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Feuilleton
Das geht auf keine Kuhhaut!
Was heute in den Medien alles an Kosmetika angepriesen wird, um dem Altern der Haut entgegenzuwirken und so den legendären "Jungbrunnen" (oder die Erneuerung durch die "Altweibermühle") zu ersetzen, das geht auch nicht mehr auf eine Kuhhaut. Nehmen wir als Beispiel ein "Total Anti-Aging Concentrate", das ähnlich wie andere Luxus-Kosmetika über 50 Bestandteile enthält (Tab. 1).
Tab. 1: Deklarierte Inhaltsstoffe eines "Total Anti-Aging Concentrate" | |
Ingredients |
Bemerkungen |
Acrylates copolymer |
Acrylat-Copolymer, Dispergiermittel |
Adenosine |
Adenosin, soll Zellen entspannen |
Alpha-isomenthyl Ionone |
Isomenthyl-α-Ionon, Duftstoff |
Aluminum Starch Octenylsuccinat |
Aluminium-Stärke Verbindung, Stabilisator, verbessert physikalische Eigenschaften |
Aqua/Water |
Wasser |
Ascorbyl glucoside |
Glucosid von Vitamin C |
Benzyl benzoate |
Benzylbenzoat, Krätzemittel |
Benzyl salicylate |
Benzylsalicylat, wirkt antibakteriell |
C13-14 Isoparaffin |
Gemisch verzweigter Paraffine der Kettenlängen 13 und 14, Salbengrundlage |
Caffeine |
Coffein |
Cera alba/Beeswax |
Weißes Wachs/Bienenwachs, Salbengrundlage |
Cetyl alcohol |
Cetylalkohol, Salbengrundlage |
Chlorhexidine digluconate |
Chlorhexidin-Digluconat, Antiseptikum |
Chlorphenesin |
Antimykotikum |
Cholesterol |
"gutes" oder "schlechtes"? |
Citronellol |
Monoterpen, Bestandteil ätherischer Öle |
Cyclohexasiloxane |
Siloxan, das die Oberflächenspannung herabsetzt |
Fagus sylvatica extract |
Buchenextrakt (welcher Pflanzenteil?) |
Geraniol |
Monoterpen, Bestandteil ätherischer Öle |
Glycerin |
Glycerol, bewahrt Feuchtigkeit |
Glyceryl stearate |
Glycerylstearat, Emulgator |
Glycine Soja/Soybean protein |
Sojabohnen-Protein, vergleichbar mit Tofu |
Hexyl cinnamal |
α-Hexylzimtaldehyd, wirkt antibakteriell |
Hydrolized rice protein |
Reis-Protein-Hydrolysat |
Hydroxy citronellal |
Hydroxycitronellal, Monoterpen, Bestandteil ätherischer Öle |
Hydroxy palmitoyl sphinganine |
Hydroxypalmitoyl-sphingosin, Ceramid |
Laureth-7 |
Emulgator, Tensid |
Limonene |
Monoterpen, Bestandteil ätherischer Öle |
Linalool |
Monoterpen, Bestandteil ätherischer Öle |
Methylparaben |
Konservierungsmittel |
Myristic acid |
Myristinsäure, Fettsäure, Salbengrundlage |
Octenylsuccinat |
Wirkt in Verbindung mit Aluminium-Stärke als Hilfsstoff und Stabilisator |
Palmitic acid |
Palmitinsäure, Salbengrundlage |
Panthenol |
gehört zur Vitamin B-Gruppe |
Parfum/Fragrance |
Parfum, Duftstoff |
PEG-100-Stearat |
Polyethylenglykol-100-Stearat, Salbengrundlage |
PEG-20 Stearat |
Polyethylenglykol-20-Stearat, Salbengrundlage |
Phenoxyethanol |
Konservierungsmittel |
Polyacrylamide |
Dispergiermittel |
Propylene glycol |
Propylenglykol, Emulgator |
Propylparaben |
Konservierungsmittel |
Royal jelly extract |
Extrakt aus dem Futtersaft für Bienenköniginnen-Larven |
Ruscus aculeatus extract |
Mäusedorn-Extrakt, enthält das Sapogenin Ruscogenin |
Sodium citrate |
Natriumcitrat, zur Einstellung des pH-Wertes |
Sodium hydroxide |
Natriumhydroxid, reagiert stark alkalisch |
Squalane |
Squalan, hydriertes Squalen |
Stearic acid |
Stearinsäure, Salbengrundlage |
Stearyl alcohol |
Stearylaklohol, Salbengrundlage |
Tocoferyl acetate |
Tocopherolacetat, Vitamin E |
Vitis vinifera/Grape fruit extract |
Extrakt aus Weintrauben und Grapefruit |
Zingiber officinalis/ Ginger root extract |
Ingwer-Extrakt, enthält Scharfstoffe |
Was außerdem nicht mehr auf eine Kuhhaut geht, sind die "Superwirkstoffe" und die "Luxuszutaten". Ob dazu auch Vitamine und Pseudovitamine zählen, die in vielen Kosmetika enthalten sind, entscheiden die zuständigen Anti-Aging-Designer. Man darf aber wohl danach fragen, welche Funktionen Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E, Panthenol, Niacinamid, Vitamin F, Beta-Carotin, Coenzym Q, Allantoin, Flavonoide, Isoflavone, Polyphenole, Ectoin und Hydroxysäuren in Kosmetika haben sollen.
