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- DAZ 45/2008
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Aus Kammern und Verbänden
Pharmazie und Kunst
Mit der Thematik Pharmazie und Kunst befasste sich die diesjährige Herbsttagung der Landesgruppen Baden und Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) am 18. und 19. Oktober in Radolfzell, in dessen Stadtmuseum sich neben einer historischen Apotheke mit Biedermeier-Offizin, Laboratorium, Materialkammer und Kräutergarten auch ein schönes Spitzweg-Kabinett befindet (siehe DAZ 25, S. 86).
Liebestränke in der Oper
Dr. Doris Zaugg, Basel, widmete ihren Vortrag den Schlaf- und Betäubungsmitteln, Liebes-, Erinnerungs-, Vergessens- und Todestränken in der Oper. Wie so vieles in der Oper vergrößert und übertrieben ist, wird auch das Arzneimittel hier oft zum Zaubermittel, das beispielsweise heftige Leidenschaften entfacht oder Liebesbande löst. Dabei ist in der Oper meist von Tränken die Rede, also einer Arzneiform, die allgemein gebräuchlich und sehr einfach herzustellen war. Die Identität der in den Tränken enthaltenen pflanzlichen Drogen ist anhand der Texte jedoch nur in den seltensten Fällen zu bestimmen.
In Gaetano Donizettis (1797–1848) Oper "L’Elisir d’Amore" steht der Wein als Liebeselixier im Mittelpunkt des Geschehens. Bei der Beurteilung der Zusammensetzung des Todes- bzw. Liebestrankes in Richard Wagners (1813–1883) "Tristan und Isolde" gehen die Meinungen auseinander. In "Die ägyptische Helena" von Richard Strauss (1864–1949) wird Menelaos ein "Lotostrank" als Vergessenstrank gereicht, wobei "Lotos" – laut Zaugg – die Samen der Lotosblume Nelumbo nucifera (syn. Nymphaea nelumbo) oder die Früchte des Zürgelbaums Celtis australis bezeichnen könnte; schon Homer hat in der Odyssee Lotophagen, d. h. Lotos-Esser, erwähnt. In der Oper "Gustav" oder "der Maskenball" von Daniel François Esprit Auber (1782–1871) muss die Pflanze, die der Hauptfigur Malvina zur Heilung dienen soll, unter dem Galgen gewonnen werden, was vermuten lässt, dass hier die Alraune (Mandragora officinarum) gemeint ist. Schließlich ist noch Wolfgang Amadeus Mozarts (1756–1791) "Don Giovanni" zu erwähnen, in dem Aphrodisiaka in Form von Duftstoffen – möglicherweise Myrrhe, Weihrauch, Ambra, Moschus, Thymian – auftauchen.
Spitzweg und die Naturwissenschaften
Prof. Dr. Christa Habrich, Gießen, legte dar, wie aus dem begabten Pharmazeuten Carl Spitzweg (1808–1885) einer der populärsten deutschen Maler des 19. Jahrhunderts wurde. Nachdem Spitzweg seine Lehre in der Königlich Bayerischen Hof- und Leibapotheke zu München bei dem Prinzipal Dr. Franz Xaver Pettenkofer absolviert und anschließend ein Pharmaziestudium mit ausgezeichneten Noten abgeschlossen hatte, übte er den Apothekerberuf nicht mehr aus, sondern widmete sich der Malerei. Dabei flossen seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse in seine Kunst ein. Die Vortragende zeigte an vielen Details seiner Bilder, wie exakt Spitzweg gearbeitet hat. Botanische Skizzen zu Gemälden zeigen die Strukturen von Bäumen, den Feinbau von Blättern, die Verzweigungswinkel einzelner Pflanzen. Auch die geologischen Studien machen sich in den gekonnten Darstellungen von Schluchten, Höhlen, Felsen bemerkbar. Bis in die kleinsten Details ist der Mechanismus eines Klingelzugs im Gemälde "Der Bettelmusikant" erkennbar – Reminiszenz an den Apotheker, der die Reparatur seiner Nachtdienstglocke beherrschen musste.
Als "Zugabe" zeigte die Referentin unter dem Thema "Lachen mit Spitzweg" eine Folge von satirischen Graphiken aus den "Fliegenden Blättern", in denen der Maler mit spitzer Feder menschliche Schwächen und typische Szenen der Biedermeier-Gesellschaft karikiert. Spitzweg schrieb auch humorvolle Gelegenheitsgedichten.
Pharmazie im Bild
Dr. Michael Kessler, Basel, begann seinen Vortrag mit einem Porträt des Basler Apothekers Henmann von Offenburg (1379–1459) in einem Basler Kirchenfenster, ein Zeugnis dafür, dass im Spätmittelalter die Abbildung bürgerlicher Menschen in der darstellenden Kunst Einzug hielt. Zu den Werken der Renaissance, die Krankheiten und deren Behandlung thematisieren, zählen ein Altarbild der Heiligen Kosmas und Damian mit Aderlass und Urinschau (im Pharmaziehistorischen Museum, Basel) und der Isenheimer Altar (1506–1515) des Mathis Gothart Neithart genannt Grünewald (in Colmar), auf dem ein am "Antoniusfeuer" (Mutterkornbrand, Ergotismus gangraenosus) erkrankter Patient abgebildet ist.
Schon im 16. Jahrhundert stellten Apotheker Prunkvasen in die Offizin, um ihren Reichtum und ihre hohe soziale Stellung zu demonstrieren. Viele Bilder vom Typ "Christus als Apotheker" zeigen, dass die frühneuzeitliche Welt noch ganz vom christlichen Glauben dominiert war.
Walahfrids Hortulus
Die Tagung endete mit einem Ausflug auf die Bodensee-Insel Reichenau, auf der um 830 bis 840 der Mönch Walahfrid Strabo (Abt von 842 bis 849) das Lehrgedicht "De cultura hortorum", kurz "Hortulus" (Gärtlein) über den Kräutergarten des Inselklosters verfasste. Der "Hortulus" ist die erste Kunde vom Gartenbau in Deutschland. In Gedichtform und Reimen beschreibt Strabo 24 Heilkräuter, Küchen- und Zierpflanzen, die heute wieder im "Kräutergärtle" beim Münster St. Maria und Markus wachsen.
Dr. Martine Strobel
Dr.MartineStrobel@gmx.de
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