Tropenmedizin

Malaria – Teil I: Medikamentöse Therapie

Pathogenese, Krankheitsbild, Wirkstoffe mit Wirk- und Resistenzmechanismen
Von August Stich, Mirko Altenkämper und Martin Schlitzer

Unter den Infektionskrankheiten ist die Malaria eine mit den weltweit größten Auswirkungen. Zur Therapie und Prophylaxe stehen nur wenige Substanzen zur Verfügung. Der erste Teil dieser Übersicht stellt die heute weltweit gebräuchlichen Wirkstoffe dar, insbesondere auch deren Wirk- und Resistenzmechanismen. Im zweiten Teil werden zur Expositionsprophylaxe gebräuchliche Insektizide und Repellenzien beschrieben und Leitlinien zur Therapie gegeben. Insbesondere werden eindeutige Empfehlungen zur Expositions- und Chemoprophylaxe ausgesprochen.

Malaria ist eine der bedeutendsten Infektionskrankheiten der Welt. Man rechnet mit bis zu 660 Millionen Erkrankten und mit bis zu 3 Millionen Todesfällen im Jahr, 90 Prozent davon im tropischen Afrika. Besonders betroffen sind Schwangere und Kinder unter fünf Jahren. Durch den Ferntourismus werden immer wieder Malariafälle nach Deutschland importiert. Im Jahr 2006 waren 566 Meldungen beim Robert-Koch-Institut eingegangen.

Krankheitserreger

Malaria wird durch Protozoen der Gattung Plasmodium verursacht (Abb. 2 ). Vier Plasmodium -Arten sind humanpathogen und führen zu spezifischen Krankheitsbildern:

  • P. malariae → Malaria quartana,
  • P. vivax und P. ovale → Malaria tertiana,
  • P. falciparum → Malaria tropica.

Diese Parasiten sind über die gesamten tropischen Gebiete Afrikas, Südostasiens, Indiens, der pazifischen Inseln sowie Süd- und Mittelamerikas verbreitet. P. falciparum ist die vorherrschende Spezies, besonders in Afrika, aber auch in weiten Gebieten Südostasiens und Lateinamerikas. P. vivax findet man im gesamten Verbreitungsraum der Malaria, besonders häufig in Indien, Südostasien und Südamerika. P. malariae ist zwar im gesamten Verbreitungsgebiet der Malaria anzutreffen, aber insgesamt selten. Infektionen mit P. ovale werden vor allem aus Westafrika, aber auch aus dem Mittleren Osten, dem Indischen Subkontinent und Südostasien berichtet.

Pathogenese und Krankheitsbilder

Infektionen mit P. vivax, P. ovale und P. malariae erzeugen ein schweres Krankheitsbild mit intermittierenden Fieberschüben, Kopf- und Gliederschmerzen. Ursache ist der zyklische Zerfall von parasitierten Erythrozyten, bei dem Hämozoin und Zytokine wie TNF-alpha freigesetzt werden. Die Malaria tertiana und quartana führen nur selten zu lebensbedrohlichen oder letalen Komplikationen wie Milzruptur und ARDS (Lungenversagen). Bei der Malaria quartana wird auch ein Zusammenhang mit chronischen Nephropathien diskutiert. Dagegen führt die Infektion mit P. falciparum zur Malaria tropica, einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Die Hauptgefahren lassen sich auf zwei Pathomechanismen zurückführen:

Erstens sind der Parasitämie bei P. falciparum nach oben hin keine Grenzen gesetzt; bei schweren Verläufen können über 15 Prozent aller Erythrozyten befallen sein. Es entwickelt sich eine massive inflammatorische Antwort mit extrem hohen Zytokinspiegeln, die in ein allgemeines Entzündungssyndrom (SIRS = Systemic Inflammatory Response Syndrom) einmünden kann. Innerhalb von 48 Stunden werden die befallenen Erythrozyten zerstört, was zu einer hämolytischen Anämie führt, einer in Afrika häufigen Todesursache kleiner Kinder und schwangerer Frauen.

Noch bedeutungsvoller ist der zweite Pathomechanismus: Um der gefährlichen Milzpassage zu entgehen, synthetisieren die Malaria-Parasiten Proteine (insbesondere PfEMP1), die auf der Erythrozytenoberfläche verankert werden und dann mit verschiedenen Rezeptoren auf den Membranen anderer Zellen interagieren. Parasitierte Erythrozyten verklumpen mit anderen Blutzellen (Rosetting) oder adhärieren am Endothel der Endstrombahn (Zytoadhärenz, Abb. 3). Daraus folgt in beiden Fällen eine Perfusionsstörung der Kapillaren (Sequestration), unter Umständen eine Hypoxie des Gewebes – betroffen sind besonders Gehirn, Lunge und Niere – und eine schwere Gewebsazidose.

