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Deutscher Apothekertag 2008
Jeder sucht nach Auswegen aus der Misere
Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Hermann S. Keller, nutzte seine Rede, um die Position des DAV zum Versandhandel sowie zum Fremd- und Mehrbesitz erneut deutlich zu machen. Er begrüßte die Initiativen der Bundesländer Bayern und Sachsen, die Anfang August Gesetzesanträge zur Rückführung des Versandhandels mit Arzneimitteln auf das europarechtlich gebotene Maß in den Bundesrat eingebracht hatten. Damit unterstützen sie eine seit Langem vom DAV gestellte Forderung. Ausdrücklich appellierte Keller an alle Bundesländer und die Abgeordneten des Bundestages, die Notwendigkeit dieses Schrittes zu erkennen und ihn zu unterstützen.
GKV-Rabatt absenken
Eine Forderung an den Gesetzgeber sprach Keller in puncto GKV-Rabatt aus. Die Erhöhung des Rabattes von zwei auf 2,30 Euro seit April 2007 belaste die Apotheken zusätzlich zu den ebenfalls seit April 2007 geltenden Rabattverträgen. "Die Apotheken müssen in diesem Jahr Mehrzahlungen von ca. 140 Mio. Euro leisten", rechnete der DAV-Vorsitzende vor. Die Abschlagserhöhung habe damit maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die kontinuierliche Abnahme des Rohgewinns der letzten Jahre auch 2007 fortgesetzt hat. "Dies ist so nicht länger hinnehmbar", meinte Keller. Die Abschlagserhöhung in 2007 und 2008 müsse ein einmaliges Sonderopfer sein und bleiben, ab 2009 müsse ein deutlich reduzierter Abschlag gelten. "Dafür setzt sich der DAV aktuell in den laufenden Verhandlungen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen ein."
Rabattverträge – so nicht
Keller betonte, dass sich die Apotheker zu den Rabattverträgen bekennen und sie seit ihrer Einführung im April vergangenen Jahres mit Leben erfüllen. Auch künftig sei man bereit, die Rabattverträge umzusetzen – allerdings nicht zu jeder Bedingung. So lehnte Keller die neuen Rabattverträge der AOK ab, die ab 1. März 2009 gelten sollen und je Wirkstoff und Gebietslos nur einen Gewinner kennen. Damit verabschiede sich die AOK davon, dem Apotheker und den Patienten die Lieferfähigkeit des Rabattarzneimittels und die patientenindividuelle Auswahl zu garantieren. "Rabattverträge dürfen nicht zu Marktverzerrungen führen, die Versorgung der Patienten nicht beeinträchtigen und müssen praktikabel sein", stellte der DAV-Vorsitzende klar. Ein Minimum von drei Anbietern je Rabattwirkstoff und Gebietslos sei daher unbedingt notwendig.
Zielpreismodell statt Rabattverträge
Abgesehen davon ist es Keller zufolge insgesamt fraglich, ob die Rabattverträge ein geeignetes Einsparungsinstrument sind. Er verteidigte das Zielpreismodell, das der DAV als Alternative zu den Rabattverträgen vorgeschlagen hat. Bei einer bundesweiten Umsetzung könnten damit noch im laufenden Jahr 336 Mio. Euro "gehoben" werden. Die Vorteile des Zielpreismodells müssten Grund für eine gleichermaßen konstruktive Beteiligung an diesem Dialog sein. Umso ärgerlicher ist es aus Sicht von Keller, dass der BAH in einer Stellungnahme das Modell in Gänze in Frage gestellt hat, da er einen Kellertreppeneffekt mit Absenkungen von 50 Prozent "über Nacht" befürchtet. Diesen Kellertreppeneffekt produzierten die Hersteller doch bereits heute selbst. "Wir werten die Stellungnahme als einen Angriff auf einen Partner im Arzneimittelmarkt. So geht man nicht mit Partnern um", sagte Keller. Er bemängelte zudem, dass von der Industrie bis heute keine eigenen Vorschläge entwickelt wurden.
BAH-Vorschlag: Zentraler Erstattungspreis
Diese Bringschuld werde nun eingelöst, antwortete der Vorsitzende des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Hans-Georg Hoffmann, auf Kellers Angriff. Auf der Jahresversammlung des Verbandes am 24. und 25. September 2008 werde ein Gutachten des Gesundheitsökonomen Professor Jürgen Wasem unter dem Titel "Zentraler Erstattungspreis versus Rabattverträge – ein neues Modell zur Bestimmung des adäquaten GKV-Erstattungspreises" vorgestellt und diskutiert. Zu Einzelheiten des Modells wollte sich Hofmann vorab nicht äußern. Einen Bericht über die Versammlung finden Sie in der kommenden AZ.
