Dermopharmazie

Fortschritt für die Haut

GD-Jahrestagung in Berlin
Bericht von Thomas Müller-Bohn

Die Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) vom 31. März bis 2. April in Berlin bot den mehr als 250 Teilnehmern ein umfangreiches Programm von neuen Forschungskonzepten für Hautarzneimittel bis zu praxisrelevanten Themen, die die Anwendung von Dermatika und Dermokosmetika betreffen. Aus Apothekenperspektive zählten die aktualisierte Rezepturleitlinie, Produktinnovationen und der Sonnenschutz zu den wichtigsten Aspekten des wissenschaftlichen Hauptprogramms.

Dr. Holger Reimann, Eschborn, beschrieb die Entwicklung der GD-Leitlinie "Dermatologische Rezepturen", deren erste Fassung 1997 die erste Veröffentlichung der Fachgesellschaft war. Inhaltliche Schwerpunkte waren und sind die Rationalität und Transparenz der Rezeptur als Voraussetzung für Plausibilitätsprüfungen des Apothekers, die Mitsprachepflicht des Apothekers, die Konservierung als Regelfall und Aussagen zur Dosierung, Unbedenklichkeit und pharmazeutischen Qualität. Ausgehend von den gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen an die Rezeptur, sei damals an der klassischen Rollenverteilung zwischen Arzt und Apotheker gerüttelt worden.

Seither ist die Qualitätssicherung durch die Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung bei nicht sterilen Rezepturen, die Kodifizierung zahlreicher Rezepturen im Neuen Rezeptur-Formularium (NRF), die Veröffentlichung oberer Richtkonzentrationen dermatologischer Wirkstoffe im NRF und die Ringversuche des Zentrallaboratoriums (ZL) vorangetrieben worden. Diese Entwicklung dürfte künftig durch europäische Leitlinien verstärkt werden, die letztlich darauf zielen, Anforderungen an die Rezeptur als "good preparation practice" im Arzneibuch festzuschreiben. Damit habe die nun veröffentlichte aktualisierte Fassung der GD-Leitlinie knapper gefasst werden können. Sie sei stärker als bisher auf die Arbeit mit einem Qualitätsmanagementsystem ausgerichtet.


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Die aktualisierte GD-Rezepturleitlinie und weitere Informationen zur GD stehen im Internet: www.gd-online.de


Trotz der Fortschritte sei der Anteil kodifizierter Rezepturen noch immer zu gering, auch der Dialog zwischen Ärzten und Apothekern auf lokaler Ebene funktioniere vielerorts noch nicht gut genug. Weitere Herausforderungen für die Zukunft seien die Verbesserung der Transparenz bei Fertiggrundlagen, die Kennzeichnung von Rezepturen, die internationale Harmonisierung und der klinische Nachweis der Wirksamkeit von Rezepturen. Letzterer sei an Universitäten kaum zu finanzieren, weshalb über Finanzquellen für klinische Studien mit Rezepturen zu diskutieren sei.

Solitärstatus für Dermatika

Dr. Myriam Straube, Bonn, befasste sich mit den EU-Leitlinien für die Zulassung von topisch anzuwendenden Fertigarzneimitteln. In den Leitlinien wird die Rolle des Vehikels besonders berücksichtigt. Da der Arzneiträger unabhängig vom Wirkstoff einen Effekt haben kann, erlauben Bioäquivalenzstudien keine abschließende Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eines Präparates. Daher wird normalerweise auch bei wirkstoffgleichen Dermatika eine kontrollierte klinische Prüfung der ganzen galenischen Zubereitung gefordert, mit der auch das Eindringen des Wirkstoffes in die Haut und das phototoxische und photoallergische Potenzial der Zubereitung erfasst werden kann.

Der GD-Vorsitzende Dr. Joachim Kresken, Viersen, wies auf den Widerspruch hin, den topischen Dermatika einerseits im Zulassungsrecht einen Solitärstatus zu gewähren, sie aber andererseits ohne Beleg der therapeutischen Äquivalenz zur Substitution in Ausschreibungen und Rabattverträgen freizugeben.