Nur ein frühzeitiger Einsatz von Malaria-Therapeutika kann dieses Geschehen verhindern.

Klinisch zeigt sich die Malaria zunächst als fieberhaftes Krankheitsbild. Der rasche Anstieg der Körpertemperatur führt häufig zu heftigem Schüttelfrost, bei Kindern mitunter zu zerebralen Krampfanfällen. Die Patienten klagen über heftige Kopf- und Gliederschmerzen, häufig auch über Durchfall. Charakteristisch ist – im Gegensatz zu vielen möglichen Differenzialdiagnosen – das Fehlen von Lokalsymptomen wie Hautausschlag, Lymphknotenschwellungen oder respiratorischen Symptomen. Bei der Malaria tropica kann es bei Hypoxie innerer Organe (s. o.) zu Bewusstlosigkeit und Koma (zerebrale Malaria), interstitiellem Lungenödem mit ARDS und Nierenversagen kommen. Sie ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, deshalb sollten die Patienten stationär behandelt werden. Die Kriterien für die "Komplizierte Malaria tropica" nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e. V. (DTG) sind im Kasten zusammengefasst.


Komplizierte Malaria tropica

Akute Lebensgefahr und sofortige Intensivtherapie bei mindestens einem der folgenden Befunde:
  • Bewusstseinseintrübung, zerebraler Krampfanfall
  • respiratorische Insuffizienz, unregelmäßige Atmung, Hypoxie
  • Hypoglykämie (BZ < 40 mg/dl)
  • Schocksymptomatik
  • Spontanblutungen
  • Azidose (base deficit > 8 mmol/l), Hyperkaliämie (> 5,5 mmol/l)
Bedrohlicher Verlauf mit der Notwendigkeit engmaschiger Kontrollen bei:
  • schwere Anämie (Hb < 8 g/dl)
  • Niereninsuffizienz (Ausscheidung < 400 ml/24 h und/oder Kreatinin > 2,5 mg/dl bzw. im Verlauf rasch ansteigende Kreatinin- oder Cystatin-C-Werte)
  • Transaminasenerhöhung: über 3-fach erhöht
  • Ikterus (Bilirubin > 3 mg/dl bzw. > 50 µmol/l)
  • Hyperparasitämie (> 5% der Erythrozyten von Plasmodien befallen oder > 100 000 Plasmodien/µl)

Wirkstoffe zur Therapie und Prophylaxe der Malaria

4-Aminochinoline

Alle 4-Aminochinoline (Prototyp: Chloroquin, 1) zeichnen sich durch eine basische Seitenkette an der 4-Aminogruppe des Chinolins sowie durch einen Chlorsubstituenten am C-7 des Chinolins aus (Abb. 4).

Während seines intraerythrozytären Wachstums nimmt der Parasit große Mengen Hämoglobin auf und baut dessen Proteinanteil in der Nahrungsvakuole zu kleinen Peptiden ab. Übrig bleibt dabei der Häm-Anteil, der durch Oxidation des zweiwertigen zum dreiwertigen Eisen zum Ferriprotoporphyrin IX (FPPIX) wird. FPPIX stellt für das Plasmodium eine Art Giftmüll dar, den es durch eine nicht-enzymatische Aggregatbildung (es gibt keine Hämpolymerase, wie in vielen Lehrbüchern noch zu lesen ist!) zum ungiftigen Hämozoin umwandelt. 4-Aminochinoline bilden stabile Komplexe mit FPPIX und erhöhen so die Zahl nicht-aggregierten FPPIX-Moleküle, was dann letztendlich zum Absterben des Parasiten führt.

In der Nahrungsvakuole mit einem pH-Wert von 5,18 liegt Chloroquin als Dikation vor (1a , Abb. 4), das die Membran der Nahrungsvakuole nicht passieren kann. Eine Mutation (K76T) im Gen des Chloroquin-Resistenz-Transporters (CRT), der in der Membran der Nahrungsvakuole lokalisiert ist, macht den Parasiten gegenüber Chloroquin resistent. Im Wildtyp verhindert die elektrostatische Abstoßung zwischen der positiv geladenen Seitenkette des Lysins in der Position 76 des CRT und dem zweifach positiv geladenen Chloroquin-Dikation dessen Zutritt zur Substratbindungsregion des CRT. Durch den Austausch von Lysin gegen das neutrale Threonin fällt diese Abstoßung weg, sodass Chloroquin die Nahrungsvakuole über den CRT verlassen kann (Abb. 5).