Rabattverträge führen zu Monopolisierung
Hoffmann übte heftige Kritik an den Rabattverträgen. Sie gingen eindeutig zulasten des pharmazeutischen Mittelstandes. So sei es belegt, dass einige wenige Hersteller den Rabattmarkt weitestgehend beherrschen. Allein die drei führenden konnten Hoffmann zufolge bis März 2008 einen Anteil am Rabattmarkt von mehr als 60 Prozent auf sich vereinigen. Der Anteil am Rabattmarkt, den die zehn Top-Firmen bestreiten, belaufe sich auf nicht weniger als 90 Prozent. "Der auch weiterhin absehbare Verlust von Marktanteilen einer Vielzahl von Unternehmen zugunsten einer geringen Zahl von Anbietern dürfte schon mittelfristig dazu führen, dass kleine und mittlere Hersteller zum Marktaustritt gezwungen sein werden", warnte der BAH-Vorsitzende. Er prognostizierte die Bildung von Oligopolen bzw. Monopolen mit der bekannten Umkehrung der Preisentwicklung in Steigerungen. Dies sowie die Tatsache, dass mit dem Marktaustritt der Hersteller auch deren Produkte vom deutschen Arzneimittelmarkt verschwinden würden, sei aus Sicht des BAH nicht akzeptabel. "Wir werden uns weiterhin dagegen wehren."
BPI: Qualitäts- statt Preiswettbewerb
"Die Arzneimittelpolitik irrt, wenn sie sich lediglich auf Preis- und nicht auf Qualitätswettbewerb ausrichtet", stellte Prof. Dr. Michael Habs, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), in seinem Grußwort zur Expopharm-Eröffnung fest. Wer einzig kurzfristige Ausgabensenkungen im Blick habe, der verliere den Schritt, der nötig sei, um den Anschluss an die medizinische Spitze halten zu können aus den Augen. Eine solche Politik lasse Innovationen des medizinischen Fortschritts künftig im Ausland stattfinden und schwäche den Pharmastandort Deutschland. "Deshalb brauchen wir neue Rahmenbedingungen, damit die Innovationskraft des medizinischen Fortschritts auch in Deutschland umsetzbar ist", erklärte Habs. Als Forderungen des BPI an den Gesetzgeber nannte er klare Anreize für einen Qualitätswettbewerb, die Beschränkung der Überregulierung des Arzneimittelmarktes auf ein Minimum sowie faire Marktzugangschancen für alle Akteure im Gesundheitswesen. Den Pharmaunternehmern empfahl Habs sich darauf zu konzentrieren, Kooperationen zu nutzen, indikationsbezogene Angebote auszuweiten, Wettbewerbsvorteile zu generieren und intensiv die Markenbildung voranzutreiben. "Unsere Prognose: Das Pharmaunternehmen der Zukunft wird sich wesentlich stärker seiner Managementfunktion als Dienstleister im Gesundheitsmarkt bewusst sein müssen."
Versandeinschränkung geht zulasten von OTC
Im Gegensatz zum DAV sieht der BPI die Forderung nach einer Einschränkung des Versandhandels auf OTC-Arzneimittel nicht uneingeschränkt positiv. Habs dazu: "Die Diskussion um das Verbot von Rx-Arzneimitteln in der Versandhandelsapotheke, angeheizt durch die Debatte um Arzneimittelfälschungen, führt am Ziel vorbei, wenn damit gleichzeitig OTC-Arzneimittel zu Arzneimitteln zweiter Klasse herabgestuft werden." Man sollte nicht vergessen, dass OTC-Hersteller nicht zuletzt durch die Publikumsinformation den Distributionskanal Apotheke stärken und zur Erhöhung der Kundenfrequenz beitragen würden.
Heilmittelwerbegesetz lockern
Darüber hinaus forderte Habs stellvertretend für den BPI eine Änderung des Heilmittelwerbegesetzes dahingehend, dass Studieninformationen zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in geeigneter Form auch an den Endverbraucher weitergegeben werden dürfen. "Wir pharmazeutischen Unternehmen halten das schon aus Gründen einer besseren Unterscheidbarkeit der Arzneimittel von den Lebensmitteln für erforderlich. Es kann nicht sein, dass die Arzneimittelhersteller Wirkaussagen durch aufwendig klinische Studien belegen müssen, sie werblich aber gegenüber Patienten und den Apothekenkunden nicht verwenden dürfen. Wir fordern infolgedessen in einem novellierten Heilmittelwerbegesetz die Entkopplung von wissenschaftlicher Information und Werbung."
