Nahrungsergänzung

Magnesium und das Herz-Kreislauf-System

Magnesium ist ein Aktivator von mehr als 300 Enzymsystemen und ist an allen ATP-abhängigen Prozessen beteiligt. Über die Interaktion mit Phospholipiden stabilisiert es die Zellmembran. Als Cofaktor der Na+ /K+ -ATPase reguliert es die Erregungsleitung in Nerven- und Muskelzellen. Dies betrifft insbesondere den Herzmuskel. Magnesium ökonomisiert die kardiale Bioenergetik, es wirkt antiarrhythmisch und kardioprotektiv.

Durch seinen Antagonismus zu Calcium schützt Magnesium die Myokardzelle bei ischämischen Perfusionsstörungen vor einer Calciumüberladung. Dagegen erhöht ein Magnesiummangel die Durchlässigkeit der K+ -Kanäle, was sich ungünstig auf das Aktionspotenzial des Herzmuskels auswirkt.

Jede Modifikation des endogenen Magnesiumstatus hat Veränderungen des Gefäßtonus und damit des arteriellen Blutdrucks zur Folge. Ein Magnesiummangel begünstigt die Entwicklung eines Hochdrucks und steigert das Risiko für atherothrombotische Ereignisse. Darüber hinaus konnte experimentell gezeigt werden, dass ein Mangel an Magnesium die Lipidperoxidation und die Entwicklung von Dyslipoproteinämien steigert.

Antihypertonika und ­Magnesium

Für die medikamentöse Hochdrucktherapie steht derzeit – der komplexen Blutdruckregulation entsprechend – eine Reihe von Arzneistoffen mit vielfältigen Angriffspunkten zur Verfügung, darunter Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer, AT1 -Blocker und Calciumantagonisten. Thiaziddiuretika werden aufgrund neuerer Studienergebnisse (z. B. ALLHAT-Studie) in den aktuellen Hypertonie-Leitlinien vermehrt als Initialtherapie empfohlen. Eine wesentliche Nebenwirkung der Thiazid- und Schleifendiuretika ist die erhöhte renale Ausscheidung von Magnesium und Kalium (Abb. 1).


Abb. 1: Störung des Magnesiumhaushalts durch die dauerhafte Anwendung von Diuretika.

Da Magnesium eine Schlüsselrolle bei der intrazellulären Kaliumregulation spielt, zieht eine Hypomagnesiämie auch eine zelluläre Kaliumdepletion nach sich, während die zellulären Natrium- und Calciumkonzentrationen ansteigen.

Die Ergebnisse einer großen Metaanalyse aus dem Jahr 2002 zeigen, dass der blutdrucksenkende Effekt von oral zugeführtem Magnesium dosisabhängig ist. Mit jeder Zunahme der täglichen Magnesiumdosis um 10 mmol sank der systolische Blutdruck um 4,3 mm Hg und der diastolische Blutdruck um 2,3 mm Hg.


Für Prävention und Therapie

Vitamine, Mineralstoffe und andere Mikronährstoffe spielen eine große Rolle bei der Prävention und Therapie ernährungsassoziierter Krankheiten. Eine chronische Unterversorgung an essenziellen Mikronährstoffen kann komplexe metabolische Störungen auslösen, auf deren Boden sich im Lauf der Jahre handfeste Zivilisationserkrankungen entwickeln. In dieser Serie werden die wesentlichen, aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über Mikronährstoffe kurz und übersichtlich zusammengefasst. Nutzen Sie das Wissen bei der Beratung in der Apotheke!



Eine aktuelle Studie, die den Einfluss von Antihypertonika auf den Magnesiumhaushalt erfasste, hat gezeigt, dass Bluthochdruckpatienten unter einer antihypertensiven Therapie (z. B. Diuretika, ACE-Hemmer, Betablocker) im Vergleich zu Kontrollen häufig einen defizitären Magnesiumstatus aufweisen. Die Kompensation des Magnesiumdefizits durch Magnesiumsupplemente führte hierbei neben einem hoch signifikanten Anstieg des Magnesiumblutspiegels zu einer durchschnittlichen Abnahme des systolischen Blutdrucks um 15 bis 20 mm Hg und des diastolischen Blutdrucks um 5 bis 9 mm Hg. Auch die Häufigkeit von typischen Beschwerden, wie unregelmäßiger Herzrhythmus, Herzschmerzen, Schlafstörungen oder Nervosität, nahm nach Berichten der Patienten in dieser Studie unter der oralen Supplementierung von Magnesium (320 mg/d) ab [1, 2].


