Deutscher Apothekertag 2008

Die inhabergeführte Apotheke überzeugt

Im Arbeitskreis "Arzneimittelversorgung", dem letzten Tagesordnungspunkt der diesjährigen Hauptversammlung, diskutierten Vertreter der Parteien und der Apothekerschaft miteinander. Wie schon bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertages, hatten die Politiker viele warme Worte für die Apotheker übrig. Ausnahmsweise bot nicht die Vertreterin der Grünen die größte Reibungsfläche, sondern der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Der parlamentarische Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Dr. Marcel Huber, zeigte sich in seinem Eingangsstatement ganz auf ABDA-Linie: "Arzneimittel sind keine x-beliebigen Verbrauchsgüter und Patienten keine Konsumenten". Daher müsse die bewährte Struktur der Apotheken gewahrt bleiben; die inhabergeführte Präsenzapotheke stehe für Qualität, Sicherheit und Fachkompetenz und böte das nötige Sicherheitsnetz. Wer neue Wege einschlagen wolle, müsse sich überlegen, ob und wem diese tatsächlich nutzen, betonte Huber. Er jedenfalls gab sich überzeugt: "Wir brauchen keine von Finanzinvestoren getriebenen Ketten". Da die Arzneimittelversorgung im öffentlichen Interesse erfolge, könne man sie ohnehin "nicht dem uneingeschränkten Spiel des Marktes überlassen". Hoffnung, dass dies auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) so sieht, gibt Huber das am 11. September ergangene Urteil der Luxemburger Richter zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern. Ebenso wenig wie die Ketten benötigt man aus Sicht der CSU den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln; gemeinsam mit Sachsen versucht Bayern bekanntlich das von der ABDA geforderte Rx-Versandverbot über den Bundesrat durchzusetzen. Für Huber ist hier kein Raum für Kompromisse. Der dem Patienten persönlich gegenüberstehende Apotheker ist aus seiner Sicht nicht zu ersetzen. Er könne nicht nur die Echtheit der Rezepte besser prüfen, sondern seinen Kunden auch Besonderheiten ansehen, die für eine Arzneimitteltherapie von großer Wichtigkeit sein können, etwa eine Schwangerschaft oder ein Alkoholproblem. Besorgt zeigte sich Huber zudem über die zu beobachtende Zunahme von Arzneimittelfälschungen. Zugleich räumte er ein, dass dies kein Problem der legalen Versandapotheken sei. Wer diese nun aber durch ein Rx-Versandverbot benachteiligt sehe, sollte nicht vergessen, dass im Grunde die mittelständischen Präsenzapotheken das Nachsehen hätten. Der Staatssekretär plädierte weiterhin dafür, durch Rabattverträge entstehende "unnütze bürokratische Belastungen" für Apotheker und Patienten zu vermindern. Gegenwärtig sei die Rechtslage "derart unübersichtlich, dass ein sinnvolles Zusammenwirken der Maßnahmen nicht mehr möglich erscheint". Für besonders problematisch hält Huber die Frage der Compliance; kein Verständnis hat er, dass es Patienten, die einem bewährten Präparat trotz Rabattvertrag treu bleiben wollen, nicht möglich ist, den Differenzbetrag aufzuzahlen. "Mit den Rabattverträgen kann nicht so viel gespart werden, dass diese Nachteile aufgewogen werden", so Huber.

Fremdbesitz findet keine Freunde

Nachdem sich der Staatssekretär angesichts der heißen Endphase des bayerischen Wahlkampfes rasch wieder von den Apothekern verabschiedete, folgte eine Diskussionsrunde. Auf dem Podium: Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Apotheker Dr. Wolf Bauer, der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Daniel Bahr, die SPD-Abgeordnete Dr. Marlies Volkmer, der Freisinger Stadtrat Dr. Eckhardt Kaiser von der Linkspartei sowie Gabriela Seitz-Hoffmann, die für die Grünen in den Bayerischen Landtag einziehen will; zudem ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf, BAK-Präsidentin Magdalene Linz und der DAV-Vorsitzende Hermann S. Keller. Große Einigkeit herrschte hinsichtlich der Bedeutung des Mittelstandes für das Gesundheitswesen sowie in Sachen Fremdbesitz. "Wir wollen nicht, dass Kapitalgesellschaften den vertikalen Durchgriff haben – vom Hersteller über den Großhändler bis zur Apotheke", erklärte etwa Volkmer. Stadtrat Kaiser zeigte sich überzeugt, dass "fachfremde Kapitalgesellschaften", die sich am Apothekenwesen beteiligen, ihre Gewinne "auf dem Rücken ihrer Mitarbeiter" erzielen und diese zudem "nicht den Versicherten, sondern nur dem Unternehmen zugute kommen" lassen werden. Offenbar hat auch das Urteil des EuGH zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern fraktionsübergreifend eine gewisse Zuversicht gesät, dass sich das Fremdbesitzverbot als europafest erweisen könnte. Selbst die grüne Aspirantin auf das Landtagsmandat distanzierte sich von der offiziellen Haltung der Grünen im Bund und sprach sich gegen Ketten in den Händen von Nicht-Apothekern aus. Bauer erklärte, lediglich über den Mehrbesitz lasse sich noch reden.