Als weiteren Inhalt von EU-Leitlinien stellte Straube die Empfehlung vor, den Beitrag jeder einzelnen Substanz zum Gesamtnutzen zu belegen. Für einige Indikationen sind spezifische Leitlinien zu beachten. So sind bei Präparaten zur Behandlung der Psoriasis Langzeitdaten über mehr als ein Jahr wünschenswert, die möglichst klinische Erfolgsparameter und Lebensqualitätsdaten miteinander verknüpfen, und bei der Zulassung von Corticoid-Präparaten ist insbesondere auf irreversible lokale Nebenwirkungen zu achten. Bei Arzneimitteln für Kinder sind die Besonderheit der Pharmakokinetik und -dynamik und die spezifische Pathologie der Kinder zu beachten.

Therapien für die Zukunft

Mehrere Beiträge zum wissenschaftlichen Hauptprogramm befassten sich mit innovativen therapeutischen Konzepten. So berichtete Dr. Christian Reich, Hamburg, über eine Behandlung der Kopfhaut-Psoriasis mit einem Clobetasol-17-propionat-haltigen Shampoo, das einen Kurzzeitkontakt des Corticoids ermöglicht. Clobetasol-17-propionat gilt als potentes Psoriasismittel, doch sorgt seine Wirkstärke zugleich für ein großes Potenzial unerwünschter Wirkungen. Die erwünschte Apoptose in den Entzündungszellen wird jedoch schnell induziert, während die unerwünschten Effekte eher langsam entstehen. Damit bietet sich die Therapie mit einem Shampoo an, das 15 Minuten auf der Kopfhaut verbleibt und dann ausgewaschen wird. Bisherige Studien sprechen für die gute Wirksamkeit, ohne dass Effekte auf die Nebennierenrindenachse nachgewiesen werden konnten. Allerdings liegen bisher nur kurzzeitige Erfahrungen über höchstens vier Wochen vor, es fehlen Studien zur Langzeitwirkung und zu einem denkbaren Reboundeffekt.

Prof. Dr. Markus Böhm, Münster, berichtete über das Zukunftspotenzial, das Analoga des alpha-Melanozyten-stimulierenden Hormons (α-MSH) als Wirkstoffe in Dermatika und Kosmetika haben könnten. Das α-MSH, ein Peptid mit 13 Aminosäuren, ist Teil der endokrinen Stressachse. Neben seiner pigmentinduzierenden Wirkung reduziert es in vivo und in vitro die Kollagensynthese. Das Prinzip könnte sich gegen fibrotische oder inflammatorische Erkrankungen, aber auch zur Prävention UV-bedingter Hauttumoren anbieten.

Dr. Andreas Emmendörffer, Leipzig, gab einen Überblick über die Industrie-gestützte, ambulant durchführbare Keratinozytentransplantation bei schlecht heilenden Wunden. In der EU werden bereits autologe Konzepte angewendet, bei denen dem Patienten Zellen entnommen, in vitro kultiviert und ihm dann transplantiert werden. Emmendörffer sieht gutes Potenzial für eine Methode, bei der adulte Stammzellen aus Haarfollikeln genutzt werden, doch ist die entscheidende Hürde für alle Verfahren derzeit das ausstehende Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Übernahme der Behandlungskosten durch die GKV.

Dermokosmetika mit Pflanzenextrakten

Prof. Dr. Christoph Schempp, Freiburg, warnte vor dem unkritischen Einsatz von Pflanzenprodukten auf der Haut, weil Duftstoffe, Perubalsam, Kolophonium, Bestandteile von Korbblütlern, Terpentin und Propolis zu den häufigsten Auslösern von Kontaktallergien gehören.

Andererseits werden immer wieder neue Wirkungen von Pflanzenextrakten entdeckt und in klinischen Studien bestätigt, die in Hautarzneimitteln oder Kosmetika nutzbringend eingesetzt werden können.

