Arzneimittel und Therapie

Wie sollte Bluthochdruck heute behandelt werden?

Die Diskussion um eine geeignete antihypertensive Therapie wird zunehmend von politischen und ökonomischen Faktoren geprägt. Die primären Ziele – eine effektive Blutdrucksenkung und eine zuverlässige Patientencompliance – geraten dabei oft ins Hintertreffen. Therapieentscheidungen, die diese Aspekte nicht berücksichtigen, erscheinen fragwürdig und werden kaum zum gewünschten dauerhaften Erfolg führen.
Angriffsorte von Antihypertonika Meist wird der Zielblutdruckwert nur durch eine Kombination unterschiedlich angreifender Medikamente erreicht. Mittel der ersten Wahl sind derzeit Betablocker, ACE-Hemmer, AT1-Blocker, Diuretika und Calciumantagonisten. Gelingt es nicht mit Zweierkombinationen den Zielblutdruck zu erreichen, dann müssen - möglichst synergistische - Kombinationen von drei oder mehreren Wirkstoffen eingesetzt werden. (NA = Noradrenalin, HZV = Herzzeitvolumen)
[Quelle: Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart (2008).]

Prof. Dr. Hermann Haller von der medizinischen Hochschule Hannover betonte beim Fortbildungskongress der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, dass vor dem Beginn einer antihypertensiven Therapie eine zuverlässige und korrekte Diagnose stehen muss, da bei einer gesicherten Hypertonie wahrscheinlich eine lebenslange medikamentöse Behandlung erforderlich sein wird. Die Diagnose erfolgt aufgrund mehrerer, nicht vom Arzt durchgeführter Messungen an verschiedenen Tagen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Am besten eignet sich eine 24-stündige Dauermessung. Bei welchen Werten eine Therapie erfolgen sollte, hängt von der Risikostratifizierung ab. So kann bei einem ansonsten gesunden Menschen ein Wert von 140/90 mmHg noch toleriert werden, kommen aber Risikofaktoren, Endorganschäden, klinisch manifeste kardiovaskuläre Erkrankungen oder ein Diabetes hinzu, müssen wesentlich tiefere Werte angestrebt werden. Bei Patienten mit Nierenerkrankungen sollte der Wert unter 125/75 mmHg, bei Diabetikern unter 130/80 mmHg liegen.

Antihypertensivum individuell auswählen

Das Ziel einer antihypertensiven Therapie ist die effektive und nebenwirkungsarme Senkung des Blutdrucks. Wie dieses Ziel erreicht wird, ist sekundär oder mit den Worten Hallers ausgedrückt "entscheidend ist nicht die Verordnung eines Medikamentes, sondern das Erreichen eines bestimmten Zielwertes". Da der Benefit einer Blutdrucksenkung im Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse weitgehend unabhängig von den verwendeten Medikamenten ist, kann und muss die individuelle Situation des Patienten berücksichtigt werden. Das heißt, neben möglichen Komorbiditäten sind das kardiovaskuläre Risikoprofil des Patienten, manifeste Endorganschäden, Interaktionen und frühere Erfahrungen des Patienten mit einer antihypertensiven Therapie zu berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, ob eine rasche Blutdrucksenkung gewünscht wird, was bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko der Fall ist.

Zur Pharmakotherapie stehen Wirkstoffe aus fünf Hauptklassen zur Verfügung:

  • Thiaziddiuretika
  • Betablocker
  • Calciumantagonisten
  • ACE-Hemmer
  • Angiotensin-Rezeptorenblocker.

Meist wird der Zielblutdruckwert nur durch eine Kombination unterschiedlich angreifender Medikamente erreicht; eine Monotherapie führt lediglich bei etwa einem Drittel der Patienten zum gewünschten Erfolg. In der Regel müssen zwei bis drei Wirkstoffe miteinander kombiniert werden. Auch bei den Kombinationsmöglichkeiten gibt es einen großen Spielraum, wenn auch gewisse Einschränkungen zu beachten sind. So sollten etwa Diabetiker oder Patienten mit einem metabolischen Syndrom keine Kombination aus Betablockern und Diuretika erhalten. Betablocker sind wiederum geeignet bei Patienten, die an einer koronaren Herzkrankheit, einer Herzinsuffizienz oder unter Herzrhythmusstörungen leiden. Calciumantagonisten werden bevorzugt bei Vorliegen einer stabilen Angina pectoris und ACE-Inhibitoren bei einer diabetischen Nephropathie oder nach einem Herzinfarkt eingesetzt. Durch eine überlegte Auswahl können auch andere Erkrankungen positiv beeinflusst werden, so etwa durch die Hinzunahme eines Alpha-1-Blockers bei Patienten mit einer benignen Prostatahyperplasie.

Compliance beachten

Das Problem der mangelnden Compliance ist in der antihypertensiven Therapie besonders groß. So haben Untersuchungen gezeigt, dass nach sechs Monaten 20% der Hypertoniker ihre Medikamente nicht mehr einnahmen. Nach drei Jahren waren es bereits 50% und nach neun Jahren mehr als 80%. Daher ist die Auswahl einer an den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepassten Therapie besonders wichtig, auch wenn die Therapiekosten dadurch steigen. Denn, so Hammer, die Folgekosten eines Schlaganfalls stehen in keiner Relation zu einer etwas teureren antihypertensiven Therapie, mit der ein Schlaganfall verhindert werden kann. Bei der Diskussion um ökonomische Aspekte dürfen nicht nur die direkten Kosten berücksichtigt werden; in die Überlegungen müssen auch die Folgekosten einer nicht erfolgten Medikamenteneinnahme einfließen.


Quelle

Prof. Dr. Hermann Haller, Medizinische Hochschule Hannover: 31. Fortbildungskongress der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, 22. November 2008, Heidelberg.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Faktoren zur Auswahl eines Antihypertonikums


  • frühere Erfahrungen des Patienten mit einem Antihypertensivum
  • kardiovaskuläres Risikoprofil des Patienten
  • vorhandene Endorganschäden, bereits manifeste kardiovaskuläre oder renale Erkrankungen oder ein Diabetes mellitus
  • Zweiterkrankungen, die durch ein bestimmtes Antihypertensivum günstig beeinflusst werden
  • Beschwerden, die durch ein bestimmtes Antihypertensivum verstärkt werden können (etwa chronische Kopfschmerzen durch Dihydropyridine)
  • mögliche Interaktionen
  • Kosten der Therapie, wobei der ökonomische Aspekt nicht im Vordergrund stehen sollte

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