Gewöhnliche Zutaten
Vitamin A fördert das Wachstum, die Entwicklung und die Differenzierung von Epithelgewebe ist selbst aber ein Photosensibilisator und macht daher die Haut lichtempfindlich.
Vitamin C (Ascorbinsäure) schützt als Antioxidans vor freien Radikalen, fördert den Kollagenaufbau und soll auch Pigmentflecke bleichen. Ob es auch aus einer Rothaut ein Bleichgesicht machen kann, ist noch nicht untersucht.
Vitamin E (Tocopherole) führt zum Abbruch der Kettenreaktionen, die durch freie Sauerstoff-Radikale ausgelöst werden.
Panthenol optimiert die Feuchtigkeit der Haut.
Niacinamid (Nicotinsäureamid) verbessert die Regenerationsfähigkeit der Haut.
Vitamin F , das zu den Pseudovitaminen zu zählen ist, stellt den Sammelbegriff für mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFAs) dar, die der Haut gut tun sollen.
Beta-Carotin ist ein Radikalfänger und fungiert bei Bedarf als Provitamin A.
Coenzym Q ist der Sammelbegriff für die im menschlichen Körper ubiquitären Ubichinone, die dem Organismus als Elektronenüberträger in der Atmungskette dienen. Sie binden auch hautschädigende freie Radikale.
Allantoin fördert die Zellneubildung.
Flavonoide, Catechine, Polyphenole erhöhen die Permeabilität der Gefäße, verringern die Kapillarbrüchigkeit und zählen zu den Antioxidanzien, die vor schädlichen Sauerstoff-Radikalen schützen.
Isoflavone sollen die Kollagenproduktion der Haut ankurbeln.
Ectoin ist ein Naturstoff, der zu den sog. kompatiblen Soluten gehört und in verschiedenen halophilen Bakterien enthalten ist, was diesen ein Überleben unter extremen Stressbedingungen ermöglicht hat. Ectoin schützt die Haut vor Schäden durch Stressfaktoren wie UV-Strahlung, Trockenheit, Hitze und Kälte. Es wird daher in der Hautpflege und im Sonnenschutz eingesetzt, wobei es stabilisierend auf Biopolymere wirkt.
Bestimmte Hydroxysäuren wie Milchsäure, Äpfelsäure, Weinsäure oder Citronensäure, die in der Kosmetikbranche als AHAs (alpha hydroxy acid) bezeichnet werden, benutzen die Hautärzte zur Behandlung der Akne und der Schuppenflechte. Sie lösen abgestorbene Hautzellen und Hornschuppen ab und lassen Kollagenfasern aufquellen.
Bei der Frage, ob und wie sinnvoll solche Zusätze in Kosmetika sind, spielt die Konzentration die erste Geige. Doch über die quantitative Zusammensetzung der hoch gepriesenen und entsprechend teuren Anti-Aging-Artikel schweigt der Kavalier (und lässt auch noch zahlen).
Luxuszutaten
Kommen wir jetzt noch zu den echten Luxuszutaten und fragen nach deren Sinn oder Unsinn.
