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- DAZ 29/2008
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Praxis aktuell
Verblistern – besser in Apothekerhand …
DAZ: Die Verblisterung wird von vielen Seiten auf ihre Wirtschaftlichkeit hin hinterfragt. Kann das Verblistern für die Apotheker überhaupt lukrativ sein?
Marxen: Bei der Alten- und Pflegeheimbelieferung mit Blistern müssen wir unterscheiden zwischen dem manuellen Stellen oder dem maschinellen Verblistern in der Apotheke einerseits und der industriellen Verblisterung andererseits. Verlässliche Quellen nennen für die Varianten in der Apotheke zwischen 5 und 8 Euro an Aufwand pro Woche und Patient. Da bisher keine Gebühr für diese Dienstleistung mit den Krankenkassen abgerechnet werden kann, subventioniert die Apotheke in nicht unwesentlichem Maße die Lieferung der Blister ins Heim. Selbst Vergütungen der Heime für diese Dienstleistung können Unterdeckungen nicht verhindern. Die industriellen Verblisterungsunternehmen verlangen derzeit etwa 3 bis 4 Euro pro Wochenblister. Dadurch entstehen wenigstens zunächst keine Verluste und das Kundenbindungs- und Versorgungsoptimierungspotenzial kann genutzt werden.
DAZ: Also ein Zuschussgeschäft für die Apotheken. Warum liefern die Apotheker dann überhaupt Blister?
Zimmermann: Die Träger und Verantwortlichen der Heime haben erkannt, dass beim Einsatz von Blistern neben der Versorgungsoptimierung erhebliche Einsparpotenziale realisiert werden können. Es fällt nicht nur das lästige Stellen weg und es können nicht nur viele Personalstunden eingespart werden, auch die Dokumentation, das Qualitätsmanagement, das Bestellwesen etc. werden vereinfacht bzw. auf die beliefernde Apotheke übertragen. Untersuchungen zeigen hier Einsparungen von bis zu 25 Euro pro Bewohner pro Monat. Da die Heimträger verstärkt ihre gesamte Bewohnerzahl in all ihren Häusern betrachten, sind schnell Einsparpotenziale im sechsstelligen Bereich pro Jahr vorhanden. Diese will der Heimträger zunehmend verwirklichen. Daher sucht er Apotheken, die ihm Blister liefern. Den bisher versorgenden Apotheken bleibt oft keine andere Wahl als diese Dienstleistung zu erbringen! Er sollte dies aber als Chance begreifen!
DAZ: Man hört, dass auch Heimträger planen, eigene Verblisterungsunternehmen zu gründen...
Marxen: Aufgrund der ernormen Einsparpotenziale kann man die Überlegungen einzelner Heimträger verstehen. Aber jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, muss schnell erkennen, dass es sich bei der industriellen Verblisterung um eine Arzneimittelherstellung mit all den bekannten Auflagen zum Schutze des Patienten handelt. Hier ist Kapital alleine nicht ausreichend, sondern Know-how gefragt. Vielen ist auch nicht klar, dass die Blister nicht direkt vom Industriebetrieb an das Heim gesendet werden können. Überlegungen zur Eigenproduktion der Blister seitens der Heimträger laufen daher ins Leere. Letztlich erwarten sie, dass die Apotheke den Blister liefert.
DAZ: Müssen die Apotheken nicht grundsätzlich aufpassen, dass Fremdkapital das Thema Verblisterung in Zukunft bestimmen wird?
Marxen: Die Tendenzen im Markt sind derzeit klar. Die Verblisterung in der Apotheke lohnt sich kaum. Denn wer versorgt schon mehr als 1200 Heimbewohner mit Heimvertrag? Zudem werden Auflagen nach EU-GMP, z. B. Qualifizierung von Maschinen und Mitarbeitern, Prozessvalidierungen etc., auch in diesen Apotheken in absehbarer Zeit von den Behörden gefordert werden. Mit der Anschaffung eines Verblisterungsautomaten wird es nicht mehr getan sein. Folglich bleibt nur die industrielle Verblisterung. Dort sind Investitionen im siebenstelligen Bereich – bei überschaubarer Marge – schnell erreicht, hinzukommen jährliche Betriebskosten im hohen sechsstelligen Bereich.
DAZ: Angesichts dieses Investitionsvolumens – ist es da nicht verständlich, wenn Apotheker die Hilfe Dritter suchen?