VFA: Innovationen fördern
"Aus Sicht der forschenden Arzneimittelhersteller vermisse ich im Arzneimittelbereich mehr als je zuvor ein wettbewerblich ausgerichtetes, zukunftsorientiertes und innovationsfreundliches Gesamtkonzept", fasste Dr. Thomas Werner, Vorstandsmitglied des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), die gesundheitspolitische Lage zusammen. Er kritisierte insbesondere die Kosten-Nutzen-Bewertung durch das IQWiG in der gegebenen Form. Die forschenden Pharmaunternehmen hätten derzeit über 350 Erfolg versprechende Wirkstoffe gegen schwere und schwerste Krankheiten in ihren Pipelines. Wie viele von diesen Innovationen jedoch die Patienten erreichten, wenn sie zuvor einer Kosten-Nutzen-Bewertung unterworfen würden, sei fraglich. "Ich sage ganz deutlich: Die forschenden Pharmaunternehmen stehen zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung, die transparent und nach internationalen Standards erfolgen", machte Werner deutlich. Sie stünden aber nicht zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung, die allein darauf ausgerichtet sei, aus kurzsichtigen Spargründen Schmalspurmedizin anstelle von echten Innovationen den Vorrang zu geben. Werner plädierte zudem für ein größeres Mitspracherecht der Patienten bei ihrer Gesundheitsversorgung: "Ich weiß, dass Argumente für ein dereguliertes, wettbewerbliches Gesundheitssystem bei manchen auf Zweifel stoßen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir den Menschen in unserem Land die Möglichkeit geben müssen, mehr als heute über die Form und den Umfang ihrer Krankenversicherung selbst entscheiden zu können."
Phagro: Arzneimittelpreisverordnung ändern
Dr. Thomas Trümper, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels Phagro machte in seinem Grußwort darauf aufmerksam, wie dramatisch sich die Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen auf den Großhandel auswirken. "Wir sind uns sicher einig: Es sind Apotheken und Großhändler gemeinsam, die eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln garantieren. Als Vertreter des Großhandels muss ich aber in aller Deutlichkeit sagen, dass diese Garantie ins Wanken gerät." Der Großhandel sehe sich einem stetig steigenden Aufwand gegenüber bei gleichzeitig sinkender Marge. So sei es kein Geheimnis, dass der Gewinn des pharmazeutischen Großhandels in Deutschland derzeit auf Nulllinie liege, teilweise darunter. Besonders problematisch ist laut Trümper die zunehmende Direktbelieferung der Apotheken durch die Industrie (DTP). Bereits heute seien neue Produkte vielfach nicht mehr über den Großhandel zu beziehen. Wenn dazu die Pläne einiger Hersteller, nur noch exklusiv mit wenigen Distributeuren zusammenzuarbeiten, Realität würden, geriete die in der Arzneimittelpreisverordnung vorgesehene Mischkalkulation aus hochpreisigen und niedrigpreisigen Arzneimitteln weiter aus der Balance und dem Geschäftsmodell Großhandel würde die Grundlage entzogen. Als Lösung nannte Trümper das "Nachjustieren an zwei Stellschrauben". Zum einen müsse der Gesetzgeber die aufgezeigten Fehlentwicklungen korrigieren, zum anderen müsse der Großhandel selbst aktiv werden, indem er beispielsweise die Zusammenarbeit mit den Marktpartnern intensiviere. "Um den Versorgungsauftrag der Apotheken weiterhin unterstützen zu können, müssen wir künftig in allen Preissegmenten auskömmliche Margen erwirtschaften", betonte Trümper. "Dementsprechend muss die Arzneimittelpreisverordnung geändert werden. Wir fordern, dass auch der Großhandel – ähnlich wie bei den Apotheken – eine kombinierte Vergütung bestehend aus Fixbetrag plus Marge erhält." Weiterhin müsse gesetzlich verankert werden, dass der vollversorgende, herstellerneutrale Großhandel einen Anspruch auf ausreichende Belieferung durch den pharmazeutischen Hersteller habe. "Nur so können unsere Marktpartner auch morgen noch von unserer vollen Leistungsfähigkeit profitieren."
ral
RekordmesseDie Expopharm 2008 konnte laut Veranstalter gleich mit zwei Rekorden aufweisen. Nicht nur war sie mit mehr als 24.000 Quadratmetern Netto-Ausstellungsfläche größer als je zuvor, mit über 500 nationalen und internationalen Ausstellern verfügte sie auch über die größte Unternehmensvielfalt in der Expopharm-Geschichte. |
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