Als Phytohormone – genauer gesagt: Phytoöstrogene – werden heute einige Isoflavone betitelt, die in Sojabohnen (Glycine max), Yamswurzel (Dioscorea communis, D. balcanica), Rotklee (Trifolium pratense) und in der Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) enthalten sind. Bis heute ist aber noch immer nicht bewiesen, dass der "pflanzliche Leibwächter für die Frauengesundheit" tatsächlich an den Östrogenrezeptor bindet (siehe hierzu "Du sollst den Roten nicht über den grünen Klee loben", DAZ 2002, S. 4144). Also ist die Welt in Ordnung, wenn der Gesetzgeber hormonell wirkende Substanzen in Kosmetika verbietet und einige Edelcremes "Phytohormone" enthalten.
Bio-Hyaluronsäure – das erinnert so an "biologisch angebaute Zwiebeln". Ist denn die Hyaluronsäure nicht immer "Bio" oder soll Bio-Hyaluronsäure bedeuten, dass diese Säure etwas biologisch verunreinigt ist?
Jedenfalls ist Hyaluronsäure ein saures Mucopolysaccharid, dessen Grundbaustein ein aus D-Glucuronsäure und N-Acetyl-D-glucosamin zusammengesetztes Disaccharid ist. Die unverzweigte Kette besteht aus 2000 bis 3000 Disaccharid-Einheiten. Hyaluronsäure wurde erstmalig aus dem Glaskörper von Rinderaugen isoliert. Der Name ist von griech. υαλος = hyalos = Glas und Uronsäure abgeleitet. Außer im Glaskörper der Augen (der nicht aus Glas, sondern zu 98% aus Wasser besteht) kommt sie auch in der Synovialflüssigkeit der Gelenke und der Haut vor und ist Bestandteil aller Bindegewebe. Die im Handel befindliche Hyaluronsäure ist im Allgemeinen aus menschlichen Nabelschnüren isoliert (also doch Bio-Hyaluronsäure!).
Aminopeptide, ein Schreibfehler? Bisher kannte ich nur Aminopeptidasen. Das sind Enzyme, die Peptide oder Proteine vom Amino-Ende her schrittweise hydrolysieren, d. h. Aminosäuren abspalten. Aber die Haut, die ja aus Proteinen aufgebaut ist, soll doch nicht hydrolysiert werden. Also kein Schreibfehler! Was tut man jetzt? Man "googlet" im Internet. Und was findet man dort zum Thema Aminopeptide? Es ist ein neues Zauberwort in der Kosmetik, das sich als "Bluffwort" erweist. Robert Chalmers vom Dermatologiezentrum der Universität Manchester meint: "Ich glaube, dass der Begriff Aminopeptid, wie er von der Kosmetikindustrie genutzt wird, ein bisschen was von Pseudowissenschaft hat, er ist bedeutungslos, aber soll Unwissende beeindrucken."
Edel-Proteine? Der Name Proteine, mit dem man Eiweiße, Eiweißstoffe oder Eiweißkörper bezeichnet, wurde von Jöns Jakob Berzelius geprägt und ist von griech. πρωτευειν = proteuein = "der Erste sein" abgeleitet. Er ist eine Sammelbezeichnung für natürliche Polypeptide, die in der Regel aus den 20 verschiedenen "proteinogenen" Aminosäuren aufgebaut sind. Ab etwa 100 Aminosäuren spricht man von Proteinen, bei kleineren Molekülen von Polypeptiden, und wenn es nur einige Aminosäuren sind, aus denen ein Peptid besteht, dann sagt man Oligopeptide. Was ein Tripeptid oder ein Dipeptid ist, braucht nun nicht mehr erläutert zu werden.
Proteine sind meist gut wasserlöslich und speichern Wasser oder umgeben sich mit einem Wassermantel. Das dürfte auch der Grund sein, sie als Ingredienzien für Anti-Aging-Präparate zu gebrauchen, denn die alternde Haut leidet meist unter Feuchtigkeitsmangel. Das wusste wohl schon Kleopatra, die des Öfteren in Eselsmilch gebadet hat, um durch die wertvollen darin enthaltenen Proteine ihre Haut makellos zart und schön zu erhalten, wie Cäsar und Antonius feststellen konnten.
Abgesehen davon drängt sich die Frage auf: Müssen es denn die Proteine von Seide, Perlen, Austern oder gar Kaviar sein? "Es muss nicht immer Kaviar sein", meinte J. M. Simmel in seinem Bestseller-Roman, mit dem ihm 1960 der Durchbruch gelang. Analoges trifft auch hier zu. Seidenproteine lass ich mir noch gefallen, denn die Seide ist nichts anderes als ein Protein (entbastete Seide, Fibroin) oder eine Proteinmischung (Rohseide, 70 bis 89% Fibroin, 10 bis 28% Sericin).