So erwies sich eine Creme mit einem Extrakt aus Mahonia aquifolium (Berberidaceae) als wirksam gegen Plaque-Psoriasis. Ein Extrakt aus Salbeiblättern war bei 40 Probanden, deren Haut mit ultraviolettem Licht bestrahlt wurde, ebenso wirksam gegen die Schwellung und Rötung wie eine einprozentige Hydrocortison-Zubereitung mit der gleichen Salbengrundlage. Dies wird auf die Wirkung von Diterpenphenolen auf den nukleären Hormonrezeptor PPARγ zurückgeführt. Ein Extrakt aus Johanniskraut zeigte eine günstige Wirkung beim leichten bis mittelschweren atopischen Ekzem und wird in einem Pflegeprodukt angeboten. Auch ein auf Glycyrrhetinsäure standardisierter Süßholzextrakt wirkte dosisabhängig günstig beim atopischen Ekzem. Eine Kombination mit Weinlaubextrakt, Allantoin und Bisabolol wurde in zwei Studien mit 30 beziehungsweise 218 Probanden erfolgreich untersucht und 2007 als Medizinprodukt eingeführt.

Für ein Wasserdampfdestillat aus Koriandersamen konnte eine breite antiseptische und zudem eine milde entzündungshemmende Wirkung bei guter Verträglichkeit nachgewiesen werden. Daraufhin wurde eine Lipolotio mit einem Prozent Korianderöl zur begleitenden Basispflege bei empfindlicher Haut in den Handel gebracht.

Auch das aus Birkenkork extrahierte Betulin hat 2007 zu einer Produkteinführung geführt. Allein aus den drei Komponenten Betulin, Jojobaöl und Wasser entsteht eine stabile W/O-Emulsion. Das Pflegemittel habe sich in der klinischen Anwendung als gut verträglich und besonders effektiv bei der Pflege von Intertrigo (Wundreiben in Körperfalten) und erosiven Hautveränderungen erwiesen.

Optimierter Sonnenschutz

Ein weiterer großer Themenblock bei der Veranstaltung war die Anwendung und Optimierung von Sonnenschutzmitteln. Als Reaktion auf eine Empfehlung der EU-Kommission zur Wirksamkeit und Kennzeichnung von Sonnenschutzmitteln vom September 2006 hat die GD-Task Force "Licht.Hautkrebs.Prävention" eine Stellungnahme vorgelegt. Das Engagement der EU-Kommission wird grundsätzlich begrüßt, doch sollte weiter nach einer angemessenen Methode für die Bestimmung des Lichtschutzes, insbesondere im UV-A-Bereich, gesucht werden, um die relevanten Aspekte der Schädigung und das Risiko für hellen Hautkrebs zu berücksichtigen. Nach Einschätzung der GD sollte zudem ein Schutz vor IR-A-Strahlung empfohlen werden. Für Sonnenschutzmittel, die als Kosmetika vermarktet werden, dürfen keine Schutzeffekte gegen hellen Hautkrebs ausgelobt werden. Allerdings ist im Mai 2007 ein Lichtschutzmittel als Medizinprodukt mit diesem Zweck auf den Markt gebracht worden. Hierzu verwies Prof. Dr. Eggert Stockfleth, Berlin, auf den in einer klinischen Studie nachgewiesenen Schutzeffekt von Daylong actinica® .

Nach Einschätzung von Prof. Dr. Leonhard Zastrow, Monaco, sollte Lichtschutz das gesamte Spektrum der Sonne berücksichtigen, weil ein großer Teil der freien Radikale durch sichtbares Licht entsteht. Die Schädigung beginnt, sobald die zur Vitamin-D-Synthese nötige Lichtdosis überschritten wird. Zur Diskussion über eine möglichst aussagekräftige Standardisierungsmethode hob Prof. Dr. Dr. Jürgen Lademann, Berlin, die Vorteile einer Abrissmethode hervor, bei der Hautabrisse photometrisch vermessen werden. Mit einer solchen physikalischen Methode erübrige es sich, auf die Entstehung eines Erythems zu warten.