Versandverbot: aus Fehlern lernen

Die ABDA-Forderung nach einem Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneien wurde mit Ausnahme von Bahr ebenfalls von allen politischen Vertretern unterstützt. Bauer räumte ein, dass auch seine Fraktion im Sommer 2003 "unglücklicherweise im vorauseilenden Gehorsam" gehandelt habe, als sie sich für die umfassende Einführung des Arzneimittelversandhandels aussprach. Im Gesundheitsausschuss bestehe nun aber fraktionsübergreifend Einigkeit, dass jedenfalls die Auswüchse durch Pick-up-Stellen zu beenden sind. "Wir sind für alle guten Vorschläge offen", so der CDU-Politiker – auch die Apotheker rief er auf, solche einzubringen. Dies kam nicht bei allen Delegierten gut an. Monika Koch, die Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes, forderte von CDU und FDP ihrerseits Alternativvorschläge zum Rx-Versandverbot zu machen. Volkmer dagegen ist mit den vorliegenden Vorschlägen offenbar zufrieden. Auch sie räumte ein, dass man sich bei der Entscheidung, den Medikamentenversand zuzulassen, schlicht nicht habe vorstellen können, dass ein Gericht sagen könnte, Pick-up-Stellen seien ein integraler Bestandteil des Versandhandels. Zwar würden die Konsequenzen in ihrer Fraktion derzeit noch diskutiert – für sie persönlich ist das Rx-Versandverbot jedoch die einzig sinnvolle Lösung. "Ein Verbot von Pick-ups reicht nicht", unterstrich die SPD-Abgeordnete, es käme – für den OTC-Versand – bestenfalls zusätzlich in Betracht. Seitz-Hoffmann missfällt der Arzneimittelversand ebenfalls, wenngleich sie sich nicht ausdrücklich für ein Versandverbot aussprach. Aus Sicht der Grünen-Politikerin ist der Internethandel mit Arzneimitteln gefährlich und längerfristig gesehen auch teuer – aufgrund des erhöhten Risikos für Falschbehandlungen.

ABDA will Pick-up-Verbot nicht diskutieren

Den Gegenpol in puncto Versand bildete Bahr. Obwohl seine Partei bei der von SPD, Union und Grünen beschlossenen Aufhebung des bis dahin geltenden Versandhandelsverbots nicht die Finger im Spiel hatte, hält ausgerechnet er eine Rolle rückwärts aus verfassungsrechtlichen Gründen für nicht machbar. Bahr bezeichnete es als eine "paradoxe" Situation, dass nun ausgerechnet Union und SPD Probleme beklagten, "die sie selbst geschaffen haben". Allerdings sieht er im Bundestag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit für ein Rx-Versandverbot zusammenkommen. Die von den Verbotsanhängern immer wieder angeführte Zunahme von Arzneimittelfälschungen ist aus seiner Sicht kein Argument. "Das Risiko an ein gefälschtes Arzneimittel zu gelangen, ist in der niedergelassenen Apotheke genauso groß wie in einer zugelassenen Versandapotheke", so Bahr. Das Problem seien in erster Linie gefälschte Lifestyle-Arzneien und Anabolika – und hier wüssten die Käufer durchaus, dass sie sich auf illegalem Terrain bewegten. Die FDP setzt sich daher für ein Verbot der Pick-up-Stellen ein. Einen konkreten Vorschlag habe man in der Fraktion bereits vorbereitet, betonte Bahr. Wolf stellte allerdings klar, dass die ABDA ihr Ziel – das Rx-Versandverbot – weiterverfolgen und sich nur auf ein Pick-up-Verbot nicht einlassen werde. Und auch Linz sieht keinen Grund "aus verfassungsrechtlichen Gründen" von der Position abzurücken: Für sie hat die Besitzstandswahrung für die Versandapotheken klar hinter dem Gesundheitsschutz zurückzustehen. Keller betonte, dass auch bei der Einführung des Versandes in Besitzstände der Apotheker eingegriffen wurde. Für ihn wäre es schlicht "verantwortungslos", einen Fehler zu erkennen und ihn nicht zu beheben. Dass die Apotheker sich nicht einmal hilfsweise auf eine Regelung im Sinne der Liberalen einlassen wollen, ist für Bahr ein Problem: Gerne würde seine Fraktion eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss zu ihrem bereits vor der Sommerpause eingebrachten Antrag zum Problem der Pick-up-Stellen durchführen. Wenn die ABDA diesen Vorschlag hier jedoch "zerreißen" würde, geschehe am Ende gar nichts, warnte Bahr.


ks

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