Kaviar-Protein-Komplex?
Kaviar besteht aus silbrig bis schwarz glänzenden Rogenkörnern (Fischeiern) verschiedener Störarten. Sie enthalten je nach Provenienz zwischen 11 und 30% Proteine. Eventuell wollte man mit Kaviar ursprünglich die Protamine kosmetisch zur Anwendung bringen. Das sind die einfachsten in der Natur vorkommenden Proteine, die zu 80 bis 85% aus L-Arginin bestehen und daher stark alkalisch reagieren. Man gewinnt sie aus entfetteten Fischspermien. Fischeier und Fischspermien sind doch nicht so weit voneinander entfernt. Also nur eine Verwechselung?
Vielleicht bringt uns das Zitat aus einer Produktinformation weiter: "An intensive luxurious night repair retexturing cream that is based on Caviar Extract, the unique combination of bio-stimulators, vitamins, micro-elements and amino acids assures luxurious care for your face."
Vitamine und Aminosäuren sind klar definierte Verbindungen. Beim Nachdenken über Bio-Stimulatoren sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Aber was sollen Mikro-Elemente sein? Spurenelemente können es nicht sein, denn die heißen im Englischen eindeutig "trace elements". Sind es geschrumpfte Kohlenstoffatome oder Elemente, die aus einem radioaktiven Zerfall hervorgingen? Interessant, aber mysteriös wie "Kaviar-Protein-Komplex".
Um den Kaviar-Protein-Komplex weiter zu charakterisieren, soll hier noch die aktuelle TV-Werbung mit Veronika Ferres zu Wort kommen. Während eine der Werbe-Kolleginnen großzügig Kaviar löffelt und die andere eine Gesichtsmaske aus Kaviar aufträgt, ruft sie: "Kein echter Kaviar!"
Ebenso mysteriös und kostbar sind für meinen naturwissenschaftlich beschränkten Horizont die Perlenproteine • Perlen bestehen zu 96% aus Calciumcarbonat-Anteilen (Aragonit und Calcit), die durch 2 bis 4% Conchagen-Proteine als organischem Bindemittel zusammen gehalten werden.
Anorganika
Wenn schon die halbe Welt der meist synthetischen organischen Verbindungen für die Komposition von Naturkosmetika herhalten muss, dürfen auch ein paar anorganische Komponenten nicht fehlen. Zum Einsatz gelangen, wie schon gesagt, "Mikroelemente", was immer das auch sein mag.
Außerdem böten sich beispielsweise kolloidaler Schwefel an oder Kohlenstoff in Form von Diamantenstaub. Und weil wir gerade beim Staub sind. In der Tat werden in der Super-Kosmetik mikrofein gemahlene Perlen als luxuriöser Zusatz verwendet.
"Gold und Silber lieb ich sehr, kann’s auch wohl gebrauchen", das meinen außer dem Volkslieddichter auch die Kosmetikproduzenten der upper class. Ich allerdings würde Gold, wenn es nicht als Basistherapeutikum für rheumatische Erkrankungen gebraucht wird, in Form von Danziger Goldwasser zur internen Anwendung der externen Applikation in Form von Anti-Aging-Creme vorziehen – "eh die Locken silbern sind und wir scheiden müssen."
Multilind Mikro Silber heißt die besondere Empfehlung, für die die Stada derzeit mit dem Slogan "Silberzarte Pflege für trockene Haut" wirbt. Bei Silber zum externen Gebrauch muss man allerdings einräumen, dass dieses Metall in mikrofeiner Form einen oligodynamischen Effekt ausübt. Oligodynamie nennt man die entkeimende Wirkung von Metall-Ionen, so kann z. B. Trinkwasser durch kleinste Mengen von kolloidalem Silber keimfrei gemacht werden.
Fazit: Die Lektüre der Anti-Aging-Lyrik geht mir unter die Haut, tut oft weh wie eine subkutane Injektion. Man könnte eine cutis anserina bekommen oder aus der Haut fahren. Manche Formulierungen bereiten mir Hautjucken. Wie soll man da mit heiler Haut davonkommen?
Doch die Falten bleiben erhalten …
Verfasser
Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth, Friedrich-Naumann-Str. 33, 76187 Karlsruhe, www.h-roth-kunst.com, info@h-roth-kunst.com
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