DAZ aktuell

Unabhängige Informationen ohne Werbung für Patienten

Statement der DPhG gegen die Initiative der Europäischen Kommission, das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente zu lockern.

Wenn es nach dem Willen der Europäischen Kommission geht, darf die pharmazeutische Industrie bald selbst Patienten über ihre verschreibungspflichtigen Medikamente "informieren". Eine "Werbung" außerhalb der Fachkreise soll aber wie bisher für rezeptpflichtige Medikamente verboten sein. Da die Grenze zwischen sachlicher Information und Werbung fließend ist und die Hersteller von Medikamenten als Wirtschaftsunternehmen primär an ihre Umsätze denken müssen, lehnt die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. (DPhG) die Initiative der Europäischen Kommission ab. Die Patienten sollten Informationen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten weiterhin nur von den Fachkreisen erhalten dürfen.

Die Europäische Kommission will noch in diesem Jahr einen Gesetzesantrag einreichen, um es der pharmazeutischen Industrie zu ermöglichen, Patienten direkt über Zeitschriften oder das Internet mit Informationen über verschreibungspflichtige Medikamente zu versorgen. Bislang ist dies der Pharmaindustrie untersagt, denn nach Artikel 86 Abs. 1 der europäischen Richtlinie 2001/83/EG zu Arzneimittel-Patienteninformationen gelten als "Werbung für Arzneimittel" alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Produktaussagen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten werden in diesem Kontext als Werbeaussagen eingestuft und sind nach §10 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetztes außerhalb der Fachkreise verboten.

Die jetzige Initiative der Europäischen Kommission stützt sich auf Artikel 88a der Richtlinie 2001/83/EG zu Arzneimittel-Patienteninformationen. Die Europäische Kommission wird darin aufgefordert, "Vorschläge für eine Informationsstrategie zu erarbeiten, durch die eine hochwertige, objektive, zuverlässige und werbungsfreie Information über Arzneimittel und andere Behandlungsmethoden sichergestellt werden soll". Die Vorschläge der Europäischen Kommission sollen nach einer Analyse der "gegenwärtigen Praktiken im Informationsbereich" und nach "Konsultation der Patienten- und Verbraucherorganisationen, der Ärzte- und Apothekerorganisationen sowie der Mitgliedstaaten und der anderen Parteien" erarbeitet werden. Das Ergebnis ist das von der Europäischen Kommission vorgelegte Konsultationspapier. In allen Mitgliedstaaten der EU sollen demnach die Verbote bei der Bewerbung verschreibungspflichtiger Arzneimittel so modifiziert werden, dass alle EU-Bürger Informationen zu Qualität, Wirkung und Zuverlässigkeit von verschreibungspflichtigen Medikamenten direkt von pharmazeutischen Herstellern erhalten dürfen. Begründet wird die geplante Gesetzesänderung mit dem Argument, dass der mündige Bürger im Informationszeitalter einen Anspruch auf wichtige Informationen hat und die pharmazeutischen Unternehmer eine valide Informationsquelle für ihre Medikamente sind.

Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. (DPhG) begrüßt es ausdrücklich, wenn sich Patienten über ihre Gesundheit, ihre Erkrankungen, über Behandlungsmöglichkeiten und damit auch über verschreibungspflichtige Medikamente ausführlich informieren möchten. Im Zeitalter des Internet ist es zwar leichter geworden, zahlreiche Daten zu Medikamenten zu finden. Doch fehlt medizinischen Laien häufig das Wissen, diese Daten in ihrem Kontext richtig einzuordnen. Es wäre aus Sicht der DPhG aber falsch, daraus den Schluss zu ziehen, interessierten Patienten Informationen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten mit dem Argument vorzuenthalten, für Laien seien diese Informationen unverständlich und damit eine potenzielle Gefahrenquelle. Die DPhG erkennt vielmehr das gestiegene Informationsbedürfnis des mündigen Bürgers an, denn das Interesse an den ärztlich verordneten Medikamenten ist mit Sicherheit ein Grundstein für eine erfolgreiche Pharmakotherapie.

Patienten sollen das Recht haben, sich über verschreibungspflichtige Medikamente kompetent informieren zu können. Die DPhG unterstützt in dieser Hinsicht die Initiative der Europäischen Kommission. Patienten sollten aber auf keinen Fall Informationen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten direkt von der pharmazeutischen Industrie erhalten können. Natürlich haben Ärzte und Apotheker, die in den wissenschaftlichen Abteilungen der pharmazeutischen Industrie arbeiten, profunde Kenntnisse über die eigenen Präparate. Doch die pharmazeutischen Hersteller sind keine öffentlichen Informationseinrichtungen, sondern verfolgen als private Unternehmen finanzielle Interessen. Im Spannungsfeld von Wissenschaft und Marketing könnten die Patienten die Verlierer sein. Dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist, zeigt eine Untersuchung aus den USA ("Government Accountability Office Report"), wo die Pharmaindustrie sich schon seit vielen Jahren direkt an den Patienten wenden kann ("direct to consumer"). Das wichtigste Ergebnis dieser Untersuchung aus dem Jahr 2007 ist, dass sich Auswahl und Inhalt der von der pharmazeutischen Industrie initiierten Aufklärungskampagnen weniger am Bedarf der Patienten orientiert, sondern sich vielmehr nach den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen richtet.

Die DPhG rät Patienten, sich bei Fragen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten an ihren verordnenden Arzt und vor allem bei Detailfragen zu Qualität, Wirkung und Sicherheit der Präparate an ihren Apotheker zu wenden. Als Arzneimittelfachleute besitzen die Apothekerinnen und Apotheker die notwendige Qualifikation, auch kniffelige Fragen der Patienten unter Verwendung aller vorhandenen Informationsquellen kompetent und individuell zu beantworten. Vielleicht möchten sich aber manche Patienten lieber anonym über verschreibungspflichtige Medikamente im Internet informieren oder nach einem Beratungsgespräch in der Apotheke den einen oder anderen Sachverhalt nachlesen können. Für diese Fälle sollte es die deutsche Apothekerschaft selbst in Angriff nehmen, im Internet qualitativ hochwertige Informationen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten in ansprechender Form für Patienten vorzuhalten. Die DPhG wäre jederzeit bereit, bei einem solchen Projekt ihre Kompetenz und ihren Sachverstand mit einzubringen.


Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz (Präsident)

Dr. Petra Schoettler (Vizepräsidentin)

Dr. Anke Ritter (Vizepräsidentin)

Dr. Michael Stein (Geschäftsführer)

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