Therapie mit Diuretika

Bei einer Langzeittherapie mit Diuretika drohen Magnesium- und Kaliummängel. Hypomagnesiämie und/oder Hypokaliämie begünstigen das Auftreten kardiovaskulärer Komplikationen (z. B. Arrhythmien) sowie Störungen der Glucosetoleranz und des Lipidstoffwechsels. Dagegen kann die Supplementierung von Magnesium bei Hypertonikern sowohl den Bedarf an Antihypertonika (z. B. Diuretika) verringern als auch die Herz-Kreislauf-Funktion verbessern.

Magnesiumorotat bei Herzinsuffizienz

In einer aktuellen placebokontrollierten Studie (MACH) erhielten Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium IV) zwölf Monate lang eine adjuvante Supplementierung von Magnesiumorotat (1. Monat: 6 g/d, dann: 3 g/d, p. o.). Nach Ablauf dieses Zeitraums lebten in der Verumgruppe noch 28 von 37 Patienten (75,7%), während in der Placebogruppe nur 16 von 31 Patienten (51,6%) überlebt hatten. Auch der Gesundheitszustand der überlebenden Patienten unterschied sich in den beiden Gruppen: In der Verumgruppe zeigten elf Patienten (38,5%) eine signifikante Verbesserung der klinischen Symptomatik, fünf von ihnen waren sogar in das weniger schwere NYHA-Stadium III gewechselt. Bei weiteren 14 Patienten (50%) war der Zustand unverändert. Demgegenüber war in der Placebogruppe bei keinem einzigen Patienten eine Verbesserung der kardiovaskulären Symptomatik eingetreten, sondern sie hatte sich bei neun Patienten (56,3%) sogar verschlechtert [3].

Bemerkenswert ist, dass hier die Verbesserung der kardialen Bioenergetik mit einem Gewinn an Lebenszeit assoziiert war.


Anwendungsgebiete
Empfohlene Dosierung
Applikation
Allgemeine Prävention
250–500 mg/d (z. B. Aspartat, Citrat, Gluconat)
Umrechnung: 24,3 mg Mg = 1 mmol Mg2+
p.o.
Alkoholentzugssyndrom
Bolus: 8 mmol/5 min
dann: 65 mmol über 24 h
i.v.
Asthmaanfälle, leichte
10–15 mmol/20–30 min
i.v.
Autismus
200–800 mg/d zusammen mit Vitamin B6
Calciumoxalat-Steine (Niere)
300–600 mg/d (als Citrat)
p.o.
Diabetes mellitus
300–1000 mg/d (z. B. Orotat, Aspartat)
p.o.
Diuretika (Thiazide, Schleifendiuretika)
300–500 mg/d (z. B. Orotat, Citrat)
p.o.
Hereditäre Magnesiummangel-Tetanie
600–1800 mg/d
p.o.
Herzglykosidtherapie
300–500 mg/d (z. B. Orotat)
p.o.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen:
Hypertonie, KHK
Herzinsuffizienz
Akuter Myokardinfarkt
Torsades-de-pointes-Tachykardien

300–1000 mg/d (z. B. Orotat, Aspartat)
3000–6000 Magnesiumorotat/d
Bolus: 8 mmol MgSO4 über 5 min
dann: 65 mmol über 24 h (LIMIT-2-Studie)
Bolus: 8–24 mmol,
dann: 2–8 mmol/h
(abhängig vom Mg-Spiegel!)

p.o.
p.o.
i.v.
i.v.
Hörsturz
300–900 mg/d
p.o.
Hyperkinetisches Syndrom (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, (ADHS)
300–1000 mg/d (z. B. Orotat)
p.o.
Leistungssport
300–1000 mg/d (z. B. Orotat)
p.o.
Migräne, migräneartige Kopfschmerzen
Migräneprophylaxe
Migräneanfall

400–900 mg/d (z. B. Citrat)
1 g MgSO4 /15 min

p.o.
i.v.
Muskel-, Wadenkrämpfe
300–600 mg/d zusammen mit Kalium
p.o.
Osteoporose
400–600 mg/d
p.o.
PMS
300–600 mg/d (z. B. Citrat)
p.o.
Schlaganfall, frischer
Bolus: 8 mmol/5 min
dann: 65 mmol über 24 h
i.v.
Schlafstörungen
400–800 mg/d (abends) plus
L -Tryptophan
p.o.
Schwangerschaft/Stillzeit
Geburtshilfe (z. B. Frühgeburtsbestrebungen)
Prophylaxe
bei schwerer Präeklampsie
Konvulsionsprophylaxe und Therapie
der Eklampsie
400–600 mg/d
2–8 mmol/h