Chloroquin

Nach seiner breiten Einführung in den 1950er-Jahren war Chloroquin das bedeutendste Malariamedikament überhaupt. Es war einfach anzuwenden, gut wirksam, gut verträglich und aufgrund seines niedrigen Preises überall zu haben. Schwerwiegende Nebenwirkungen treten erst bei höheren Dosen oder bei langdauernder Anwendung (kumulative Dosen von ca. 100 g) auf. Wegen der Verbreitung resistenter Stämme ist Chloroquin zur Prophylaxe und Therapie mit wenigen Ausnahmen nicht mehr anwendbar.

Amodiaquin

Aufgrund der Dialkylaminomethylenguppe an der aromatischen Seitenkette gehört Amodiaquin (2) zu der Untergruppe der 4-Aminochinoline mit Mannich-Base-Partialstruktur (Abb. 6). Amodiaquin ist gegen viele (aber nicht alle) Chloroquin-resistente Parasiten wirksam, vermutlich weil die aromatische Seitenkette die Affinität des Moleküls zum Chloroquin-Resistenz-Transporter (CRT) verringert.

Durch Oxidation der 4-Aminophenol-Teilstruktur (die auch in dem Analgetikum Paracetamol vorkommt) entsteht ein Chinonimin, das durch Schwefelnukleophile leicht angreifbar ist (Abb. 6). Die Folge sind z. T. tödliche Leberschäden und Agranulozytosen. Deswegen ist Amodiaquin in westlichen Ländern nicht mehr erhältlich. Es wurde jedoch argumentiert, dass diese schwerwiegenden Nebenwirkungen nur bei einer länger andauernden Anwendung zur Prophylaxe auftreten, während die nur wenige Tage dauernde Therapie einer akuten Infektion ausreichend sicher sei. Aufgrund seines geringen Preises wird Amodiaquin in Afrika weiterhin häufig verwendet. Dort ist auch eine fixe Kombination mit Artesunat (15) auf dem Markt (ASAQ).

Piperaquin

Piperaquin (3) gehört zur Gruppe der Bis-Chinoline, bei denen zwei 4-Aminochinoline über eine Verbindungskette verknüpft sind (Abb. 7). Es wurde 1965 von Rhone-Poulenc beschrieben und später in China weiterentwickelt und dort häufig verwendet. Während die Resistenz gegenüber Piperaquin in Südostasien weit verbreitet ist, sind afrikanische P. falciparum -Stämme immer noch empfindlich. Die fixe Kombination aus Piperaquin und Dihydroartemisinin (13) (Euartekin®) ist im fortgeschrittenen Stadium der klinischen Prüfung.

Pyronaridin

Aufgrund seines Azaacridin-Ringsystems gehört Pyronaridin (4 , Abb. 7) zwar nicht zu den 4-Aminochinolinen, wirkt aber vermutlich so wie sie. Wie Amodiaquin verfügt auch Pyronaridin über einen 4-Aminophenolrest, aus dem durch Oxidation ein potenziell gefährliches Chinonimin entstehen kann, jedoch ist dieses durch die beiden Mannich-Base-Partialstrukturen besser abgeschirmt. Pyronaridin wurde in den 1980er-Jahren ebenfalls in China entwickelt. Wie gegen das Piperaquin sind auch gegen Pyronaridin im südostasiatischen Raum Resistenzen verbreitet. In Gebieten, in denen Pyronaridin bisher nicht verwendet wurde (Afrika), ist es vielfach wirksam, auch gegen Chloroquin-resistente P. falciparum -Stämme. Die Kombination von Pyronaridin mit Artesunat (15) (Pyramax®) befindet sich in der klinischen Entwicklung

Arylaminoalkohole

Arylaminoalkohole (Abb. 8) weisen als gemeinsame, namengebende Strukturelemente ein lipophiles aromatisches System, eine sekundäre oder tertiäre Aminogruppe und einen sekundären Alkohol auf. Die synthetischen Arylaminoalkohole Mefloquin (7), Halofantrin (8) und Lumefantrin (9) können als strukturell vereinfachte Analoga des Chinins (5) aufgefasst werden. Möglicherweise verhindern Arylaminoalkohole die Verschmelzung der Vesikel, die Hämoglobin transportieren, mit der Membran der Nahrungsvakuole.

Die Empfindlichkeit der Malaria-Parasiten gegenüber Arylaminoalkoholen wird entscheidend durch einen weiteren in der Membran der Nahrungsvakuole befindlichen Transporter, den MDR1-Transporter (MDR: multi drug resistance) bestimmt (Abb. 5). Eine Resistenz gegen Arylaminoalkohole sowie eine reduzierte Empfindlichkeit gegenüber Dihydroartemisinin (13) entwickelt sich mit der Zunahme der MDR1-Transporter (hervorgerufen durch eine Zunahme der Kopien des codierenden Gens).

