- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 45/2008
- Veränderungen kommen ...
DAZ aktuell
Veränderungen kommen sicher, aber langsam
Schon heute hätten Apotheken den erhöhten Wettbewerbsdruck erkannt. Jörg Wieczorek vom Arzneimittelhersteller Hermes zitierte eine Sempora-Studie, nach der 93 Prozent der 103 befragten Apotheker ihre Marketingmaßnahmen verstärkt und 61 Prozent ein Kundenbindungsprogramm eingeführt hätten.
Leidensdruck noch nicht stark genug
Die Übernahme der Mehrheit an der niederländischen Versandapotheke Europa Apotheek Venlo durch den US-Konzern Medco gilt unter Branchenbeobachtern als Indiz, dass der deutsche Apothekenmarkt demnächst aufgebrochen werden könnte. Doch so schnell werden sich die Marktverhältnisse in Deutschland nicht verändern, stellte Klaus Gritschneder, Mitgründer der Europa Apotheek Venlo, auf der Konferenz fest: "Amerikanische Verhältnisse lassen sich nicht so einfach auf Europa übertragen." Der Jurist und Pharmaexperte Peter Homberg bemerkte: "Es wird noch zwei bis drei Jahre dauern, bis sich der hiesige Markt stark bewegen wird." Dann aber würden sicher einige Unternehmer Ketten aufbauen, um am Markt mithalten zu können, wenn denn der Europäische Gerichtshof grünes Licht für den Fremdbesitz gegeben hat.
Junge Pharmazeuten würden es allerdings schwer haben, mit einer eigenen Apotheke an den Markt zu gehen. Frank Füßl, Apotheker und Inhaber der Metropolitan Pharmacy, verteidigte die Einzelapotheke: "Ich werde versuchen, so lange wie möglich die Inhaberschaft an meiner Apotheke zu halten." Viele Apothekerinnen und Apotheker sehen das ähnlich: "Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug, niemand stellt sich gern in den Schatten einer Marke." Die inhabergeführte Apotheke habe eine Chance, allerdings seien Standort und qualifiziertes Personal entscheidend. "Hier wird ein Kampf um Köpfe entbrennen", so Füßl.
Zukunft der Versandapotheke
Klaus Gritschneder erläuterte das Kooperationsmodell zwischen Europa Apotheek Venlo und dem Drogeriemarkt dm: Über Pick-up-Stellen in dm-Filialen könnten Kunden ihre Bestellung in Auftrag geben und abholen. Seit dem Start 2004 seien in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin 208 Pick-up-Stellen, sogenannte Pharma-Punkte, eröffnet worden. Nächstes Jahr gehe es weiter mit der Expansion, 900 Filialen sind Gritschneders Ziel. Ein Pharma-Punkt könne aber keine Apotheke ersetzen und wolle es auch nicht. "Wir betrachten uns sogar als Alternative zum klassischen Versandhandel, weil wir eine andere Zielgruppe ansprechen: Während sich der chronisch Kranke über 70 seine Medikamente nach Hause liefern lässt, bedienen wir den klassischen dm-Kunden." Zum Beispiel die 30-jährige Mutter, die in der Drogerie zugleich Babynahrung kaufe. "Eigentlich ist unser Konzept unspektakulär, und ich kenne keine Gründe, warum man sich darüber aufregen sollte." Die nannte dafür Otto Späth, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Apotheker (BVDA): "Der Versandhandel gefährdet die Arzneimittelsicherheit und gehört verboten." Die Arzneimittelvertriebswege seien zu unübersichtlich, und durch falsche Lagerung könnte es zu Verwechslungen kommen. Späth plädierte für ein Verbot des Bestell- und Abholservices außerhalb von Apotheken und für eine bessere Aufklärung zum Beispiel über Produktpiraterie im Internet.
"Deutsche zugelassene Versandapotheken sind sichere Versandapotheken", hielt Christian Buse, Geschäftsführer der Versandapotheke myCare, dagegen: Das Gütesiegel "Sichere Versandapotheke" biete dem Verbraucher Hilfe bei der Identifizierung einer vertrauenswürdigen Versandapotheke. "Das in Deutschland geltende Gesetz für Versandapotheken erfüllt bereits die europäischen Forderungen des Ministerkomitees des Europarates." Am Gesamtumsatz deutscher Apotheken von 38,1 Milliarden Euro (2007) hält der Versandhandel einen Anteil von circa vier Prozent, wie Buse ausführte. Zwei Millionen Kunden kauften ihre Medikamente mittlerweile bei Versandapotheken – "und die Tendenz steigt." Aufklärung in der Arzneimittelsicherheit werde nur durch umfassende Patienteninformationen gelöst. Er schlug daher eine Versandapotheken-Liste unter der Hoheit der Länder vor.