Bolus: 4 g MgSO4 /30 min
dann: 1 g MgSO4 /h bis 48 h post partum
Bolus: 4 g MgSO4 /30 min
dann: 2 g MgSO4 /h als Dauertherapie (Infusionspumpe) bis 48 h post partum
p.o.
i.v.
(langsam)
i.v.
(langsam)
i.v.
(langsam)
Schädel-Hirn-Trauma
Bolus: 8 mmol/5 min
dann: 65 mmol über 24 h
i.v.
Weitere Anwendungsgebiete (p.o.):
Chronisches Müdigkeitssyndrom (mit Carnitin), Dyslipoproteinämie, Dysmenorrhö, Fibromyalgie (mit L-Carnitin), HIV, Hypokaliämie, Infertilität

Magnesium (Mg)

(aus Uwe Gröber: Mikronährstoffe – Beratungsempfehlungen für die Praxis (Kitteltaschenbuch))

Funktionen:

  • Aktivator/Cofaktor von mehr als 300 Enzymen (alle ATP-abhängigen Reaktionen)
  • Energiestoffwechsel jeder Körperzelle (ATP-Produktion): Abbau und energetische Verwertung von energieliefernden Makronährstoffen (Kohlenhydrate, Lipide, Proteine) im Intermediärstoffwechsel (z. B. Glykolyse, Atmungskettenphosphorylierung)

  • Herz-Kreislauf-System: Ökonomisierung der kardialen Pumpfunktion, Stressabschirmung, Vasodilatation koronarer und peripherer Gefäße, Thrombozytenaggregation↓;

  • Physiologischer Calciumantagonist: Kontrolle des Calciumeinstroms an der Zellmembran (Ablauf von Kontraktionen, Regulation des Gefäßmuskeltonus);

  • Neuromuskuläre Erregungsleitung (Hemmung der calciumabhängigen Acetylcholin-Freisetzung an der motorischen Endplatte), Aufrechterhaltung und Stabilisierung der Membranphysiologie, Muskelkontraktion;

  • NMDA-Rezeptor-Antagonist: Exzitatorische Aminosäuren (z. B. Glutamat) wirken über NMDA-Rezeptor;

  • Knochenmineralisation (Aufbau der Knochenmatrix);

  • Regulation des Calcium- und Kaliumstoffwechsels;

  • Vitaminstoffwechsel (z. B. Vitamin D und B1);

  • Hormon-, Protein- und Nucleinsäuresynthese.

Empfohlene Zufuhr (laut D-A-CH):

Jugendliche und Erwachsene 300–400 mg/d, Schwangere 310–350 mg/d, Stillende 390 mg/d. Der Magnesiumbedarf liegt bei etwa 3 bis 4,5 mg/kg Körpergewicht pro Tag.


Magnesium-Status: Normalwerte: a) Serum: 0,8–1,1 mmol/l (1,95–2,68 mg/dl); optimal (z. B. Sportler): ≥ 0,9 mmol/l; b) Vollblut: 1,38–1,50 mmol/l; c) Urin: 3,0–6,0 mmol/24 h; Mg-Mangel: Serum: < 0,8 mmol/l.

Hinweis:

Magnesium liegt zu 95% intrazellulär vor. Erythrozyten enthalten etwa dreimal soviel Magnesium wie das Plasma. Normale Serumkonzentrationen schließen einen intrazellulären Magnesiummangel nicht aus! Eine Hypomagnesiämie kann zusätzlich mit einem Mangel an Kalium (< 3,5 mmol/l, Referenzbereich: 3,6–4,8 mmol/l) und Calcium assoziiert sein. Ein guter Indikator für einen Magnesiummangel ist der Magnesiumretentionstest.


Interaktionen mit Arzneimitteln und Nährstoffen: Störung des renalen Magnesiumspareffektes/erhöhte renale Exkretion: Aminoglykoside (z. B. Gentamicin), Amphotericin B, Carboplatin, Cisplatin, Ciclosporin, Foscarnet, Herzglykoside, Methotrexat, Thiazide (z. B. HCT), Schleifendiuretika (z. B. Furosemid, Torsamid), Pentamidin, Tacrolimus, Alkohol, Coffein.


Beeinträchtigung der Resorption/Utilisation: ACE-Hemmer, Antazida, Bisphosphonate, Chinolone, Colchicin, Colestyramin, Corticoide, Herzglykoside (z. B. Digoxin), hormonelle Kontrazeptiva, Laxanzien, Orlistat, Penicillamin, Tetracycline, Zink, Phosphat, Ballaststoffe.