Chinin

Chinin (5) wurde 1820 rein dargestellt und wird seither zur Therapie der Malaria verwendet. Trotz der fast 200-jährigen Anwendung sind Resistenzen vergleichsweise wenig verbreitet. Es stellt noch immer eines der wichtigsten Malariatherapeutika dar, insbesondere zur parenteralen Therapie der komplizierten Malaria. Zur vollständigen Heilung einer Malaria tropica ist die Gabe von drei täglichen Dosen über sieben Tage erforderlich. Bei der Anwendung von Chinin über mehr als drei Tage treten bei fast allen behandelten Patienten meist ungefährliche, aber unangenehme Nebenwirkungen auf, die als Cinchonismus zusammengefasst werden; Symptome sind Ohrensausen, Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen, was häufig, gerade auch in Verbindung mit dem bitteren Geschmack oraler Darreichungsformen, zum vorzeitigen Therapieabbruch führt. Potenziell gefährlichere Nebenwirkungen sind eine Hypoglykämie aufgrund einer Insulinfreisetzung und Herzrhythmusstörungen. Intravenöses Chinin ist in vielen Staaten die einzige Option zur Behandlung der komplizierten Malaria. Doch ist es als Fertigarzneimittel in vielen europäischen Ländern nicht mehr im Handel. Das in Frankreich hergestellte Quinimax® enthält neben Chinin (96%) auch Chinidin (6) (2,6%), Cinchonin und Cinchonidin (jeweils 0,7%). Chinidin und Cinchonin sind etwa 2- bis 3-mal wirksamer als Chinin, Cinchonidin ist ungefähr halb so aktiv wie Chinin.

Mefloquin

Mefloquin (7) wurde 1985 als Lariam® in die Therapie eingeführt. Die Ansprechrate der Mefloquin-Monotherapie ist in Afrika und Amerika meist größer als 90%, in einigen Gegenden Südostasiens kann die Erfolgsrate aber auf unter 40% absinken (WHO).

Da Mefloquin aufgrund seiner langen Halbwertszeit (21 Tage; Tab. 1) zur Prophylaxe nur einmal wöchentlich gegeben werden muss, wird es häufig mit dieser Indikation eingesetzt. Hierbei können neuropsychiatrische Nebenwirkungen wie Depressionen, Angstzustände und Panikattacken auftreten. Die Relevanz und Häufigkeit sind in letzten Jahren intensiv diskutiert worden. Die generelle Auffassung ist, dass diese Nebenwirkungen vor allem in Laienkreisen übertrieben dargestellt worden sind. Dennoch sollte eine Mefloquin-Prophylaxe bei bestimmten geplanten Aktivitäten, wie dem Steuern von Flugzeugen, Bergsteigen, Tauchen etc., aber auch bei früheren neuropsychiatrischen Erkrankungen kontraindiziert bleiben.

Die fixe Kombination von Mefloquin mit Artesunat (15) wird vor allem in Südostasien häufig verwendet (ASMQ).

Tab. 1: Pharmakokinetische Daten der wichtigsten Malariamittel
Wirkstoff
Orale Bioverfügbarkeit
Proteinbindung
t1/2
tmax
Chloroquin
80 – 90%
50 – 64%
40 – 55 h
Amodiaquin*
80 – 90%
> 90%
2 - 6 h
dEAQ: 9 – 18 d
0,6 – 1,3 h
dEAQ: 3 – 5,5 h
Piperaquin
80 – 90%
97%
23 d
Pyronaridin
19 – 32%
> 65%
64 h
40 min
Chinin
80%
80 – 90%
10 – 20 h
1 – 4 h
Mefloquin
k. A.
98%
14 – 22 d
8 – 24 h
Lumefantrin
k. A.
> 99%
30 – 144 h
10 h
Primaquin
75 –100%
45 – 65%
1 – 16 h
1 – 4 h
Dihydroartemisinin
k. A.
47 – 76%
1 – 2 h
1 – 2 h
Artemether
43%
85 – 88%
2 – 3 h
2 – 3 h
Artesunat**
15%
DHA: 80%
73 – 81%
2,7 min
DHA: 40 min

