 Jahren diskutiert. Noch immer sind die zugrunde liegenden Mechanismen unzulänglich bekannt und noch immer steht ein zuverlässiger und validierter Test zur direkten Messung dieser Resistenz aus. Den jüngsten Vorstellungen zufolge ist die fehlende Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure unabhängig vom Cyclooxygenase-Pathway und der Thromboxan-Hemmung. Man vermutet vielmehr, dass Einflüsse auf die Lipoxygenase-abhängige 12-Hydroxyeicosatetraensäure-Synthese, auf die Integrinexpression und auf die Plättchenadhäsion eine Rolle spielen.

Die Verfasser der Studie halten den Terminus Aspirinresistenz für unpassend und schlagen den Begriff Aspirin-non-Responsiveness vor.

Metaanalyse von 20 Studien

Zur Auswertung kamen 20 Studien, in denen die Probanden aufgrund einer kardiovaskulären Erkrankung langfristig ASS in einer Dosis von 75 mg/d bis 325 mg/d zur antithrombotischen Therapie eingenommen hatten und aus denen hervorging, ob die Patienten Aspirin-sensitiv oder Aspirin-resistent waren. Letzteres wurde mithilfe unterschiedlicher Plättchenfunktions-Tests ermittelt. Ferner mussten aus den Studien das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse und die Compliance hervorgehen. Für die Metaanalyse standen die Daten von 2930 Patienten zur Verfügung. Von diesen wurden 810 (28%) als resistent gegen ASS eingestuft. Die Aspirinresistenz betraf etwas häufiger Frauen als Männer und trat vermehrt bei Patienten mit Nierenschäden auf. Ansonsten wurden zwischen Aspirinrespondern und Nicht-Respondern keine demographischen oder klinischen Unterschiede festgestellt. Die Unterschiede zeigten sich hingegen bei dem kardiovaskulären Outcome:

  • 39% der Aspirin-resistenten Patienten erfuhren ein kardiovaskuläres Ereignis, verglichen mit 16% der Probanden, die auf eine Therapie mit Aspirin ansprachen. Die Aspirinresistenz ging mit einem um den Faktor 3,85 (95% Konfidenzintervall 3,08 bis 4,80; p < 0,001) erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einher.
  • Das Risiko eines akuten Koronarsyndroms war um den Faktor 4,06 (95% Konfidenzintervall 2,96 bis 5,56; p < 0,001), das Risiko für ein cerebrovaskuläres Ereignis um den Faktor 3,78 (95% Konfidenzintervall 1,25 bis 11,41; p < 0,02) und das Sterberisiko um den Faktor 5,99 (95% Konfidenzintervall 2,28 bis 15,72; p < 0,003) erhöht.
  • Patienten mit einer Aspirinresistenz profitierten auch nicht von zusätzlichen antithrombotischen Therapien mit Clopidogrel oder Tirofiban.

Wie misst man eine ASS-Resistenz?

Es gibt kein einheitliches Verfahren, um das Ansprechen auf die Einnahme von Acetylsalicylsäure zu bestimmen. Eine Thrombozytenaktivierung und -aggregation als Maß für die Thrombozytenfunktion kann mit verschiedenen Methoden bestimmt werden. Die gebräuchlichen In-vitro-Tests können in Methoden eingeteilt werden, welche die Fähigkeit von Aspirin, die TXA2-Synthese zu supprimieren, messen, und Tests, welche spezifisch verschiedene Phasen der Thrombozytenfunktion messen, wie beispielsweise Thrombozytenadhäsion, Thrombozytenaktivierung oder Thrombozytenaggregation.

  • optische Thrombozytenaggregation Ultegra-RPFA-ASA-Test (Rapid Platelet Function Assay-ASA)
  • Thrombozytenfunktionstest PFA-100 (Platelet Function Analyser 100)
  • Messung des 11-Dehydro-Thromboxan-B2 in Serum oder Urin

Mögliche Konsequenzen

Über ein Viertel aller Patienten, die mit Acetylsalicylsäure behandelt werden, um das kardiovaskuläre Risiko zu senken, sprechen nicht auf die Therapie an. Welche Konsequenzen hat diese Aussage? Möglicherweise müssen Studien, in denen Aspirin als Aggregationshemmer eingesetzt wurde, neu bewertet werden. Berücksichtigt man die Aspirin-resistenten Probanden und schließt diese aus der Analyse aus, wird die durch Acetylsalicylsäure erzielte kardiovaskuläre Risikoreduktion noch effektiver. Studien, in denen neue Thrombozytenaggregationshemmer mit Acetylsalicylsäure verglichen wurden, könnten nach Ausschluss Aspirin-resistenter Probanden ebenfalls zu anderen Ergebnissen führen.

Gegenwärtige Empfehlungen

Die Verfasser der Studie ziehen folgendes Resümee:

  • Patienten mit kardiovaskulärem Risiko sollten unbedingt ihre Therapie mit Acetylsalicylsäure weiterführen. Der Patient sollte aber über ein mögliches Nichtansprechen der Behandlung informiert werden. Eine einfache Rechnung – eine 25%ige Senkung des kardiovaskulären Risikos bei der Gesamtheit der behandelten Patienten versus das rund vierfach erhöhte Risiko bei Non-Resondern, die etwa 16 bis 30% der Population ausmachen – spricht noch immer für einen Benefit der Acetylsalicylsäure-Gabe.
  • Die Validierung eines Tests zur Erfassung der Non-Responder steht noch aus.
  • Für Non-Responder müssen alternative Therapien gesucht werden.

 

Quelle

Krasopoulos G., et al.: Aspirin "resistance" and risk of cardiovascular morbidity: systematic review and meta-analysis. BMJ online, 20. Januar 2008.

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

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