Zimmermann: Natürlich. Unser Weg ist der Zusammenschluss von Apothekern zu einem Herstellungsbetrieb. Wir haben ihn vor drei Jahren in unserem Unternehmen Blisterpharm vollzogen und bieten unsere Leistungen für die Kollegen an – von Apothekern für Apotheker. Manche Apotheker suchen aber Unterstützung außerhalb der Kollegenschaft. Wir raten da, genau hinzusehen, egal ob es große Firmen sind, die gleich einen Arzneimittelvertrieb angegliedert haben, oder großhandelsgestützte Verblisterungsunternehmen, bei denen man durchaus Absichten und Verdrängungspotenziale hinterfragen kann. Wir von der Blisterpharm sind stolz unabhängig zu sein. Die Apotheker, die von uns wöchentlich die Blisterschläuche beziehen, unterstützen dies und denken ähnlich.
DAZ: Apropos Blisterschläuche. Auf dem Markt gibt es einerseits Blistersysteme, bei denen die Arzneimittel wochentags und für vier Einnahmezeitpunkte am Tag verblistert werden. Es gibt andererseits aber auch die Schlauchblister, wie sie die Blisterpharm anbietet. Warum haben Sie sich für den Schlauchblister entscheiden?
Marxen: Die Blisterpharm produziert für Apotheken und deren Heimbewohner und Pflegedienste Schlauchblister im "advanced multi dose"-Format. Diese bestechen aus unserer Sicht unter anderem durch folgende Merkmale: Zum einen setzen wir den Wunsch des Arztes exakt, können jedes Arzneimittel in Dragee- Kapsel- oder Tablettenform verblistern und sind nicht auf 400 Arzneimittel beschränkt wie ein anderer Anbieter. Zum anderen werden die Arzneimittel nach frei wählbaren und beliebigen Einnahmezeitpunkten portioniert. Wir sind folglich auch nicht auf beispielsweise vier Einnahmezeitpunkte beschränkt. Außerdem werden die Schlauchfächer in Abhängigkeit der Einnahmevorschriften hergestellt. Omeprazol wir daher in der Regel im Tütchen "vor dem Essen", Bisoprolol im Tütchen "zum Essen" und ASS 300 im Säckchen "nach dem Essen" eingeblistert. Mittlerweile ist auch unser variables Schlauchblistersystem bei Gesundheitsökonomen, Gesundheitspolitikern), Journalisten, Ärzten und Heimträgern sehr bekannt. Trotzdem müssen wir noch viel Aufbau- und Überzeugungsarbeit leisten. Aber die Zahl der über uns verblisternden Apotheken wächst, ebenso unsere Produktionskapazität. Wir sehen uns daher auf dem richtigen Weg, die zukunftsträchtige Blisterversorgung in Apothekerhand zu ermöglichen.
DAZ: Kommen wir noch einmal auf die Anforderungen aus dem Heimen zurück. Wenn Apotheker beispielsweise aus finanziellen Gründen nicht darauf eingehen können oder wollen – besteht da nicht die Gefahr, die Heimversorgung zu verlieren?
Zimmermann: Danke, dass Sie diese Frage noch aufgreifen! Tatsächlich macht es uns Sorgen, dass es für diese Dienstleistung seitens der Krankenkassen noch keine Abrechnungsmöglichkeit wie in anderen europäischen Ländern gibt. Seitens des Deutschen Apothekerverbands hört man ständig, dass die Krankenkassen – trotz des eindeutigen Auftrages durch das GKV-WSG – nicht an Verhandlungen interessiert seien. Sollte der Verband selbst mauern, würde er der Entwicklung von Insellösungen durch die Kapitalgeber Vorschub leisten. In Ermangelung einer Abrechnungsvereinbarung bestünde mittelfristig die Gefahr, dass diese zukunftsweisenden Versorgungen an der Präsenzapotheke vorbei laufen.
DAZ: Können Sie das präzisieren?
Zimmermann: Um es auf den Punkt zu bringen: Falls wir Apotheker keine Rahmenbedingungen für die adäquate Blisterversorgung schaffen, wird das "Fremdkapital" Wege an der Apotheke vorbei finden, dann eben ohne Apotheke vor Ort, verblisterte Arzneimittel zu liefern. Es könnte dann schnell die komplette Heim- und Chronikerversorgung wegfallen!
DAZ: Herr Marxen, Herr Zimmermann, vielen Dank für das Gespräch.
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