Priv.-Doz. Dr. Dr. Andreas Luch, Berlin, mahnte, die Höchstdosis der UV-Filterstoffe nicht zu überschreiten, zumal deren toxikologische Bewertung jeweils für die Einzelanwendung ermittelt wird. Extreme Steigerungen des Lichtschutzes würden wenig mehr Nutzen bringen, aber die Belastung mit den Filtersubstanzen erheblich erhöhen. Luch plädierte für mehrfaches Nachcremen, während sich Prof. Dr. Hans Christian Korting gegen einen solchen generellen Hinweis aussprach, weil damit die Galenik einiger moderner Zubereitungen missachtet werde. Auch den Vorschlag der EU-Kommission, Lichtschutzfaktoren unter 15 als "niedrigen" Schutz zu bezeichnen, betrachtet Korting als nicht zielführend.

Perspektiven der Nanotechnik

In mehreren Vorträgen wurde deutlich, dass die Nanotechnologie auch in der Dermatologie einen wichtigen Zukunftstrend darstellt. Die Bedeutung von Nanopartikeln für den Transport von Arzneistoffen in Haarfollikel ergibt sich aus Untersuchungen des wissenschaftlichen Tagungsleiters der Veranstaltung, Prof. Dr. Dr. Jürgen Lademann, Berlin, die er und seine Mitarbeiterin Dr. Alexa Patzelt präsentierten. Substanzen werden nicht nur interzellulär, sondern auch transfollikulär, also durch Haarfollikel, in die Haut transportiert. Der letztere Transportweg kann nur mit Verfahren untersucht werden, die eine genaue Lokalisation des eindringenden Wirkstoffes ermöglichen. Dazu dienen Hautabrisse, die in mehreren Lagen nacheinander genommen werden. Dabei ergab sich der erstaunliche Befund, dass Partikel in der Größenordnung von 500 bis 600 nm besser als kleinere Partikel eindringen. Die Penetration in den Haarfollikel wird offenbar durch einen Zahnradpumpeneffekt gefördert, mit dem die Haarschuppen Partikel gleicher Größenordnung in den Follikel bewegen.

Demnach könnten Arzneistoffe bevorzugt mit Nanopartikeln in die Haut befördert werden. Die Penetrationstiefe wäre gut zu steuern, und der Wirkstoff würde viel länger in der Haut bleiben als bei herkömmlichen Zubereitungen. So könnte die Anwendungshäufigkeit von Dermatika deutlich reduziert werden. Außerdem böten sich die Talgdrüsen, Stammzellen und Immunzellen am Haarfollikel selbst als Therapieziele für die Aknetherapie, für die Verbesserung der Wundheilung und für topisch applizierte Impfungen an. Sofern die Haut unbeschädigt ist, erreichen die Nanopartikel nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht das lebende Gewebe. Um systemische Arzneimittelwirkungen zu erzielen, müsste der Arzneistoff gezielt aus den Nanopartikeln freigesetzt werden.

Prof. Dr. Johannes Doehmer (links) und Prof. Dr. Horst Spielmann.
Foto: DAZ/tmb

Der Einsatz einer so grundlegenden Innovation wie der Nanotechnologie wirft die Frage nach der Sicherheit auf. Prof. Dr. Horst Spielmann, Berlin, erläuterte, dass Substanzen mit Partikelgrößen im Nanoformat ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften massiv verändern, weil der Anteil der Atome an der Oberfläche der Partikel in dieser Größenordnung erheblich ansteigt. Daher sollten auch bekannte Substanzen bei der Verwendung als Nanopartikel hinsichtlich ihrer Sicherheit neu bewertet werden, wofür bisher allerdings keine gesetzlichen Regeln bestehen. Bei Nagetieren sind inhalierte Nanopartikel im Kleinhirn gefunden worden. Obwohl es keine vergleichbaren Befunde bei Menschen gibt, ist dies beunruhigend.

Lademann hat festgestellt, dass Nanopartikel aus kosmetischen oder dermatologischen Zubereitungen das intakte Stratum corneum nicht durchdringen. Über die mögliche Aufnahme durch geschädigte Haut, Darm oder Lunge ist hingegen noch zu wenig bekannt.