DHA: 1 h
Pyrimethamin
fast 100%
80 – 90%
50 –106 h
2 – 12 h
Proguanil
fast 100%
75%
12 – 20 h
2 – 5 h
Cycloguanil***
--
--
12 h
PG: 1 h nach tmax
Chlorproguanil
k. A.
> 60%
17 – 30 h
4 h
Sulfadoxin
70 – 100%
90 – 95%
7 – 9 d
2 – 6 h
Dapson
> 90%
50 – 80%
20 – 30 h
2 – 8 h
Atovaquon
23%
99,9%
50 – 70 h
4 – 8 h
Doxycyclin
fast 100%
80 – 85%
12 – 24 h
2 h
Clindamycin
90%
> 90%
2 – 4 h
1 h
Tafenoquin
k. A.
91 – 99%
14 d
12 h
k. A. = keine Angaben * wirksamer Metabolit: des-Ethyl-amodiaquin (dEAQ)
** Metabolit: Dihydroartemisinin (DHA) *** Metabolit: Proguanil (PG)

Halofantrin

Halofantrin (8) zeigt eine hohe Wirksamkeit, hat aber zu tödlichen Herzrhythmusstörungen geführt und ist daher in den meisten westlichen Staaten nicht mehr erhältlich.

Lumefantrin

Lumefantrin (9) ist dem Halofantrin strukturell sehr ähnlich, jedoch deutlich schwächer wirksam. Auch wurden für Lumefantrin keine arrhythmogenen Effkete beschrieben. Lumefantrin ist mit seinen drei chlorierten Phenylresten und den beiden Butylresten am Stickstoff eine sehr lipophile Substanz, deren orale Bioverfügbarkeit stark schwankt. Die Resorption ist von der Nahrungsaufnahme abhängig; sie nimmt um den Faktor 16 zu, wenn die Substanz mit einer fetthaltigen Mahlzeit aufgenommen wird (mindestens 1,3 g Fett, am besten in Form von Milch). Lumefantrin ist nicht als Monosubstanz erhältlich, sondern ausschließlich in Kombination mit Artemether (14).


Abb. 9: 8-Aminochinoline

8-Aminochinoline

Primaquin

Primaquin (10 , Abb. 9) unterscheidet sich von allen anderen eingeführten Malariatherapeutika durch seine Wirkung gegen alle Leberstadien der Parasiten. Es ist zurzeit die einzige Substanz, die zur Elimination der hepatischen Dauerformen von P. vivax und P. ovale (Hypnozoiten) zur Verfügung steht. Dagegen ist die Wirkung auf die erythrozytären Formen der Parasiten gering.

Die bedeutendste Nebenwirkung ist eine intravasale Hämolyse bei Personen mit Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel. Prinzipiell ist Primaquin auch für die kausale Malariaprophylaxe geeignet, aber in keinem Staat für diese Indikation zugelassen. Umfangreiche klinische Studien zeigten einen protektiven Effekt von 85 bis 93 Prozent gegen Infektionen mit P. falciparum und P. vivax .

Tafenoquin

Tafenoquin (11) unterscheidet sich vom Primaquin hauptsächlich durch die Trifluormethylphenoxygruppe am C-5 des Chinolinrings (Abb. 9). Dadurch erhöht sich nicht nur die Lipophilie und damit die Halbwertszeit (14 bis 21 Tage; Tab. 1), sondern auch die Wirksamkeit gegen die erythrozytären Formen der Parasiten. Diese ist aber immer noch deutlich geringer als bei anderen Malariamitteln. In klinischen Studien hat Tafenoquin eine hohe protektive Effektivität gezeigt (86 bis 100%). Es soll insgesamt besser verträglich sein als Primaquin; doch kommt es auch unter Tafenoquin bei Personen mit Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel zur Hämolyse. Eine Studie zur Langzeitprophylaxe mit Tafenoquin wurde kürzlich wegen Ablagerungen der Substanz in der Hornhaut (ähnlich wie beim Chloroquin) abgebrochen.


Abb. 10: Artemisia annua
Foto: A. Stich

Artemisinine

Das Sesquiterpenlacton Artemisinin (12), der Wirkstoff des Einjährigen Beifußes (Artemisia annua , Abb. 10), ist schlecht löslich, sowohl in Wasser als auch in Öl, weshalb heute ausschließlich semisynthetische Artemisinin-Derivate (Abb. 11) verwendet werden. Durch Reduktion des Lactonrings erhält man das Dihydroartemisinin (13), ein Halbacetal. Die Methylierung der Hydroxylgruppe liefert Artemether (14), ein Acetal und keineswegs ein Ether (der Name setzt sich aus "arte" und "meth" zusammen). In Artesunat (15) ist die halbacetalische Hydroxylgruppe mit Bernsteinsäure verestert ("sunat" aus "succinat"). Artemether ist lipophiler als Dihydroartemisinin, während Artesunat aufgrund seiner freien Carboxylgruppe hydrophiler ist. Artesunat wird innerhalb von Minuten (nicht-enzymatisch?) vollständig zu Dihydroartemisinin hydrolysiert. Artemether wird deutlich langsamer durch oxidative Desalkylierung in Dihydroartemisinin umgewandelt; seine Eliminationshalbwertszeit liegt bei 40 bis 60 Minuten (Tab. 1).

