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Es gibt noch immer Einsparpotenzial
Im Jahr 2007 wurde die gesetzliche Krankenversicherung nach dem moderaten Anstieg im Jahr 2006 (+1,8 Prozent) erneut mit einem Kostenschub durch Arzneimittel konfrontiert. Sie legten um 6,7 Prozent auf 27,8 Mrd. Euro zu und haben damit maßgeblich zum Gesamtanstieg der GKV-Ausgaben um 3,7 Prozent auf 153,6 Mrd. Euro beigetragen, betonte Schwabe. Sein Herausgeber-Kollege Dr. Dieter Paffrath erläuterte die beiden Hauptkomponenten, die zu den Umsatzsteigerungen beitrugen. Zum einen sei der Wert je Verordnung um 3,2 Prozent und die Anzahl der Verordnungen um 1,5 Prozent gestiegen. "Allein diese beiden Entwicklungen haben damit zu einem Umsatzplus von 1,1 Mrd. Euro geführt", so Paffrath. Daneben erwies sich einmal mehr die Strukturkomponente als Kostentreiber – auf sie ist ein ebenso hohes Umsatzplus zurückzuführen.
Preise sinken – aber noch nicht genug
Trotzdem die Mehrwertsteuer erhöht wurde (Mehrausgaben: 763 Mio. Euro) sanken die Arzneimittelpreise um durchschnittlich 1,3 Prozent. Bei Generika lag der Preisrückgang sogar bei 5,1 Prozent. Beflügelt durch die Preissenkungen wurden auch erheblich mehr definierte Tagesdosen verordnet (+16,5 Prozent). Die Preise für patentgeschützte Medikamente stiegen dagegen um 2,7 Prozent – und auch die Tagesdosen gingen hier um 13,3 Prozent zurück. Doch auch wenn die Generika auf einem "richtigen Weg" seien – ganz zufrieden sind Paffrath und Schwabe nicht: Noch immer seien deutsche Generika deutlich teurer als in europäischen Nachbarländern. So koste beispielsweise eine Standardpackung (28 Tabletten 20 mg) des Cholesterinsenkers Simvastatin in Deutschland 13,77 Euro, in Großbritannien hingegen nur 1,80 Euro. Selbst wenn die deutsche Mehrwertsteuer (2,20 Euro) und der Apothekenfestzuschlag von 8,10 Euro berücksichtigt würden, verbleibe immer noch ein fast doppelt so hoher Preis von 3,47 Euro, betonte Schwabe. Allein bei Statinen könnten mit englischen Preisen 366 Mio. Euro pro Jahr in Deutschland eingespart werden, so der Pharmakologe.
Patentgeschützte Arzneien als Kostentreiber
Hauptverursacher des Kostenanstiegs sind den AVR-Autoren zufolge aber nach wie vor die patentgeschützten Arzneimittel. Hier wünscht sich Schwabe gar amerikanische Preise für Deutschland. So seien etwa TNF-Antagonisten hierzulande um 66 Prozent teurer als in den USA. Auch die neuen HPV-Impfstoffe gegen Gebärmutterkrebs seien fast doppelt so teuer wie in den Vereinigten Staaten. Zwar bestehe seit der letzten Gesundheitsreform die Möglichkeit, Kosten-Nutzenbewertungen für Arzneimittel durchzuführen – doch noch wird die Möglichkeit, einen Höchstbetrag für patentgeschützte Arzneimittel festzusetzen, die nicht der Festbetragsregelung unterliegen, nicht genutzt.
Schmidt liebäugelt mit vierter Hürde
Dass die gesetzlichen Möglichkeiten der Kosten-Nutzenbewertung sowie des Zweitmeinungsverfahrens endlich zum Einsatz kommen, wünscht sich auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. "Ich erwarte mir hier mehr Dynamik von der Selbstverwaltung", erklärte sie bei der Vorstellung des AVR. Sollten sich ihre Vorstellungen nicht erfüllen, müsse wohl doch eine vierte Hürde her. Denn noch immer werde in Deutschland für neue Medikamente jeder Preis gezahlt – andere europäische Länder gingen hier ganz anders vor. Besonders interessiert betrachtet Schmidt offenbar das Modell einer abgewandelten vierten Hürde, das nun in der Schweiz zum Einsatz kommt. Hier bleibt der grundsätzliche Marktzugang für Innovationen zwar erhalten – die Hersteller trifft jedoch eine Rückzahlungspflicht, wenn sich in einer Kosten-Nutzenbewertung herausstellt, dass ein zu hoher Preis verlangt wurde. Noch ist Schmidt zuversichtlich, die Arzneimittelkosten mit den bereits beschlossenen Sparinstrumenten im Griff behalten zu können. Einen Gesetzentwurf für ein neues Kostendämpfungsgesetz oder eine vierte Hürde hat sie nach eigener Aussage jedenfalls nicht in Planung. Sie will die weitere Ausgabenentwicklung erst einmal beobachten – allerdings warnte sie bereits: "Einer Preistreiberei zulasten der Versicherten wird der Gesetzgeber nicht zusehen". Was den Vergleich der AVR-Autoren mit England betrifft, so machte Schmidt deutlich, dass hier eine differenzierte Betrachtung nötig ist. Deutschland und Großbritannien hätten unterschiedliche Systeme – auch wenn die Generikapreise in Großbritannien geringer seien, so seien dort doch andere Probleme zu bewältigen. Insgesamt sieht die Ministerin die Entwicklung im Generikabereich mit Wohlwollen – die "Achillesferse" blieben die Preise der patentgeschützten Arzneien. Daher appellierte sie auch an die Kassen, die Möglichkeiten von Rabattverträgen auch in diesem Bereich künftig verstärkt zu nutzen.
Die aktuellen Daten des AVR basieren auf der Auswertung von 708 Millionen Arzneimittelpackungen, die 2007 von ca. 134.000 Vertragsärzten rezeptiert wurden. Der im Springer-Verlag erscheinende Report beschreibt die Einführung neuer Arzneimittel, bewertet den therapeutischen Nutzen, berechnet die Kosten und gibt Ärzten konkrete Verordnungsempfehlungen.
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