Medikamente im Discount
Auf zwei Handelsschienen beruht das Markenapothekenkonzept der easyApotheke, nach eigenen Angaben die erste deutsche Discountapotheke. Wie Matthias Diessel, Head of Business Development, zeigte, hält die Zentrale, die easyHolding in Hildesheim, die Marken- und Systemrechte und ist verantwortlich ist für die Entwicklung des easyApotheken-Systems. Die easyApotheken laufen als selbstständige Unternehmen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Sie mieten die Räumlichkeiten, kaufen ihr Warenlager, stellen die Mitarbeiter ein und sind verantwortlich für den wirtschaftlichen Erfolg der Apotheke. Lediglich die Einrichtung wird über die easyHolding eingekauft. "Wir verdienen auch am Ladenbau", räumte Diessel ein. Eine Preisreduktion von fünf bis zehn Prozent unter UVP ist für die easyApotheken verpflichtend. "Weitere Preissenkungen gibt es je nach Marktumfeld und Strategie." Der Kunde soll in einer easyApotheke sowohl Drogerie- als auch apothekenexklusive Ware erhalten, "wie in einem Gesundheitssupermarkt". Lange Schlangen inklusive: "Wenn es sich an einer Kasse mal etwas staut, begrüßen wir das. Kein Club ist spannend, vor dessen Tür nicht eine Schlange von Menschen steht." Für das Supermarkt-Gefühl sorgen auch der einheitliche Markenauftritt und das gleiche Ladenbau-Design aller easy-Apotheken, die große Freiwahl, die Einkaufskörbe an der Eingangstür und gute Parkmöglichkeiten. Verzichtet wird auf apothekentypische Zugaben wie Taschentücher, ebenso auf Kundenzeitschriften und Kundenkarten. "Das erwarten unsere Kunden aber auch nicht." Bis Ende 2009 will die Holding das Netz der easyApotheken auf 100 Niederlassungen ausgeweitet haben. "Wir sind aber keine Kette und wollen keine Kette werden", so Diessel.
Mit DocMorris gestalten
"Es kommt gewaltig etwas auf den Apothekenmarkt zu" – davon ist Olaf Heinrich von der Versandapotheke DocMorris überzeugt. Er sieht dabei die Apotheken, die sich unter das DocMorris-Etikett begeben haben, bereits gut aufgestellt: "Die Marke DocMorris ist ein Wettbewerbsvorteil." Mit der Umfirmierung einer bestehenden Apotheke zur DocMorris-Apotheke steige die Kundenfrequenz um etwa 200 Prozent. "Wir wollen mit DocMorris den deutschen Apothekenmarkt gestalten", ließ Heinrich selbstbewusst wissen, "wir wollen Ketten aufbauen." Die Verpflichtung der Zwillinge Folke und Gyde für DocMorris, die ehemals für die Ratiopharm-Kampagne warben und Preisbewusstsein in den Köpfen der Verbraucher verankerten, nutze man erfolgreich für den DocMorris-Auftritt. Sie trügen dazu bei, die Markenbekanntschaft zu steigern. Parallel zum Ausbau des Franchisesystems wolle man allerdings auch den Versandhandel ausbauen.
Rezeptsammelstelle in der Apotheke
Inspiriert von den Kundendiskussionen über billige Hollandpreise bei Arzneimitteln kam die Apothekerfamilie Winterfeld, die in Hückeswagen, Wermelskirchen, Leichlingen und Burscheid insgesamt sechs Apotheken besitzt, auf die Idee, eine Rezeptsammelstelle für eine niederländische Versandapotheke (Montanus-Apotheke Vorteil24) in den eigenen Apothekenräumen einzurichten. Der Clou dabei: Auch diese niederländische Apotheke im niederländischen Dinxperlo gehört zur Familie Winterfeld. Dr. Andreas Winterfeld gründete sie im Frühjahr 2008, damit auch die Kunden der inhabergeführten deutschen Apotheke in den Genuss der günstigen Arzneimittelpreise des benachbarten Auslandes kommen können: "Wir bieten Preise auf dem Niveau des europäischen Versandhandels", so Winterfeld. Kunden, die eine der deutschen Winterfeld-Apotheken aufsuchen und ein Arzneimittel über die niederländische Montanus-Apotheke Vorteil24 bestellen, erhalten einen Preisnachlass, müssen allerdings 24 Stunden auf das Medikament warten. Da das Arzneimittel von der niederländischen Apotheke geliefert wird, wird die deutsche Arzneimittelpreisverordnung außer Kraft gesetzt: es können Rabatte auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gegeben werden.
AOK-Rabattverträge: "1. März wird eng"
Mit Blick auf die laufenden AOK-Rabattvertragsverhandlungen sagte Verhandlungsführer Dr. Christopher Hermann auf der Konferenz: "Wir haben alles aufgearbeitet, was im letzten Verfahren gegen uns verwendet wurde." 114 Hersteller hätten sich an der aktuellen Ausschreibung über 64 Wirkstoffe beteiligt. Am 3. November ist die Angebotsfrist für die Hersteller abgelaufen. Bis Ende November will die AOK alle Angebote ausgewertet und die Hersteller informiert haben. Danach gehe es in die rechtlichen Auseinandersetzungen. "Die sind so sicher wie das Amen in der Kirche", so der Vorstandsvize der AOK-Baden-Württemberg. Die Entscheidung der Vergabekammer erwartet er für Januar, "oder mit viel Glück noch vor Weihnachten". Den termingerechten Start der Verträge am 1. März 2009 stellte Hermann in Frage: "Das wird sehr eng."
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.