Alle drei Wirkstoffe sind hochaktiv gegen Malaria-Parasiten. Sie reduzieren die Parasitenlast um den Faktor 104 pro asexuellen Zyklus und sind damit die schnellsten und wirksamsten Malariatherapeutika, die heute bekannt sind (Tab. 1).

Artemisinine besitzen einen ungewöhnlichen 1,2,4-Trioxanring; dessen Endoperoxid ist für die Wirksamkeit essenziell. Es wurde vorgeschlagen, dass eine durch Eisen-II vermittelte Spaltung des Endoperoxids zur Bildung von Kohlenstoffradikalen führt, die dann wahllos mit allen sich in ihrer Reichweite befindlichen Proteinen reagieren und diese inaktivieren. O’Neill und Posner haben hierfür das eindrucksvolle Bild der Artemisinine als "eisengezündete Streubomben" ("iron-triggered cluster bombs") geprägt (Abb. 12).

Nach einer anderen Theorie hemmen Artemisininderivate sehr spezifisch eine membranständige Calcium-ATPase (PfATP6), die Ca2+ -Ionen in das endoplasmatische Retikulum transportiert. In Plasmodium -Isolaten, die eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Artemether aufweisen, wurden Mutationen in dem Gen gefunden, das diese Calcium-ATPase codiert. Die Entwicklung einer Resistenz gegenüber Artemisininen wäre demnach möglich.

Noch ungeklärt ist die potenzielle Toxizität des Dihydroartemisinins. Im Tierversuch wurden sowohl Neuro- als auch Fetotoxizität beobachtet. Beim Menschen gibt es trotz breiter Anwendung keine Hinweise auf eine Neurotoxizität. Einer Studie zufolge erscheinen Artemisinine auch im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel anwendbar. Bei vereinzelten akzidentellen Verwendungen im ersten Trimenon wurden keine negativen Auswirkungen beobachtet, jedoch sind die Fallzahlen so klein, dass keine allgemeine Aussage getroffen werden kann.

Artemether

 

Artemether (14) ist in fixer Kombination mit Lumefantrin (9) erhältlich (AL, Riamet® ; Coartem®). Bei der Gabe von sechs Dosen über drei Tage werden durch den schneller resorbierten, aber auch schneller wieder eliminierten Artemether zwei asexuelle Vermehrungszyklen abgedeckt, sodass man mit einer Reduktion der Parasitenlast um den Faktor 108 rechnen kann. Nach dem dritten Tag sind Artemether und sein wirksamer Metabolit Dihydroartemisinin aus dem Kreislauf verschwunden. Dann findet praktisch eine Monotherapie mit Lumefantrin statt. Dessen Fähigkeit, die übrig gebliebenen Parasiten zu eliminieren, entscheidet über den Therapieerfolg. Dieser ist bei dem genannten Therapieschema deutlich höher als bei anderen Schemata. Das Ausmaß der Lumefantrin-Resorption und damit auch der Therapieerfolg hängen von der gleichzeitigen Einnahme eines fetthaltigen Nahrungsmittels ab (s. o.). Die Kombination Artemether/Lumefantrin gilt als nebenwirkungsarm und gut verträglich.

Artesunat

 

Artesunat (15) kann intravenös, intramuskulär, oral oder rektal appliziert werden. Die intravenöse Gabe (mit oder ohne Doxycyclin) scheint der Standardtherapie der komplizierten Malaria mit intravenösem Chinin (ebenfalls mit oder ohne Doxycyclin) überlegen zu sein.

Antifolate

Während der Mensch auf die Aufnahme von Folsäure mit der Nahrung angewiesen ist, können Bakterien und Protozoen diese selbst synthetisieren (Abb. 13). Da die Dihydropteroat-Synthase beim Menschen nicht vorhanden ist und sich die Dihydrofolat-Reduktase der Mikroorganismen in ihrer Struktur ausreichend von dem menschlichen Enzym unterscheidet, werden Hemmstoffe dieser beiden Enzyme schon seit Beginn der antimikrobiellen Chemotherapie eingesetzt. Die Hemmstoffe der Dihydropteroat-Synthase – Sulfadoxin (16) und Dapson (17) – wirken synergistisch mit den Hemmstoffen der Dihydrofolat-Reduktase – Pyrimethamin (18), Cycloguanil und Chlorcycloguanil (20) (Abb. 14). Der Therapieerfolg einer Antifolat-Kombination hängt hauptsächlich vom Mutationsstatus des Dihydrofolat-Reduktase-Gens ab. Die Dreifachmutante S108N/N51I/C59R ist etwa 100-mal und die Vierfachmutante S108N/N51I/C59R/I164L etwa 500-mal weniger empfindlich gegenüber Pyrimethamin als der Wildtyp. Das Chlorcycloguanil weist eine noch ausreichende Aktivität gegenüber der Dreifachmutante auf, nicht jedoch gegenüber der Vierfachmutante.