Innovative Methoden für die Forschung

Lademann berichtete auch über eine optische Untersuchungsmethode als diagnostisches Verfahren. Mit einem Argon-Laser, der Carotinoide erfasst, kann das antioxidative Potenzial der Haut bestimmt werden. Die Methode reagiert empfindlich auf das Verhalten des Probanden, wie Rauchen, Stress, Flugreisen oder Alkoholgenuss; sie zeigt die Wirkung eines alkoholischen Getränks auf die Haut schon Minuten später an, ebenso die anschließende langsame Erholung. Haut mit großem antioxidativem Potenzial bietet mehr Schutz vor Sonnenbrand, hat weniger Falten und wirkt jünger, was den Einsatz von Antioxidanzien als Anti-Aging-Strategie bestätigt. An einem Prototyp für ein Handgerät zur Messung des antioxidativen Potenzials der Haut werde gearbeitet.

Mit anderen optischen (also nicht-invasiven) Verfahren kann der Einfluss von Dermatika auf die Haut untersucht werden, wie Lademann erläuterte. So kann die Haut mithilfe der optischen Kohärenztomographie wie bei einem vertikalen Schnitt dargestellt werden, während die Laser-Scanning-Mikroskopie eine horizontale Sicht ermöglicht. Für kosmetische Zwecke und zur Verlaufsbetrachtung der Wundheilung kann so die Hautoberflächenstruktur dargestellt werden, die mehr über die Barrierefunktion aussagt als der üblicherweise betrachtete transepidermale Wasserverlust.

Technisch viel aufwendiger ist die Zwei-Photonen-Endoskopie, die Prof. Dr. Karsten König, Jena, vorstellte. Sie liefert Klinikern und Forschern nicht-invasive hochauflösende optische In-vivo-Biopsien. Dabei werden Moleküle in der Haut mit einem Femtosekundenlaser zu einer jeweils charakteristischen Fluoreszenzstrahlung angeregt.

Als Methode für die Arzneimittelentwicklung stellte Prof. Dr. Johannes Doehmer, München, den Einsatz rekombinanter Cytochrom-P450-Enzyme vor. Diese Methode sei sogar prädiktiver als tierexperimentelle Befunde. So könne die Entwicklungszeit für Arzneimittel verringert und die Suche nach der richtigen Dosis für Patientengruppen mit unterschiedlicher Enzymausstattung verbessert werden.

Dr. Karl-Rudolf Schroeder, Düsseldorf, berichtete über rekonstruierte Hautmodelle, mit denen akute Hautirritationen durch reine Chemikalien vorhergesagt werden können. Komplizierter ist es dagegen, langfristige Effekte von Zubereitungen zu erfassen. Die Methoden, die einzelne Unternehmen hierzu anwenden, sind noch nicht harmonisiert.

Dr. Ulrich Schäfer, Saarbrücken, berichtete über den eher ernüchternden Forschungsstand zur Vorhersage der Hautpenetration durch Freisetzungsinstrumente. Ein reproduzierbarer Zusammenhang zwischen Freisetzung und Penetration bleibe weiter Wunschdenken.

Mittelständische Netzwerke entwickeln neue Hautarzneimittel

Neue Hautarzneimittel versprechen wegen ihrer begrenzten Anwendungsgebiete nur selten Milliardenumsätze, wie sie von großen internationalen Pharmakonzernen erwartet werden. Doch können auch Netzwerke aus mittelständischen Unternehmen interessante neue Produkte entwickeln. Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum wurden auf einem Symposium während der GD-Tagung vorgestellt.

Prof. Dr. Hans Christian Korting, München, erläuterte, wie solche Entwicklungen gelingen können. Die beste Aussicht auf Erfolg bieten offenbar Netzwerke, an denen mehrere spezialisierte Unternehmen und oft auch Universitäten beteiligt sind. Ein Patentrezept gebe es nicht, wie die teilweise sehr unterschiedlichen Beispiele zeigen. In dem Symposium wurden neben den therapeutischen Aspekten auch die unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit bei der Arzneimittelentwicklung thematisiert.

