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Der Aufschwung kommt bei den Beschäftigten nicht an

Arbeitnehmer werden seit 2000 mit Reallohneinbußen abgespeist, während gleichzeitig die Unternehmensgewinne und Kapitaleinkommen steigen. Mittlerweile liegen so viele Untersuchungen zur unbefriedigenden Entwicklung der Reallöhne und anderer Lohnparameter vor, dass man solche Aussagen nicht mehr als weltfremdes Lamento der Gewerkschaften abtun kann. Arbeitgeber und Politiker sind gefragt, um durch entsprechende Tarifabschlüsse und steuerliche Rahmenbedingungen den Aufschwung auch für diejenigen spürbar zu machen, die ihn erwirtschaftet haben.

Die aktuellen Tarifforderungen von 7 oder 8% mehr Gehalt von Verdi, IG Metall und anderen großen Tariforganisationen erhalten vom Bundesfinanzminister und vom Bundesarbeitsminister grundsätzliche Unterstützung. "Die Arbeitnehmer haben es verdient, dass sie 2008 mit deutlichen Lohnerhöhungen ihren fairen Anteil am Aufschwung erhalten", so Peer Steinbrück.

Auch Wirtschaftsforscher rechnen für 2008 zum ersten Mal seit Jahren wieder mit steigenden Reallöhnen. "Wir gehen von einem durchschnittlichen Plus der Tariflöhne von knapp drei Prozent aus", so der Konjunktur-Chef des Instituts für Weltwirtschaft, Joachim Scheide, in der Bild-Zeitung.


Info

Arbeitseinkommen und Lohnquote seit Jahren schwach entwickelt


  • Die Arbeitnehmerentgelte (Bruttolöhne plus Arbeitgeberbeiträge) sind von 2001 bis 2006 nur um durchschnittlich 0,7% pro Jahr gestiegen!

  • Die preisbereinigten1 Nettogehälter lagen 2006 deutlich unter dem Niveau von 1991!

  • In Amerika, Großbritannien und Frankreich stiegen die real verfügbaren Einkommen seit 2000 um jeweils fast 20%, in Deutschland lediglich um 5%.

  • Der Anteil der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit an den privaten Haushaltseinkommen ist seit 1991 von 71% auf 59% gesunken. Dafür stiegen die Anteile von staatlichen Transferleistungen, Sozialversicherungsrenten und Mietwert von Wohneigentum.

  • Firmen- und Vermögenseinkommen sind seit 2000 um rund zwei Drittel gewachsen, Arbeitnehmereinkünfte nur um 7%.

  • Die Lohnquote² liegt heute fast 10% niedriger als 2000, die Gewinnquote³ fast 10% höher.

  • Der Anteil der geringfügig Beschäftigten stieg in den letzten zehn Jahren von 12,9% auf 17,2%.

  • Die Wirtschaftsleistung in Deutschland beruht zu 47% auf dem Export.


1 berücksichtigt die Kaufkraftminderung durch Preissteigerungen
² prozentualer Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen
³ prozentualer Anteil der Firmen- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen

Quellen: Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums, Dezember 2007; FTD vom 14.12.2007 u. a.

Apotheken: Es besteht Nachholbedarf

Auch im Apothekenbereich stehen für 2008 neue Tarifverhandlungen an. Zunächst wird über den Bundesrahmentarifvertrag verhandelt, bei dem die Leistungsorientierte Bezahlung (LOB) eingeführt werden soll. Im gleichen Atemzug werden auch die Tarifgehälter neu festgesetzt.

Die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen sollten jedem klar machen: Die öffentlichen Präsenzapotheken werden nur mit gut qualifiziertem und hoch motiviertem Personal überlebensfähig sein. Dazu gehört nicht zuletzt auch eine angemessene Bezahlung. Die Haltung der Arbeitgebervertreter in den Tarifverhandlungen im letzten Jahr lässt allerdings keinen großen Optimismus aufkommen.

Das gilt auch für die aufgebrachten Reaktionen vereinzelter ApothekenleiterInnen auf einen kleinen ADEXA-Beitrag in der DAZ 49/2007: Während von den MitarbeiterInnen wie selbstverständlich erwartet wird, dass sie die gestiegenen Anforderungen – durch die Rabattverträge und vieles andere mehr – klaglos erfüllen, wird bei den Gehältern höchstens ein Inflationsausgleich für nötig gehalten. "Meine PKA fahren alle ein Auto", so eine Arbeitgeberin in ihrem Leserbrief – will sagen, den Angestellten geht es doch sowieso allen zu gut?! Davon kann keine Rede sein. Viele Angestellte mit Teilzeitstellen sind lediglich Zuverdiener. Und wenn eine alleinerziehende PKA sich ein Auto "leistet", dann braucht sie es vermutlich auch, um ihre Kinderbetreuung zu organisieren. Da werden dann halt woanders Abstriche gemacht.

Und ansonsten gelten die Sprichworte: "Wer sich verteidigt, klagt sich an" oder "Getroffene Hunde bellen".


Tanja Kratt, ADEXA, Zweite Vorsitzende



Kommentar


Wenn Deutschland seinen konjunkturellen Aufschwung beibehalten will, muss endlich die Binnennachfrage gestärkt werden. Denn der schwache Dollar ist eine aktuelle Gefahr für die einseitig exportgestützte Konjunktur in Deutschland. Für eine nachhaltig starke Wirtschaft muss es in allen Branchen brummen – gerade auch im Einzelhandel und im Dienstleistungssektor. Und dafür müssen die Beschäftigten spürbar mehr Geld im Portemonnaie haben.

Das bedeutet für die Politik, die steuerlichen und die arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass Menschen mit geringen und mittleren Arbeitseinkommen nicht weiter belastet werden. So hat die Erhöhung der Mehrwertsteuer die private Kaufkraft erheblich geschwächt und etwaige Gehaltserhöhungen ungemerkt verpuffen lassen. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel, wie sie ADEXA seit Langem fordert, würde sowohl die privaten Haushalte entlasten als auch die Krankenkassen. Mit Blick auf bereits geplante Erhöhungen der Krankenversicherungsbeiträge – Stichwort Gesundheitsfonds – ist das eine längst überfällige Entscheidung.

Aber der schwarze Peter liegt nicht allein bei den Politikern. Auch die Arbeitgeber müssen sich an die eigene Nase fassen. Wer seine Mitarbeiter nicht angemessen bezahlt, handelt sowohl betriebs- wie volkswirtschaftlich kurzsichtig. ADEXA appelliert daher an die Arbeitgeber: Jede/r von Ihnen trägt Mitverantwortung für die Situation der Apotheken und der Gesamtwirtschaft in Deutschland. Ihre MitarbeiterInnen haben viel geleistet – und sie verdienen höhere Gehälter! Daran sollten die Arbeitgebervertreter auch in den Tarifverhandlungen in diesem Jahr denken.


Tanja Kratt, ADEXA, Zweite Vorsitzende

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