Sulfadoxin/Pyrimethamin (SP)

 

In vielen Ländern hat die Kombination von Sulfadoxin (16) und Pyrimethamin (18) (SP; Fansidar®) Chloroquin als erste Therapieoption zur Behandlung der unkomplizierten Malaria abgelöst. SP gilt als gut verträglich; lediglich bei länger andauernder prophylaktischer Verwendung traten die typischen Sulfonamid-Langzeitnebenwirkungen wie Knochenmarkdepression und toxische Dermolyse auf, weshalb die Kombination in den Industriestaaten nicht mehr auf dem Markt ist. Gegen Parasiten, die die Dreifach- oder Vierfachmutante des Dihydrofolat-Reduktase-Gens tragen, ist SP unwirksam. Die Verbreitung der Mutanten ist regional unterschiedlich und damit auch der Therapieerfolg. Wegen seines geringen Preises wird Sulfadoxin/Pyrimethamin in Afrika weiterhin häufig in Kombinationen mit Amodiaquin oder Artesunat verwendet.

Dapson/Chlorproguanil

 

Die Kombination des Lepratherapeutikums Dapson (17) (ein Sulfon und kein Sulfonamid) mit Chlorproguanil (19) weist gegenüber SP deutlich kürzere Halbwertzeiten auf (Dapson: 20 bis 30 h, Chlorcycloguanil: 12 bis 20 h; dagegen Sulfadoxin: 116 h, Pyrimethamin: 81 h; Tab. 1). Dadurch werden die Parasiten nicht so lange subtherapeutischen Konzentrationen ausgesetzt wie beim SP, was die Selektion resistenter Parasiten verzögert. Der Vertrieb der Kombination Dapson/Chlorproguanil (LapDap) und die klinische Entwicklung der Dreifachkombination Artesunat + Dapson/Chlorproguanil (CDA; Lapdap+) wurden kürzlich eingestellt, da hier ein wesentlich stärkerer Abfall der Hämoglobinkonzentration beobachtet wurde als bei der Vergleichsmedikation.

Atovaquon/Proguanil

Atovaquon (21), ein Strukturanalogon des Ubichinons, führt zum Sistieren des Elektronentransports durch die Atmungskette und zu einem Zusammenbruch des mitochondrialen Membranpotenzials mit der Folge eines schnellen Absterbens der Parasiten (Abb. 15). Unter einer Monotherapie kommt es jedoch schnell zur Selektion resistenter Mutanten mit Therapieversagerraten um 30 Prozent. Es besteht ein ausgeprägter Synergismus mit dem nicht-biotransformierten Proguanil (22). Dessen Umwandlung in den Dihydrofolat-Reduktase-Inhibitor Cycloguanil ist für die Wechselwirkung mit dem Atovaquon bedeutungslos.

Die Wahrscheinlichkeit, dass unter der Therapie mit der Kombination Atovaquon/Proguanil (Malarone®) Resistenzen entstehen, ist sehr gering. Bis jetzt sind nur 14 solcher Fälle dokumentiert, bei denen zu Beginn der Therapie Parasiten mit Wildtyp-Cytochrom-bc1-Komplex isoliert wurden, während die nach einem Rezidiv isolierten Parasiten eine Mutation im Cytochrom-bc1-Gen aufwiesen. Gegen Parasiten, die von Beginn an diese Mutation aufweisen, ist Atovaquon/Proguanil a priori wirkungslos. Die Häufigkeit solcher Parasiten scheint allerdings unter einem Prozent zu liegen.

Atovaquon ist ebenfalls eine lipophile Substanz, die mit fetthaltiger Nahrung besser (Faktor 3) resorbiert wird. Atovaquon/Proguanil ist gut verträglich und wirkt nicht nur gegen die Blut-, sondern auch gegen die Leberstadien der Parasiten. Sie wird deshalb häufig zur Prophylaxe eingesetzt.