Dr. Karlheinz Nocker, Homberg/Ohm, moderierte die Vorträge über neue Untersuchungsmethoden zur Bewertung dermaler Effekte von Arzneimitteln. Dort referierte auch Dr. Ulrich Schäfer (rechts).
Foto: DAZ/tmb

Multitalent gegen Akne

Wie viele Partner für eine erfolgreiche Entwicklung außerhalb großer Pharmakonzerne notwendig sein können, zeigt das von Prof. Dr. Burkhard Kleuser, Berlin, vorgestellte Beispiel Sphingosin-1-phosphat. Für diesen natürlich vorkommenden Transmitter wurden vor etwa zehn Jahren membranständige Rezeptoren entdeckt, deren Subtypen inzwischen unterschiedliche Aspekte der Wirkung zugeschrieben werden. Da Sphingosin-1-phosphat konzentrationsabhängig die Proliferation von Keratinozyten hemmt und ihre Differenzierung fördert, bietet es sich zur Therapie von Erkrankungen mit gestörter Verhornung wie Schuppenflechte, Akne und lichtgeschädigter Altershaut an. Die britische York Pharma entwickelt die Substanz zu einem Arzneimittel gegen Akne weiter. Für ein marktfähiges Produkt sind aber weitere Netzwerkpartner nötig. Kleine deutsche Unternehmen haben eine wirtschaftliche Synthese entwickelt, stellen den Wirkstoff her und liefern einen nanostrukturierten Lipidträger für den Wirkstofftransport in die Haut. Wegen des Einsatzes der Nanotechnologie wird die Arbeit vom Bundesforschungsministerium im Rahmen des Projektes "Nano for life" gefördert.

Neue Optionen gegen die aktinische Keratose

Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting, Berlin, berichtete über die Entwicklung neuer topisch anwendbarer Zytostatika zur Behandlung der aktinischen Keratose. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Hans-Dieter Höltje, Düsseldorf, wurde die Struktur der humanen Polymerase-α bestimmt, anschließend wurden mit molekularem Modelling zunächst Thymidinanaloga und später Guanosinanaloga als Inhibitoren der Polymerase-α entwickelt. Besonders interessant erscheinen Derivate von Guanosinmonophosphat, die die Proliferation transformierter, nicht aber normaler humaner Keratinozyten hemmen. Wegen der Lipophilie dieser Substanzen bietet sich ihre Verpackung in stabilen Lipid-basierten Trägersystemen an. In diesem Kooperationsprojekt der Freien Universität Berlin mit der Riemser AG wird (im Unterschied zu anderen Forschungsvorhaben) parallel am neuen Arzneistoff und einem geeigneten Trägersystem gearbeitet, das den Arzneistoff in die transformierten Zellen eindringen lässt.

Wegen der großen und weiterhin stark zunehmenden Zahl der Betroffenen arbeitet auch Prof. Dr. Eggert Stockfleth, Charité Berlin, an einer innovativen Pharmakotherapie der aktinischen Keratose. Da häufig viele Hautveränderungen dicht beieinander liegen und dazwischen oft noch weitere subklinische Veränderungen verborgen sind, sieht er bei solchen Patienten Vorteile für eine systemische anstelle einer topischen Therapie. Aufgrund unerwünschter Wirkungen erscheint 5-Fluorouracil (5-FU) dafür problematisch. Als Alternative wird in Zusammenarbeit mit einem biotechnologischen Start-up-Unternehmen Fosfluridin untersucht, ein Prodrug von 5-FU mit größerer Lipophilie. Bisherige Untersuchungen sprechen für eine bessere Verträglichkeit und gutes Ansprechen bei einem sehr guten Sicherheitsprofil. Als unerwünschte Nebenwirkungen seien beherrschbare Diarrhöen aufgetreten.

Innovationen quer durch die Dermatologie

Als einen Quantensprung, wie er in einer dermatologischen Therapie nur selten vorkommt, bezeichnete Prof. Dr. Dr. Thomas Ruzicka, München, den Einsatz von Alitretinoin zur oralen Behandlung des atopischen Handekzems. Da andere Retinoide typischerweise die Haut austrocknen, habe ihn das positive Ergebnis der klinischen Prüfung erstaunt: Alitretinoin hat sich bei Tagesdosen von 10 oder 30 mg in einer Studie mit über 1000 Patienten nach 24 Wochen Behandlung und 24 Wochen Nachbeobachtung als gut wirksam erwiesen. Als unerwünschte Wirkung wurden insbesondere Kopfschmerzen beobachtet. Auch Rezidive konnten erfolgreich behandelt werden. Das Produkt wird von der schweizerischen Firma Basilea, einer Ausgründung der Roche AG, entwickelt.

