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Ernährung aktuell
Im Sommer ist gut Kirschen essen
Bereits 74 v. Ch. wusste der römische Feldherr Lukullus um den schmackhaften Genuss von Kirschen und brachte sie als Trophäe seiner Feldzüge von der Türkei mit nach Rom. Von dort aus verbreitete sich die Frucht über ganz Europa und wird heute hauptsächlich in Frankreich, Italien und Deutschland angebaut. Ein harter Stein umgeben von saftigem Fruchtfleisch ist das gemeinsame Merkmal von Steinobstarten, zu denen auch süße und saure Kirschen gehören. Das Fruchtfleisch entsteht durch die Verdickung der Fruchtknoten.
Süßkirschen haben Vortritt
Mit Süßkirschen (Prunus avium) wird die Saison eröffnet, da die Früchte bereits ab Anfang Juni reifen. Sie gehören zur Familie der Rosengewächse und pflegen enge verwandtschaftliche Beziehungen zu Äpfeln, Pfirsichen und Erdbeeren. Als Stammform gilt die wilde Vogelkirsche, aus der sich durch Kreuzungen und Mutationen die Kultursorten entwickelt haben. Süßkirschen lassen sich in zwei Arten unterscheiden. Die weichfleischigen Herzkirschen haben ein saftiges, mild schmeckendes Fruchtfleisch, während "Knorpelkirschen" fest und aromatisch sind. Mit einer Farbpalette von hellem Gelb bis zu sehr dunklem Rot liegen vor allem die festen, großfruchtigen und dunkelroten Süßkirschen bei Verbrauchern im Trend.
Von der Hand in den Mund
… schmecken süße Kirschen am besten. Die roten Früchte sind sensibel – einmal gepflückt halten sie sich nur zwei bis drei Tage im Kühlschrank. Wer etwas länger frischen Genuss erleben möchte, kann Süßkirschen gut einfrieren (am besten entsteint). Darüber hinaus eignen sie sich hervorragend in Joghurt als Kompott und lassen sich zu Konfitüre und Roter Grütze verarbeiten. In den 80er Jahren erfreute sich das rote Früchtchen als Cocktailkirsche allgemeiner Beliebtheit und zierte Mixgetränke, Torten oder Eisspeisen. Kernlos und in Maltosesirup eingelegt, verliert die Frucht zunächst sowohl Kirschgeschmack als auch Farbe. Eine anschließende Behandlung mit Farb- und Konservierungsstoffen gibt der Cocktailkirsche das grelle Rot und verleiht ihr eine leichte Transparenz.
Fakten rund um die Kirsche
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Sauerkirschen sind sommerlich in Höchstform
Einen Monat später als ihre süße Schwester reift die Sauerkirsche (Prunus cérasus) zwischen Mitte Juli und Anfang August. Das "Mehr" an Sonne verleiht der herben Frucht mitunter eine kräftig dunkelrote bis fast schwarze Färbung. Als Rosengewächs ursprünglich auch aus der Vogelkirsche hervorgegangen lassen sich bei der echten Sauerkirsche (Morelle) Amarellen und Weichseln unterscheiden. Während Amarellen aufgrund ihrer hellen Früchte für den Markt nur begrenzt von Bedeutung sind, gehören Weichseln mit ihren saftigen, dunklen Früchten zu den beliebtesten Sauerkirschsorten. Vor allem die Schattenmorelle deckt 80 bis 90 Prozent des Anbaus ab.
Sauer in süßer Gesellschaft
Sauerkirschen enthalten etwas weniger Fruchtzucker als Süßkirschen, besitzen dafür deutlich mehr Fruchtsäure, weshalb sie für den Frischverzehr weniger beliebt sind. Ihre Bestimmung finden sie jedoch in der Zubereitung von Konfitüren, Desserts und zahlreichen Kuchen. Nach Zusatz von Zucker und Wasser wird der gepresste Saft häufig als Kirschnektar angeboten. Feinschmecker schätzen den eher seltenen Kirschsekt und Kirschessig. Mit dunkler Schokolade umhüllt und in Likör eingelegt, wird zudem aus so mancher Sauerkirsche ein köstlicher Pralinengenuss, der, möchte man dem Motto eines namhaften Süßwarenherstellers glauben, nach der Sommerpause besonders begehrt zu sein scheint.
