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Wie viel Pflicht soll es sein?

Es ist ein altes Problem, mit dem sich die Apotheker immer wieder neu beschäftigen: Soll ein klar bestimmtes Maß an Fortbildung – beispielsweise das Pensum für ein Fortbildungszertifikat der Kammer – für Apotheker zur Verpflichtung gemacht werden? Soll die Installation eines QMS für Apotheken verpflichtend sein? – Über ähnliche Themen ist auch schon bei vielen Apothekertagen diskutiert worden, besonders in der Variante der Weiterbildungspflicht für Apothekenleiter. Beschlossen wurden solche Verpflichtungen nie, denn der Vorwurf der Überregulierung wiegt schwer. Das berührt die Frage, was eine Selbstverwaltung im Interesse ihrer Mitglieder überhaupt vorschreiben darf oder soll. Seit einigen Monaten wurde es wieder einmal lauter um das Thema, weil bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe darüber diskutiert wurde, die Pflichtfortbildung und ein Pflicht-Qualitätsmanagament für den pharmazeutischen Kernbereich in der Berufsordnung festzuschreiben. Daraufhin wurden solche Vorschläge auch in anderen Kammerbezirken vorgebracht. Auf ihrer jüngsten Sitzung hat die Kammerversammlung in Westfalen-Lippe nun ein Qualitätsbekenntnis beschlossen und damit eine neue Lösung für das alte Problem in die bundesweite Diskussion eingebracht. In dem Qualitätsbekenntnis wird ausdrücklich auf das Fortbildungszertifikat und ein pharmazeutisches Qualitätssicherungssystem verwiesen.

Diese neue Variante erscheint als aussichtsreicher Kompromiss für ein heikles Dilemma: Steigende Qualitätsanforderungen der Öffentlichkeit, publikumswirksame Apothekentests, diverse berufspolitische Baustellen und interessengesteuerte Angriffe von verschiedensten Seiten erfordern neue Antworten und immer wieder neue Anstrengungen. Die Zeit des grenzenlosen Vertrauens in den weißen Kittel hatte ihren Charme und ihre Vorteile, auch für viele Patienten – doch sie ist Vergangenheit. Wenn aber neue Regelungen nötig sind, dürften Vorgaben der eigenen Kammer einem freien Beruf besser anstehen und auch inhaltlich angemessener sein als gesetzliche Vorschriften. Andererseits können Apotheker von ihrer Selbstverwaltung erwarten, dass sie gerade in schweren Zeiten keine zusätzlichen bürokratischen Hürden für die eigenen Mitglieder errichtet. Ein Qualitätsbekenntnis mit einer klaren Definition der qualitätssichernden Maßnahmen scheint da eine gute Lösung zu sein, die der Verantwortung eines freien Berufes gerecht wird. Das inhaltliche Ziel dürfte so auch ohne neue Vorschriften zu erreichen sein. Denn wer würde schon gegen ein Bekenntnis zur Qualität verstoßen wollen, dessen Inhalte von der Kammer konkretisiert werden? Zugleich erübrigen sich dabei kleinliche Sonderregelungen für Vertretungskräfte und andere bürokratische Auswüchse.

Gemeinsam mit dem Qualitätsbekenntnis wurden in Westfalen-Lippe Bedingungen für ein pharmazeutisches Basismodul zum Qualitätsmanagement definiert. Damit gibt es erstmals ein legitimiertes Konzept für ein "QM(S) light" in Apotheken. Die Beschreibung der wichtigsten pharmazeutischen Prozesse ist natürlich noch kein "richtiges" zertifizierungsreifes QMS und soll dies auch nicht sein. Doch das Modul beschreibt, welche Aspekte der Qualitätssicherung als angemessene Basis zu betrachten sind. Außerdem bietet es eine gut überwindbare erste Hürde für den Einstieg ins Qualitätsmanagement und macht dabei hoffentlich Appetit auf mehr. Denn das eigene Erleben bietet die größte Chance, die noch immer verbreiteten Vorurteile gegen das Qualitätsmanagement abzubauen.

Ähnlich wie das Qualitätsmanagement sollte auch die Fortbildung wirklich für alle praktikabel sein. Die für Westfalen-Lippe angekündigten vermehrten dezentralen Angebote und E-Learning-Konzepte weisen in die richtige Richtung. Auch hier müssen die Inhalte wichtiger sein als bürokratisches Punktesammeln in vorgegebenen Kategorien.

In seiner Form ist das Qualitätsbekenntnis aus Westfalen-Lippe ein Vorschlag für eine vergleichsweise unbürokratische Lösung eines drängenden Problems und eine maßvolle Alternative zu belastenden Zwängen. Ob es auch neue Regelungen des Gesetzgebers oder der Vertragspartner erübrigen kann, muss die Zukunft zeigen. Wenn sich dieser Weg bewährt, könnte er zum Vorbild werden – für andere Bundesländer und für andere Heilberufe in ähnlicher Lage. Im Interesse praktikabler Lösungen und kollegialer Umgangsformen ist auf einen guten Erfolg zu hoffen.


Thomas Müller-Bohn

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