Das hereditäre Angioödem,eine Sonderform des Quincke-Ödems, äußert sich in akuten Schwellungen unterschiedlicher Körperteile, z. B. des Gesichts. Hier eine Patientin während eines Anfalls (links) und im Normalzustand.
Foto: Jerini AG

Auch eine andere Produktentwicklung beruht auf der Vorarbeit eines großen Konzerns, wie Prof. Dr. Konrad Bork, Mainz, berichtete. Die Berliner Jerini AG hat einen Wirkstoff weiterentwickelt, der ursprünglich von der ehemals deutschen Hoechst AG stammt, und als Arzneimittel zur Behandlung des hereditären Angioödems klinisch geprüft (die Phase III wurde erfolgreich abgeschlossen). Das hereditäre Angioödem führt typischerweise zu tagelangen Anfällen mit schwersten Bauchschmerzen und kann lebensgefährliche Kehlkopfödeme verursachen. Sie beruht auf einem Mangel an C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH). Zurzeit erfolgt die Therapie der Anfälle mit C1-INH-Konzentrat, das in speziellen Zentren gelagert und intravenös verabreicht wird. Als Alternative bietet sich der Bradykinin-B2-Rezeptor-Antagonist Icatibant an, der ein Dekapeptid mit einer ähnlichen Struktur wie Bradykinin darstellt. Bei den klinischen Prüfungen konnten die Anfälle entscheidend verkürzt und die Symptome wesentlich verringert werden. Obwohl Bradykinin zur Blutdrucksenkung dient, ist keine problematische Blutdruckerhöhung beim Einsatz des Antagonisten beobachtet worden. Gegenüber der bisherigen Therapie bietet Icatibant den Vorteil, dass es vom Patienten selbst bereitgehalten und subkutan injiziert werden kann. Die Jerini AG hat bei der EMEA und bei der FDA die Zulassung von Icatibant als Arzneimittel beantragt und rechnet mit einer Entscheidung der Behörden bis Mitte 2008.

Für die Vielfalt der Forschungskonzepte neuer Dermatika spricht das Beispiel des deutsch-amerikanischen Biotechnologieunternehmens Medigene, das sonst an Gentherapien arbeitet, aber auch Wirkstoffe aus grünem Tee in einer Salbe gegen Genital- und Perianalwarzen verarbeitet. Prof. Dr. Hoda Tawfik, Planegg, berichtete über die Polyphenon® -E-haltige Salbe, die in den USA bereits zugelassen ist und deren europäische Zulassung noch 2008 erwartet wird. Sie wird dreimal täglich über maximal 16 Wochen auf die Warzen aufgetragen. Als wirksames Prinzip gilt das Catechin-Gemisch.

Neue Antimykotikaklasse

In einem weiteren Symposium während der GD-Jahrestagung präsentierten Prof. Dr. Hans Christian Korting und Dr. Claudia Borelli, München, das Antimykotikum Abafungin, das als erstes Arylguanidin zu einem Antimykotikum für die Humanmedizin entwickelt wurde. Es wurde zuerst bei der Bayer AG synthetisiert und wird nun von der York Pharma bearbeitet. Abafungin hemmt die Sterol-C-24-Methyltransferase im Rahmen der Ergosterolsynthese in Pilzen. Die antifungale Aktivität konnte sowohl in der Ruhe- als auch in der Wachstumsphase der Pilze gezeigt werden. Die Zulassung von Abafungin wurde in Großbritannien beantragt, anschließend wird eine Zulassung für die übrige EU angestrebt. Korting begrüßte grundsätzlich die Verfügbarkeit einer neuen antimykotischen Substanzklasse zur Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten und als Schutz vor potenziellen künftigen Resistenzen.


Zum Weiterlesen


Bradykinin-Antagonist Icatibant

Deutsche Apotheker Zeitung 2006, Nr. 39, Seite 28–31


Chronisches Hand-Ekzem: Neues Anwendungsgebiet für Alitretinoin

Deutsche Apotheker Zeitung 2007, Nr. 48, Seite 37–38

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