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Geschlechtergerechte Arbeitszeiten für Eltern
37% der abhängig beschäftigten Deutschen leben mit minderjährigen Kindern zusammen. Bei der Mehrzahl der Familien sind beide Eltern berufstätig. Es überwiegt mittlerweile das "modernisierte Ernährermodell", bei dem der Mann Vollzeit und die Frau Teilzeit arbeitet. Mütter arbeiten durchschnittlich 24,4 Stunden pro Woche, Väter dagegen 39,7.
Bei Vätern sind es im Schnitt 1,2 Stunden pro Woche mehr bei als kinderlosen Männern, bei Müttern dagegen 7,6 Stunden pro Woche weniger als bei Frauen ohne Kind.
Nur jede/r Fünfte zufrieden
Rund 80% der Mütter und Väter wünschen sich andere Arbeitszeiten: Diejenigen, die in Vollzeit oder "überlang" beschäftigt sind, möchten häufig weniger Stunden arbeiten. Es gibt aber auch eine durchaus erhebliche Zahl von teilzeitbeschäftigten Frauen (und Männern), die gerne mehr arbeiten würden. Die durchschnittliche Wunscharbeitszeit von Vätern liegt bei 37 Stunden; Mütter würden im Schnitt gern 26 Stunden pro Woche arbeiten.
Ist Teilzeit die Lösung?
Die Mehrheit der Männer in Vollzeit (ohne Überstunden) und der Frauen mit mehr als geringfügiger Teilzeit bewerten die persönliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf als eher gut oder gut. Daraus wurde bisher der Schluss gezogen, dass Teilzeitarbeit das Zeitproblem von Eltern lösen würde. Doch die Autorinnen bezweifeln dies: "Das wäre vielleicht der Fall, wenn tatsächlich Mütter wie Väter Teilzeit arbeiten würden, wenn Teilzeit betrieblich auf allen Hierarchiestufen möglich wäre und sie genauso normal wie Vollzeit wäre, und auch ein Teilzeiteinkommen noch Existenz sichernd wäre. Da diese Bedingungen aber nicht erfüllt sind, sind die gegebenen Arbeitszeiten aus der Gleichstellungsperspektive keineswegs optimal."
Arbeitszeitdilemma
Mütter stecken also in einem "Arbeitszeitdilemma": Sie müssen wählen zwischen Vollzeitarbeit und Zeitnot einerseits oder Teilzeitarbeit und "Karriereverzicht und wirtschaftlicher Benachteiligung" andererseits. Dieses Dilemma betrifft zwar theoretisch auch die Väter, doch entziehen sich diese meist durch Rückzug aus der Familienarbeit.
Forderungen für die Zukunft
Klenner und Pfahl skizzieren deshalb ein Arbeitszeitkonzept, mit dem Mütter, Väter und Pflegende aus dem beschriebenen Arbeitzeitdilemma herauskommen können:
Betriebe müssen sich vom Leitbild des Arbeitnehmers ohne Fürsorge- und Pflegeverpflichtungen verabschieden.
- Neuer Arbeitszeitstandard für Arbeitnehmer/innen: Recht auf Fürsorge.
- Substanzielle und qualifizierte Teilzeitarbeit muss an jedem Arbeitsplatz möglich sein.
- Das Dogma der Vollzeit-Arbeitskultur muss überwunden werden.
- Überlange Arbeitszeiten dürfen nicht länger betriebliche Normalität darstellen.
Neue Anreize für eine geschlechtergerechte Arbeitszeitverteilung: Das Ehegattensplitting sollte durch eine konsequente Individualbesteuerung ersetzt werden.
Die Fürsorge- und Pflegeverpflichtung in bestimmten Lebensphasen muss stärker berücksichtigt werden.
Auch Verwaltungen, Dienstleister, Schulen etc. müssen sich darauf einstellen, dass immer mehr Fürsorgepflichtige berufstätig sind.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vorschlag aus Schweden: Die Arbeitszeit von Müttern und Vätern soll um fünf Stunden pro Woche durch Subventionierung verkürzt werden. Den angedachten vollen steuerlichen Vorteil soll es nur dann geben, wenn beide Eltern die Arbeitszeitabsenkung nutzen.
Übertragbar auf den Apothekenbereich?
Öffentliche Apotheken bieten qualifizierte und zeitlich "substanzielle" Teilzeit- und Vollzeitstellen. Geschlechterungerechtigkeit ergibt sich hier durch die für Frauenberufe typische niedrige Bezahlung und mangelhafte Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen, die nicht den Sprung in die Selbstständigkeit als Apothekenleiterin machen können oder wollen.
Und mit der Aufweichung der Ladenöffnungszeiten gibt es gerade in Großstadt- und Center-Apotheken immer mehr Zeiten, die sich mit familiären Bedürfnissen nicht vereinbaren lassen. Außerdem leben viele Apothekenmitarbeiterinnen, die wegen ihrer Kinder Teilzeit arbeiten, in Familienkonstellationen nach dem "modernisierten Ernährermodell". Dann sind sie oft mit Zeitproblemen des Vollzeit arbeitenden Partners konfrontiert – und auch mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit, die dieses Modell hervorruft. Insofern ist diese Untersuchung nicht nur von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, sondern betrifft auch den Apothekenbereich.
Dr. Sigrid Joachimsthaler
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