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- DAZ 31/2008
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Arzneimittel und Therapie
Individuelle Langzeitstrategie
Störungen der Schilddrüsenfunktion gehören zu den häufigsten endokrinen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. An erster Stelle steht die angeborene Hypothyreose, mit der immerhin eines von 3000 bis 4000 Kindern zur Welt kommt, vor allem Mädchen. Die Erkrankung sollte so früh wie möglich erkannt und behandelt werden. Konkret bedeutet das: Ergibt sich bei Neugeborenen beim TSH (Thyreotropin)-Screening am dritten Lebenstag ein stark erhöhter Wert, sollte sofort Levothyroxin substituiert werden. Nach einer "loading dose" von 50 µg pro Tag, um eine rasche Normalisierung zu erreichen, wird nach zwei bis drei Wochen auf niedrigere Dosen zwischen 37,5 und 25 µg Levothyroxin pro Tag reduziert. Ziel ist ein TSH-Wert unter 10 mU/l.
Therapie bei Hashimoto-Thyreoiditis
Eine Autoimmunthyreopathie Hashimoto betrifft Mädchen ebenfalls deutlich häufiger als Jungen (3,5 pro 1000 gegenüber 0,8 pro 1000), mit dem Alter zunehmend. Die hypothyreote Form wird mit Levothyroxin behandelt, die hyperthyreote Form mit Thyreostatika.
Ob bei euthyreoter Stoffwechsellage mit Levothyroxin behandelt werden soll, wird derzeit diskutiert. Laut Prof. Dr. Helmuth Dörr von der pädiatrischen Endokrinologie an der Kinder- und Jugendklinik der Universität Erlangen, gibt es keine Daten, die einen Einfluss der Medikation auf den weiteren Verlauf der Erkrankung zeigen. Er plädierte daher nur für engmaschige Kontrollen.
Die euthyreote Struma wird bei Kindern initial mit Jodid behandelt, mit altersadaptierter Dosis. Lässt sich die Struma so nicht verkleinern, wird mit Levothyroxin kombiniert im Verhältnis Hormon: Jodid 1: 2. Nach erfolgreicher Reduktion des Schilddrüsenvolumens sollte eine Jodidprophylaxe durchgeführt werden.
Knotenstruma exakt abklären
Weit problematischer als die euthyreote diffuse Struma ist die Knotenstruma, und zwar bei Kindern und bei Erwachsenen. Sie muss in jedem Lebensalter konsequent differentialdiagnostisch abgeklärt werden, um Schilddrüsenkarzinome nicht zu übersehen.
Prof. Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, München, empfiehlt deshalb ergänzend die zytologische Abklärung mittels sonographisch gezielter Feinnadelpunktion, zusätzlich zu klinischer Untersuchung, Laboranalyse einschließlich Serum-Calcitoninbestimmung, Sonographie und Szintigraphie. Bei suspekten Knoten, einer Hyperthyreose durch Schilddrüsenautonomien oder auch sehr großen Strumen, die mechanische Komplikationen verursachen, ist eine definitive Behandlung, also eine Schilddrüsenoperation oder eine Radiojodtherapie, indiziert. Auch bei Kindern müssen kalte Knoten entfernt werden, obwohl ein Schilddrüsenkarzinom im Kindesalter extrem selten ist (1:100.000 bis 1:2.000.000). Anders bei nicht suspekten hypofunktionellen Schilddrüsenknoten und euthyreoter Stoffwechsellage. Hier kann auch eine medikamentöse Therapie in Erwägung gezogen werden mit dem Ziel, das weitere Knotenwachstum zu verhindern. Behandelt wird in erster Linie mit einer Kombination aus Schilddrüsenhormon und Jodid. Anzustreben ist ein Serum-TSH-Wert im niedrig normalen Zielbereich (0,3 bis 1,2 mU) unter Vermeidung einer TSH-Suppression. Eine abschließende Beurteilung der Effektivität dieses Regimes ist möglicherweise schon bald möglich, denn eine laufende prospektive, randomisierte klinische Studie in Deutschland geht derzeit der Frage nach der optimalen, konservativen Behandlung hypofunktioneller Schilddrüsenknoten nach.
Hyperthyreose in der Schwangerschaft
Schwangerschafts-Hypothyreosen kommen vor allem bei Frauen mit einer Autoimmunthyreopathie vom Typ Morbus Basedow vor. Sie können mit schwerwiegenden Komplikationen wie frühzeitiger Wehentätigkeit, Präeklampsie und Herzinsuffizienz, beim Kind auch mit Herzfehlern einhergehen. In der Therapie muss berücksichtigt werden, dass die Krankheitsaktivität im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel deutlich abnimmt, so dass die thyreostatische Therapie häufig stark reduziert werden kann, oft auch ganz verzichtbar ist. Werden Thyreostatika eingesetzt, muss so dosiert werden, dass eine Hpothyreose beim Ungeborenen möglichst vermieden wird. Konkret: Ist die Schwangere bei subklinisch hyperthyreoter Stoffwechsellage symptomfrei, kann diese Hyperthyreose akzeptiert werden. Thyreostatikum der Wahl in der Schwangerschaft ist Propylthiouracil, so Prof. Dr. Klaus-Dieter Palitzsch, Städtisches Klinikum München.
Quelle
Prof. Dr. Helmuth Dörr, Erlangen; Prof. Dr. Klaus-Dieter Palitzsch, München; Prof. Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, München: 6. Münchner Schilddrüsen-Symposium, München, 9. Juli 2008, veranstaltet von Merck Serono GmbH., Darmstadt
Apothekerin Dr. Beate Fessler
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