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Arzneimittel und Therapie
Viele Interaktionen bei der Chemotherapie
Die Fortschritte in der molekularen Biologie führen seit einiger Zeit immer mehr zu einer personalisierten Medizin. Dabei versteht man in der Onkologie immer besser, warum bestimmte Patienten mit ihrer individuellen Krebserkrankung in unterschiedlichem Ausmaß von einer Krebstherapie profitierten.
Gezielte Therapien
Die sogenannten Targeted therapies waren vor wenigen Jahren der erste große Erfolg auf dem Weg weg von der Schrotschusstherapie hin zur Individualisierung in der Krebstherapie. Aber diese Individualisierung beschränkt sich im ersten Schritt nur auf die Rezeptor-Überexprimierung in den einzelnen Tumoren, im nächsten dann schon auf deren genetische Veränderungen, wie den KRAS-Status in den Tumorgenen bei kolorektalen Karzinomen.
Jeder Patient ist anders
Für eine noch weitere Individualisierung der Therapie muss nicht nur die Tumorerkrankung völlig verstanden werden, sondern auch der Patient mit seinen psychologischen und physiologischen Eigenheiten. Zu letzteren gehören das Alter, eventuelle Organunterfunktionen, das unterschiedliche Enzymmuster, das zur Metabolisierung von Arzneimitteln zur Verfügung steht und die jeweilige Komedikation, die zu Arzneimittelinteraktionen führen kann.
Mehrere Arzneimittel wirken zusammen
So hat sich zum Beispiel gezeigt, dass bei älteren Patienten, die mehr als drei Arzneimittel für eine chronische Erkrankung einnehmen, innerhalb von sechs Wochen nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus 33 Prozent wieder hospitalisiert werden.
Zytostatika: geringe therapeutische Breite
Durch die geringe therapeutische Breite von Zytostatika sind Änderungen in der Pharmakokinetik/Pharmakodynamik, die aus Arzneimittelinteraktionen resultieren, ganz besonders aufmerksam zu beachten. Einige sehr oft verwendete Zytostatika weisen zum Beispiel eine sehr hohe Eiweißbindung auf und/oder werden über Cytochrom-P450 Enzyme metabolisiert, was bei einer Multimedikation zu einer veränderten Wirkung oder zu Nebenwirkungen führen könnte.
Während des diesjährigen amerikanischen Krebskongresses ASCO 2008 wurde eine Studie vorgestellt, in der diese Zusammenhänge untersucht wurden. Bei 284 Patienten mit einem Alter über 70 wurde die Komedikation, die während des ersten Chemotherapiezyklus eingenommen wurde, analysiert und mit der auftretenden Toxizität verglichen.
Besondere Aufmerksamkeit wurde eventuellen Wechselwirkungen mit Arzneimitteln geschenkt, die eine hohe Proteinbindung aufweisen (z. B. Amlodipin, Celecoxib, Omeprazol), oder die Cytochrom-P450-Enzyme hemmen (z. B. Ketocon-azol, Amiodaron). Stufenweise wurden Regressionsanalysen durchgeführt, um Vorhersagen bezüglich einer erhöhten Hämatotoxizität und einer erhöhten nichthämatologischen Toxizität vorhersagen zu können.
Dabei führte eine gleichzeitige Einnahme von Medikamenten mit hoher Eiweißbindung (>50%) während der Chemotherapie zu schwerer hämatologischer Toxizität (p=0,003). Das heißt, wie bei einer zu hohen Dosis war die höhere Toxizität letztlich auf die intrinsische Toxizität des Chemotherpieregimes zurückzuführen. Zur Vorhersage von Toxizität bei der Chemotherapie älterer Patienten ist deshalb besondere Vorsicht geboten im Hinblick auf eventuelle Arzneimittelinteraktionen mit Medikamenten mit hoher Proteinbindung.
CYP450-Interaktionen
CYP450-Interaktionen führten dagegen besonders zu einer Steigerung der nicht-hämatologischen Toxizität. Als weitere Prädiktoren für eine erhöhte Toxizität bei älteren Patienten wurden Faktoren der Arzneimittelverteilung festgestellt, wie hohes Gewicht und niedriger Albuminspiegel während der Chemotherapie. Einige Arzneimittel sind sowohl potente CYP-P450-Inhibitoren als auch stark an Proteine gebunden. Hier müssen für die Abschätzung von Interaktionen die Proteinbindung und CYP450-Metabolisierung separat beurteilt werden.
Wenn auch in dieser Untersuchung schon einige Zusammenhänge von Arzneimittelinteraktionen klar geworden sind, so gibt es in der Zukunft noch mehr Herausforderungen: Eine noch größere Komplexität ergibt sich nämlich zusätzlich aus dem Applikationsweg der gleichzeitig verabreichten Arzneimittel (oral vs. i.v.), der teilweise bei Tumoren vorhandenen eigenen CYP-Aktivität und dem Polymorphismus von CYP-Isoenzymen.
Quelle
M. Popa, K. Wallace, A. Brunello, et al.: The impact of polypharmacy on toxicity from chemotherapy in elderly patients: Focus on cytochrome P-450 inhibition and protein binding effects. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008, abstr. 9505.
Dr. rer. nat. Annette Junker, Wermelskirchen
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