Erhöhter Bedarf: Stress, Schwangerschaft, Stillzeit, Leistungssport, Aluminiumbelastung; Ernährung: Alkoholmissbrauch, magnesiumarme Diäten; Erhöhte Verluste: Erbrechen, Diarrhöen, Diabetes mellitus, diabetische Ketoazidose, Nierenerkrankungen; Endokrine Störungen: Hyperaldosteronismus, -parathyreoidismus, -thyreose; Malabsorption: Diarrhöen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), HIV-Infektion, Krebs, Kurzdarmsyndrom, Leber-, Pankreaserkrankungen.


Mangelsymptome: Allgemein: Angst, Depressionen, Dysmenorrhö, Hyperaktivität, Kopfschmerzen, Lärmempfindlichkeit, geringe Stresstoleranz, Schlafstörungen; Muskulatur: Fußsohlen-, Waden-, Gesichtsmuskel-, Kaumuskelkrämpfe, Faszikulationen (isolierte Muskelzuckungen, z. B. Augen-, Mundwinkel); Nerven/ZNS: Migräne, Nervosität, erhöhte Ansprechbarkeit der NMDA-Rezeptoren auf exzitatorische Neurotransmitter, Hyperaktivität, Impulsivität, Parästhesien, Tremor; Gastrointestinaltrakt: Obstipation; Herz-Kreislauf-System: Arrhythmien, Bluthochdruck, Gefäßspasmen, myokardiale Pumpfunktion↓, Herzglykosidintoleranz↑; Elektrolyte: Hypomagnesi-, -kali-, -kalzämie; Stoffwechsel: Dyslipoproteinämie (Triglceride ↑, Gesamt-Cholesterol↑), Glucosetoleranz↓, Risiko für metabolisches Syndrom↑, Störungen des Knochen- und Vitamin-D-Stoffwechsels, Calciumoxalatsteinrezidive; Schwangerschaft: Schwangerschaftskomplikationen (z. B. Abort, vorzeitige Wehen, Eklampsie).


Einnahme: Über den Tag verteilt, zwischen den Mahlzeiten. Organ. Mg-Salze (Aspartat, Orotat) haben eine höhere Bioverfügbarkeit als anorganische Verbindungen.


Gegenanzeigen: oral: Schwere Niereninsuffizienz, Ca-Mg-Ammonium-Phosphat-Steine; parenteral: AV-Block, Myasthenia gravis, Niereninsuffizienz.


Anwendungsbeschränkung: Niereninsuffizienz, Hypophosphatämie (Magnesiumcarbonat).


Nebenwirkungen: oral: Diarrhö, weiche Stühle, Müdigkeit; parenteral: Flush, Wärmegefühl, Verlangsamung der Herz- und Atemtätigkeit: a) ≥ 3,5 mmol/l: Erbrechen, Übelkeit, Verlust des Patellarsehnenreflexes, b) ≥ 5 mmol/l: Atemdepression (langsam i.v. applizieren!).


Höchste, auf Dauer unschädliche Aufnahme ( UL): 350 mg, Höchste unschädliche Aufnahme (NOAEL): 700 mg.


Wechselwirkungen: a) oral: 2–3 h Einnahmeabstand zu Allopurinol, Atenolol, Bisphosphonaten, Eisen, Chinolonen, Chlorpromazin, Digoxin, Isoniazid, Ketoconazol, Natriumfluorid, Penicillamin, Tetracyclinen (Resorptionsstörungen); b) parenteral: Ca-Antagonisten (verstärkte Wirksamkeit), Barbiturate, Hypnotika, Narkotika (Risiko der Atemdepression↑).


Literatur
[1] Gröber, U., Antihypertensives and magnesium – Update 2007. Trace elements and electrolytes 2008;25(2):25–26.
[2] Gröber, U., Antihypertonika und Magnesium – Update 2007. Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2007;36 (11):558–559.
[3] Stepura OB, Martynow AI. Magnesium orotate in severe congestive heart failure (MACH). Int J Cardiol 2008;124:40–46.
[4] Gröber U: Mikronährstoffe – Beratungsempfehlungen für die Praxis. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2006.
[5] Gröber U: Arzneimittel und Mikronährstoffe – Medikationsorientierte Supplementierung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2007.



 

 

Anschrift des Verfassers:
Uwe Gröber Akademie & Zentrum für Mikronährstoffmedizin,
Zweigertstraße 55,
45130 Essen

 

 

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