Knackige Inhaltsstoffe
Beide Kirschsorten besitzen zwar einen jeweils unterschiedlichen Fruchtsäuregehalt, doch stimmen ihre Inhaltsstoffe weitgehend überein. Sowohl Süß- als auch Sauerkirschen sind gute Vitamin-C-Quellen. Süßkirschen verfügen über einen größeren Anteil an Kalium, Magnesium und Spurenelementen, enthalten Salizylsäure und warten mit zahlreichen Aminosäuren auf. Sauerkirschen hingegen trumpfen durch mehr Folsäure und Eisen. Ihr kräftiges Rot verdanken die Früchte den Anthozyanen, rotvioletten Pflanzenfarbstoffen, die als bioaktive Substanzen vor freien Radikalen schützen, Entzündungen hemmen und damit schmerzlindernd wirken können. Dabei gilt: je intensiver die Färbung, desto mehr Anthocyane sind enthalten. Den Ergebnissen einer amerikanischen Studie nach zu urteilen, schützt das Steinobst nicht nur vor Gicht und lässt den Harnsäurespiegel sinken, sondern kann auch möglichen Muskelschmerzen vorbeugen.
Tab. 1: Energiegehalt und ausgesuchte Inhaltsstoffe von Sauer- und Süßkirschen (pro 100 g essbarem Anteil) | ||
Inhaltsstoff |
Sauerkirsche |
Süßkirsche |
Energiegehalt |
226 kJ/53 kcal |
266 kJ/63 kcal |
Wasser |
84,8 g |
82,8 g |
Eiweiß |
0,9 g |
0,9 g |
Fett |
0,5 g |
0,3 g |
Kohlenhydrate |
9,9 g |
13,3 g |
Kalium |
115 mg |
235 mg |
Magnesium |
8 mg |
13 mg |
Calcium |
8 mg |
17 mg |
Eisen |
600 µg |
350 µg |
β-Carotin |
240 µg |
35 µg |
Vitamin E |
130 µg |
130 µg |
Vitamin C |
12 mg |
15 mg |
Nicotinamid |
400 µg |
270 µg |
Folsäure |
75 µg |
50 µg |
Biotin |
– |
400 ng |
Glucose |
5180 mg |
6930 mg |
Fructose |
4280 mg |
6140 mg |
Apfelsäure |
1800 mg |
940 mg |
Oxalsäure |
4700 µg |
7200 µg |
Salizylsäure |
– |
850 µg |
Quelle: Lebensmitteltabelle für die Praxis, Der kleine Souci, Fachmann, Kraut, 3. Auflage, WVG Stuttgart |
Kerniges Zentrum
Der Stein – aus botanischer Sicht fälschlicherweise meist als "Kern" bezeichnet – ist der Samen des Kirschbaums und wird vor allem durch Vögel, aber auch durch den Menschen verbreitet. Fast kugelförmig, variiert sein Durchmesser je nach Fruchtgröße. Kirschsteine enthalten geringe Mengen Blausäure. Getrocknete, in Stoffbeutel eingeschlossene Kerne lassen sich in Backofen oder Mikrowelle erwärmen und zur Linderung von Schmerzen oder Verspannungen anwenden. Ein bemerkenswertes Kunsthandwerk ist im Grünen Gewölbe in Dresden zu bewundern: In einen einzigen Kirschkern wurden 185 Köpfe geschnitzt.
Sti(e)lfrage – mit oder ohne?
Für den perfekten Umgang mit Kirschen gilt grundsätzlich – der Stiel bleibt dran und zwar solange, bis die Frucht gepflückt und gewaschen wurde, um möglichst wenig Saft zu verlieren. Süßkirschen sollten in der Regel immer per Hand vom Baum genommen werden, bei Sauerkirschen hängt die Pflücktechnik von der Weiterverarbeitung ab. Zur industriellen Ernte sind auch schon mal Schüttelmaschinen im Einsatz, weil es dann auf die Unversehrtheit der Früchte nicht unbedingt ankommt. Der Stiel lässt sich übrigens als Qualitätsmerkmal heranziehen – je grüner, glatter und fester er an der Kirsche hängt, desto frischer ist die Ware.
Literatur
Ternes, Teufel, Tunger, Zobel, "Lexikon der Lebensmittel und der Lebensmittelchemie", WVG Stuttgart, 2007
Der kleine Souci, Fachmann, Kraut, "Lebensmitteltabelle für die Praxis", WVG Stuttgart, 3. Auflage, 2004
Anne Willan, "Die große Schule des Kochens", Christian Verlag, München, 3. Auflage, 1994
Apothekerin Franziska Wartenberg
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