Arzneimittelsicherheit

Vom Erwerb der Malariamedikamente erst im Reiseland ist grundsätzlich abzuraten. Zwar sind viele Präparate im Ausland erheblich billiger zu bekommen, doch ist der Pharmamarkt in Ländern der Dritten Welt ungenügend kontrolliert. Schlechte Lagerbedingungen mit vorzeitigem Wirkverlust der Medikamente, Umverpackungen oder gar Fälschungen kommen häufig vor. Der Reisende kann sich nicht darauf verlassen, dass die Medikamente, die er in einem Entwicklungsland erwirbt, auch die Menge Wirkstoff enthalten, die auf der Packung verzeichnet ist.

Antibiotika

Die Mehrzahl der Antibiotika wirkt vermutlich auf den Bakterien-ähnlichen Proteinbiosyntheseapparat des Apikoplasten, der wahrscheinlich das Überbleibsel einer im Laufe der Entwicklung in das Ur-Plasmodium "eingewanderten" Rotalge ist. Charakteristischerweise sind die Malaria-Parasiten gegenüber bestimmten Antibiotika während des ersten asexuellen Zyklus wenig empfindlich, jedoch sterben sie während des zweiten Zyklus ab. Diese Verhalten wird als verzögerter Wirktyp (engl.: delayed death effect) bezeichnet. Wird eine Malaria ausschließlich mit Antibiotika behandelt, so ist eine Besserung der Symptomatik erst nach ca. vier Tagen zu erwarten, was im Falle nicht-immuner Patienten deutlich zu spät ist. Antibiotika werden daher zur Therapie ausschließlich in Kombination mit schneller wirksamen Malariatherapeutika (meist Chinin oder Artesunat) eingesetzt. Sie sind wertvolle Kombinationspartner, da bisher keine Berichte über klinisch relevante Resistenzen vorliegen.

Doxycyclin

 

Doxycyclin (23, Abb. 16) wird in Kombination mit Chinin oder Artesunat zur intravenösen Therapie der komplizierten Malaria verwendet, die Kombination Chinin/Doxycyclin auch zur oralen Therapie der unkomplizierten Malaria. Obwohl für diese Indikation nicht zugelassen, wird Doxycyclin allein auch zur Prophylaxe für Fälle empfohlen, bei denen mit multiresistenten Parasiten zu rechnen ist oder Mefloquin-Kontraindikationen vorliegen. Wegen der Gefahr von Ösophagus-Ulzera soll der Patient Doxycyclin aufrecht stehend mit viel Flüssigkeit einnehmen. Zur Vermeidung phototoxischer Reaktionen ist auf ausreichenden Sonnenschutz zu achten, die tropische Mittagssonne sollte gemieden werden. Bei Frauen können vermehrt Vaginalmykosen auftreten.

Clindamycin

 

Im Gegensatz zum Doxycyclin gilt Clindamycin (24 , Abb. 16) als sicher in der Schwangerschaft und kann auch kleinen Kindern verabreicht werden. Somit stellt es für die Therapie eine echte Alternative zum Doxycyclin dar. Wegen seiner schnellen Elimination (Halbwertszeit 2 bis 4 h) ist Clindamycin nicht zur Prophylaxe geeignet.

Azithromycin

 

Azithromycin (25 , Abb. 16) gehört zur Klasse der Makrolidantibiotika, die durch einen makrozyklischen Lactonring gekennzeichnet sind. Es ist sehr wirksam gegenüber P. vivax (Effektivität 98%), jedoch nur unzureichend wirksam gegenüber P. falciparum • In zwei kürzlich publizierten Studien wurden mit relativ hohen Azithromycindosen (bis 1500 mg/Tag) in Kombination mit Chinin oder Artesunat Heilungsraten von über 90 Prozent erzielt.

Fosmidomycin

Fosmidomycin (26 , Abb. 16) hemmt die Deoxyxylulose-5-phosphat-Reduktoisomerase (DXR), ein Schlüsselenzym der Mevalonat-unabhängigen Isoprenoid-Synthese. Dieser Stoffwechselweg kommt bei den Parasiten, nicht jedoch beim Menschen vor. Die Kombination von Fosmidomycin mit Clindamycin oder Artesunat war in klinischen Studien effizient und gut verträglich.

 

Anschriften der Autoren:

Priv.-Doz. Dr. August Stich

Tropenmedizinische Abteilung

Missionsärztliche Klinik gGmbH

Salvatorstr. 7, 97074 Würzburg

stich@missioklinik.de

 


Mirko Altenkämper

Institut für Pharmazeutische Chemie

Philipps-Universität Marburg

Marbacher Weg 6, 35032 Marburg

altenkae@staff.uni-marburg.de

 


Prof. Dr. Martin Schlitzer

Institut für Pharmazeutische Chemie

Philipps-Universität Marburg

Marbacher Weg 6, 35032 Marburg

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