Arzneimittel und Therapie

Neuer Wirkstoff gegen resistente HI-Viren in Aussicht

Nicht-nukleosidische reverse Transkriptase-Inhibitoren sind ein wichtiger Bestandteil der antiretroviralen Therapie, insbesondere am Anfang der Therapie bei therapienaiven HIV-Patienten. Allerdings besteht bei allen bisher bekannten Vertretern dieser Klasse eine 100%ige Kreuzresistenz. Das heißt, eine Resistenzentwicklung gegen eine Substanz bedeutete bisher immer den Verlust der ganzen Wirkstoffklasse. Die Neuentwicklung Etravirin scheint diesen Bann nun zu brechen.

Die Wirkung der nicht-nukleosidischen reversen Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) beruht auf der Hemmung des viruseigenen Enzyms reverse Transkriptase, welches die genetische Information von RNA in DNA umschreibt. Dieser Schritt wird durch NNRTI unterbrochen und so neue Zellen vor einer Infektion geschützt. Vertreter der Klasse der nicht-nukleosidischen reversen Transkriptase-Inhibitoren sind Efavirenz (Sustiva®) und Nevirapin (Viramune®) sowie das bisher nur in den USA zugelassene Delavirdin. Leider hat die Entwicklung von Resistenzen bisher den Einsatz dieser Wirkstoffklasse auf therapienaive Patienten limitiert. Etravirin, ein neuer Vertreter dieser Gruppe, der sich in der klinischen Entwicklung befindet, scheint nun auch bei intensiv vorbehandelten Patienten mit NNRTI-Resistenz wirksam zu sein.

Das Diarylpyrimidin-Analogon Etravirin (TMC125) wurde in zwei doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studien untersucht. Aufgenommen wurden nur intensiv vorbehandelte Patienten mit HIV-1-Infektion und einer Viruslast von mehr als 5000 Kopien/ml. Bei den Patienten mussten bereits drei oder mehr Proteasehemmer-Mutationen vorliegen und eine NNRTI-Resistenz nachgewiesen sein. Behandelt wurde mit 200 mg Etravirin zweimal täglich oder Placebo, jeweils kombiniert mit einem Basisregime, bestehend aus 600 mg Darunavir und 100 mg Ritonavir zweimal täglich sowie einem vom behandelnden Arzt bestimmten nukleosidischen reversen Transkriptase-Hemmer (NRTI) und optional Enfuvirtid. Primärer Endpunkt der Studien war das Senken der Viruskonzentration unter die Nachweisgrenze (< 50 Kopien/ml) nach 24 Wochen.

An der einen Studie nahmen 612 Patienten teil. In der Verum-Gruppe mit Etravirin plus Basisregime erreichten signifikant mehr Patienten eine Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze (< 50 Kopien/ml) als in der Placebogruppe (56% vs. 39%, p = 0,005). Ähnlich das Ergebnis der anderen Studie: Bei 591 Patienten mit nachgewiesener NNRTI-Resistenz konnte bei 62% durch Etravirin plus Basisregime im Vergleich zu 44% durch alleinige Basisbehandlung eine Senkung der Viruslast unter die Nachweisgrenze erzielt werden (p = 0,0003).

Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Hautausschlag, Übelkeit und Diarrhö. Diese waren mit dem neuen NNRTI häufiger als mit Placebo. Dagegen waren neuropsychiatrische Störungen unter Etravirin vergleichbar häufig, teilweise sogar seltener als mit der alleinigen Basisbehandlung.

Retroviren

Reverse Transkriptase Onkoviren (kurz: Retroviren) tragen ihre Erbinformation in Form von einer Einzelstrang-RNS im Inneren ihrer Virushülle. Diese Erbinformation wird nach dem Eindringen in die Wirtszelle durch das Enzym reverse Transkriptase in DNS umgewandelt und als DNS in das Genom der Wirtszelle integriert.

Retroviren sind als Erreger im Tierreich ubiquitär verbreitet. Sie infizieren Säugetiere, Vögel, Amphibien, Reptilien und Fische. Sie sind jedoch meistens sehr spezifisch auf ihren Wirt beschränkt. Als Auslöser von Krankheiten beim Menschen kennt man neben dem HI-Virus das humane T-Zell-lymphotrope Virus Typ I (HTLV-I).

Keine Kreuzresistenz

Unter den bisher zugelassenen NNRTIs besteht zu 100% eine Kreuzresistenz. Das heißt, wenn ein Patient resistente Viren gegen einen Vertreter der nicht-nukleosidischen reversen Transkriptase-Inhibitoren entwickelt, wirkt auch kein anderer NNRTI mehr. Für Etravirin scheint diese Tatsache nun nicht mehr zu gelten. Das ist das besondere an der neuen Entwicklung und öffnet erneut verbesserte Perspektiven für HIV-Infizierte.

 

Quelle

Madruga JV, et al. Efficacy and safety of TMC125 (etravirine) in treatment-experienced HIV-1-infected patients in DUET-1. Lancet 370, 29-38 (2007).

Lazzarin A, et al. Efficacy and safety of TMC125 (etravirine) in treatment-experienced HIV-1-infected patients in DUET-2. Lancet 370, 39-48 (2007).

Hirschel B, Perneger T. No patient behind – better treatments for resistant HIV infection. Lancet 370, 3-5 (2007).

 


 

Apothekerin Bettina Martini

 

 

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